Schwere Zeiten für die Deutsche Börse
«Wir haben heute Wachstumschancen für morgen zu sichern.» 2009 hatte die Deutsche Börse aufgrund von Abschreibungen erstmals seit ihrem Börsengang im Jahr 2001 ein negatives operatives Ergebnis zu verkraften. Der Gewinn brach nach einem Milliardenüberschuss im Jahr 2008 im vergangenen Jahr um als 50 Prozent ein. Eine Normalisierung der Situation sei noch nicht in Sicht, wie die hohe Nervosität an den Märkten zeige. «Es war uns immer bewusst, dass der Einschnitt kommen würde. Dass er so nachdrücklich ausgefallen ist, hat sicher in der Finanzwirtschaft niemand erwartet.»
Schwache Handelsaktivität und alternative Handelsplattformen
In der Spitzengruppe der globalen Börsen zu verbleiben sei «kein Selbstläufer», ergänzte Francioni. «Wir müssen hart dafür arbeiten.» Die schwache Handelsaktivität der Marktteilnehmer am Kassa- und Terminmarkt Xetra und Eurex sowie die Konkurrenz alternativer Handelsplattformen wie Chi-X belasteten 2009 die Umsätze, die im Vergleich zu 2008 um 16 Prozent zurückgingen. Nun soll die Führungsstruktur verschlankt werden sowie weitere Einsparungen, etwa bei Sachkosten und durch mögliche Stellenverlagerungen, erfolgen. Insgesamt sollen so jährlich 50 Millionen Euro gespart werden. 80 der rund 400 Führungskräfte sollen nun gehen. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 3.300 Mitarbeitern.
Kosten im Fokus
Im vollen Umfang sollen die Massnahmen 2011 umgesetzt sein. Die Implementierungskosten hierfür werden vom Management auf 40 Millionen Euro geschätzt, wobei der grösste Teil als Rückstellungen im ersten Halbjahr ergebniswirksam erfasst werden soll. Die Kostenprognose für 2010 ohne die Berücksichtigung der Rückstellungen senkte das Unternehmen von bislang 1,28 Milliarden Euro auf 1,25 Milliarden Euro.
Analysten-Empfehlungen zeigen mehrheitlich positives Bild
Analyst Martin Peter von der LBBW urteilte: «Die aktuelle Kostenprognose für 2010 zeige eine moderate Abweichung zur bisherigen Prognose. Die angekündigten zusätzlichen jährlichen Einsparungen erschienen «realistisch und ausreichend, wenn – wie wir das tun – ein positives Wachstumsszenario für den Umsatz zugrunde gelegt wird». Die Aktie lag an der Dax-Spitze und stieg im frühen Nachmittagshandel weiter an auf zuletzt um 3,13 Prozent auf 48,83 Euro. Die Empfehlungen der Analysten zeigen überwiegend ein positives Bild: Nur Goldman Sachs beliess die Aktie auf «Sell», Merrill Lynch dagegen auf «Buy». Die Credit Suisse wiederholte ihre «Outperform»-Einschätzung, während die Commerzbank den Titel auf «Add» beliess.
Stärken ausbauen
Die Deutsche Börse will von der schärferen Regulierung der Finanzmärkte profitieren. Dass vor allem die Sicherheit an den Weltfinanzmärkten erhöht werden solle, sei interessant für die Deutsche Börse, so Francioni. «Hier zeichnen sich neue Chancen ab.» So sollen die «Stärken in den Bereichen Technologie, Risikomanagement-Dienstleistungen und Produktinnovationen» weiter ausgebaut werden, wie Vorstandschef Francioni sagte. Daher werden unter anderem die Ausgaben in diesem Bereich 2010 zunächst um mehr als 50 Prozent auf rund 100 Millionen Euro steigen.
Ein Markterfolg auf diesem Geschäftsfeld kann sich laut Eurex-Vorstand Andreas Preuss «allerdings nur einstellen, wenn grosse Teilnehmer im ausserbörslichen Derivatemarkt bereit sind, bestehende Angebote effektiv zu nutzen». Bislang jedoch hat die Deutsche Börse hier noch keine Erfolge erzielt, denn bei der Abwicklung ausserbörslich gehandelter Kreditderivate hat bislang die US-Börse ICE in Europa die Nase vorn. Eine «Einigung über ökonomische Parameter» sei daher gefragt, so Preuss. «Wir sind flexibel, aber suchen nicht eine Einigung um jeden Preis.»
Wachstum über Zukäufe
Die Deutsche Börse will auch über Zukäufe weiter wachsen. «Wenn es Möglichkeiten gibt, anorganisch zu wachsen, dann machen wir das, wenn es Sinn macht», sagte Francioni. Damit wiederholte er frühere Aussagen. Zur Versüssung der Doppelstrategie von Sparen einerseits und Ausgaben für Wachstumsinitiativen andererseits bestätigte die Deutsche Börse zugleich ihren Dividendenvorschlag auf Vorjahresniveau in Höhe von 2,10 Euro je Aktie. Aktienrückkäufe hingegen seien «im Moment» nicht vorgesehen, hiess es. (awp/mc/pg/07)