Bauskandal: Druck auf Bilfinger Berger wächst
Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) forderte, die Unternehmensspitze des Mannheimer Baukonzerns müsse endlich vor Ort den Anwohnern und Medien Rede und Antwort über den Pfusch bei den Bauarbeiten stehen. Die Stadt werde eine öffentliche Veranstaltung im Gürzenich planen, kündigte der Kölner Rathauschef an. «Ich erwarte, dass die Unternehmensspitze dort präsent ist!», sagte er. «Es ist absolut unzumutbar, dass im Rahmen der Ermittlungen Tag für Tag neue Entdeckungen die Menschen in unserer Stadt aufschrecken und in Sorge versetzen.» Bereits am Freitag hatten Fahnder die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen für den Kölner U-Bahn-Bau durchsucht, darunter auch die Büros der Mannheimer Baufirma. Anschliessend hatte die Staatsanwaltschaft Bilfinger Berger über den Verdacht auf Manipulationen beim Bau der ICE-Trasse informiert.
Ehemaliger Bauleiter beschuldigt Bilfinger
Bilfinger Berger kündigte an, die Arbeiten an der Strecke zu untersuchen. «Wir wollen sicherstellen, dass alle Projekte, in denen ähnliche Technologien verwendet wurden, korrekt ausgeführt worden sind», sagte Vorstandschef Herbert Bodner. Die Hinweise auf den möglichen Pfusch stammen nach Angaben des Kölner «Express» (Samstag) aus der Vernehmung eines ehemaligen Bauleiters des Unternehmens. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I sagte, die Ermittlungsbehörde werde nun prüfen, ob im eigenen Zuständigkeitsbereich etwas vorgefallen ist. Wegen der Länge der Bahnstrecke könnten allerdings auch andere bayerische Staatsanwaltschaften oder auch die Behörde am Bilfinger-Berger-Sitz in Mannheim zuständig sein. Dort war am Sonntag niemand zu erreichen.
Befestigungsanker nicht oder falsch eingebaut?
Die insgesamt 171 Kilometer lange ICE-Trasse war 2006 fertiggestellt worden. An der rund 3,6 Milliarden Euro teuren Strecke wurde insgesamt acht Jahre lang gebaut. Beim Kölner U-Bahn-Bau deutet inzwischen vieles darauf hin, dass an mehreren Baustellen vorgesehene Befestigungsanker nicht oder falsch eingebaut wurden. Die zugehörigen Bauprotokolle wurden vermutlich anschliessend gefälscht. Nicht eingebaute Anker wurden Berichten zufolge schwarz verkauft.
Kölner Verkehrsbetriebe wehren sich gegen Vorwürfe
Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die die Bauaufsicht selbst übernommen hatten, wehren sich gegen Vorwürfe der Schlamperei. «Eine Vielzahl von digitalen Bildern und Protokollen belegen, dass die Bauüberwachung der KVB vor Ort kontrolliert hat», hiess es am Sonntag. Das Magazin «Focus» hatte unter Bezug auf die Ermittler geschrieben, dass nach Aussagen etlicher Bauarbeiter «faktisch keinerlei Bauaufsicht vor Ort» war. Der U-Bahn-Bau gilt als Ursache für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009. Zwei Menschen kamen ums Leben.
Keine Veranlassung zur Bildung von Rückstellungen
Bilfinger Berger sieht derzeit keine Veranlassung zur Bildung von Rückstellungen im Zusammenhang mit dem möglichen Bau-Pfusch an der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehe er keine Veranlassung dazu, sagte Konzernchef Herbert Bodner am Montag bei einer Telefonkonferenz. Es sei derzeit auch nicht klar, ob und in welchem Umfang Nachbesserungsarbeiten erforderlich werden könnten. Generell bestehe der Haftpflichtversicherungsschutz auch nach Ende der Bauarbeiten fort. Die Aktien waren am Montag stark unter Druck geraten und mit einem Kursabschlag von 6,02 Prozent auf 50,75 Euro mit Abstand schwächster Wert im MDax.
(awp/mc/ps/08)