Ali Al Shihabi, Chairman Rasmala Investment Bank

von Gérard Al-Fil


Moneycab: Herr Al Shihabi, Sie haben die Argumente «pro und contra Finanzmarktregulieung» auf dem diesjährigen World Economic Forum in Davos in den Medien verfolgt. Wie wird das Tauziehen zwischen Regulatoren und Bankiers um Boni und Bilanzen ausgehen?

Ali Al Shihabi: In Europa und den USA werden sich die Regulatoren durchsetzen. Die Staaten stehen ja in der Pflicht, weil die Steuerzahler diejenigen Banken, die versagt haben, mit ihrem Geld aus der Patsche gezogen haben. Jede Form von «laissez-faire» wäre deplatziert. Das könnte kein Regierungschef seinen Wählern glaubhaft erklären.

Welche Änderungen erwarten Sie in den arabischen Golfstaaten und wie bewerten Sie die Reaktionen der Zentralbanken auf die Finanzkrise?

Die Massnahmen waren insgesamt recht wirksam. Der älteste regionale Regulator, die 1950 gegründete Saudi Arabian Monetary Agency SAMA, hat sich in Krisenzeiten schon immer als omnipotent erwiesen, trotz der einflussreichen Familien- und Stammesnetzwerke in der Wirtschaft Saudiarabiens. Die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und die übrigen Währungshüter in der Region konnten ebenfalls die Märkte schnell mit Liquidität versorgen. Allerdings erreichte das Volumen toxischer Papiere bei den Geldhäusern am Golf nie das Ausmass wie im Westen.

Warum? Weil sie das Risikomanagement besser beherrschen?

Eher, weil das Investmentbanking in der Golfregion eine recht neue Erscheinung ist. Die Investmentbanken, zu deren Hauptgeschäftsfeldern Unternehemensfinanzierungen, Börsengänge, Kapitalmarktoperationen und Fusionen und Akquisitionen zählen, sind bei uns im Schnitt keine fünf Jahre alt. Dass hier überwiegend «Plain Vanilla»-Banking vorherrscht, gestaltete die Massnahmen für die Zentralbanken vergleichsweise einfach. Deshalb werden sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in den Staaten des Golfkooperationsrates GCC (Saudiarabien, Kuwait, Bahrain, Katar, VAE und Oman) nicht wesentlich verändern. 

Sind neue Regelwerke in den Ölstaaten denn überhaupt notwendig? Die Golfstaaten strotzen vor Liquidität und selbst das krisengeplagte Dubai zieht internationale Firmen und Banken weiterhin wie ein Magnet an.

Die Haushalte sind in der Tat robuste Gebilde. Die Budgetüberschüsse summierten sich Ende 2008 infolge der jahrelangen Öl- und Gaspreise auf über eine Billion Dollar. Setzt man die Staatsschulden ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, so lag dieser Wert Anfang 2009 bei 40% in den VAE, 15% in Saudi-Arabien, in Katar bei 8% und in Kuwait bei nur 5%. Dies sind sehr niedrige Werte, verglichen mit den USA und Deutschland, die beide bei 70% liegen. Oder nehmen Sie Japan: dort machen die Staatsschulden 200% von Nippons Wirtschaftleistung aus. Die Inflation, die während der Energiepreis-Rally von 2004 bis 2008 die Unternehmen am Golf sehr belastete, ist verschwunden. Dubai hat in den GCC das beste Geschäftsmodell im Hinblick auf seine Rolle als Handelsdrehkreuz, Finanzplatz, Konferenzenzentrum und als Tourismus-Mekka.


«Deshalb werden sich die regulatorischen Rahmenbedingungen in den Staaten des Golfkooperationsrates GCC (Saudiarabien, Kuwait, Bahrain, Katar, VAE und Oman) nicht wesentlich verändern.»


Soll das heissen, am Golf kann trotz Dubai World-Krise und Bankenzusammenbrüchen in Bahrain und Kuwait alles weiterlaufen wie gehabt?

Nicht ganz. Die Öleinnahmen und Währungsreserven können zwei zentrale Probleme in den arabischen Golfstaaten nicht kaschieren: den Mangel an talentierten Mitarbeitern und die fehlende Transparenz in der Finanzbranche und in den Unternehmen allgemein.

Talente sind doch genug vorhanden. Wie sonst hätten Sie 2003 eine der ersten Investmentbanken in Dubai, die Rasmala Investment Bank gründen können?

Das sieht auf den ersten Blick einfach aus. In Wahrheit kämpfen auch wir mit dem Mangel an qualifiziertem Personal.

Sie haben in Ihrem Unternehmen offene Stellen zu besetzen?

In der Tat. Wir suchen aktuell eine ganze Reihe international ausgebildeter Ökonomen, am besten mit Doktorhut! Aber stellen Sie sich vor: wir können hier in der Golfregion keine finden.

Und das in der Krise…

Ja, letztes Jahr traf ich in Bangalore mit der Führung des indischen Informationstechnologie-Riesen Infosys zusammen. Infosys hat in den letzten Jahren 10,000 IT-Spezialisten pro Jahr eingestellt. Ich fragte das Management: «Wo finden sie all diese Leute?» Der Vorstand für das Personalwesen antwortete mir mit einem Lächeln, das sei überhaupt kein Problem, denn Infosys erhalte pro Jahr eine Million Bewerbungen.

Liegt der Talentmangel in den arabischen Ländern aber nicht auch daran, dass es viele «high potentials» ins Ausland zieht? Sie selbst haben sich Ihr theoretisches Rüstzeug in Princeton und in Harvard angeeignet. Aber im Gegensatz zu Ihnen schlagen viele arabische Absolventen nach einem Studium im Westen lieber eine Karriere in London oder New York ein.

Der «braindrain» ist eine Tatsache. Die Frage muss daher lauten: wie kann man ihn stoppen? Indem man eigene Hochschulen aufbaut…

.. was ja auch getan wird: die renommierte Pariser Sorbonne hat seit Kurzem eine Aussenstelle in Abu Dhabi, und Saudi-Arabien hat letztes Jahr in Riad garade die King Abdulla University of Science and Technology KAUST ins Leben gerufen…

Richtig, aber wenn sie sich die jährlich erstellen Rankings der 500 besten Universitäten der Welt anschauen, dann finden Sie dort keine einzige arabische Hochschule.


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Reden wir über das Thema Transparenz. Was ist an zu wenig Transparenz auszusetzen in einer Region, in der fast neun Zehntel der Firmen von Familien-Clans kontrolliert werden?

Reformen in punkto Transparenz sind überfällig in diesem Teil der Welt, auch wenn man dieses Problem angesichts der mit Petrodollars gefüllten Kassen der Staatsfonds nicht wahrhaben möchte. Die GCC-Staaten empfehlen sich als internationale Handels- und Finanzplattform zwischen Europa und Ostasien. Kapital und ausländische Direktinvestitionen können nur konstant und nachhaltig fliessen, wenn die Unternehmen in der Region nach international kompatiblen Regeln operieren.

Sehen Sie Licht am Horizont?

Das Dubai International Financial Centre DIFC, in dem auch unsere Rasmala Investment Bank ihren Sitz hat, ist als  Onshore-Finanzplatz der richtige Ansatz. Aber die Unternehmenskommunikation ist in unseren Breitengarden noch unglaublich schwach entwickelt. Familienunternehmer lassen sich nur widerwillig in die Karten schauen. Das wird in Krisenzeiten schnell zum Problem. Es gibt freilich Initiativen wie die Dubaier «Hawkamah», die Organisation zur Förderung der Corporate Governance im Mittleren Osten. Den guten Absichten folgen nur leider selten Taten. Kurz gesagt: «We talk the walk, but we don?t walk the talk».

Im 2009 beherrschten die Zusammenbrüche zweier saudiarabischen Banken in Bahrain, die den einflussreichen Unternehmerfamilien Familien Saad und Ahmad Hamad Al Gosaibi and Brothers (AHAB) gehörten, die Schlagzeilen. Der Bankrott der Banken «Awal» und «The Internatonal Banking Corporation« (TIBC) führte zu Kreditausfällen von über 10 Milliarden Dollar bei Banken weltweit. Betroffen waren auch Citigroup und BNP Paribas. Wohin steuert der Bankenmarkt in Saudiarabien?

Die Banken im Königreich stehen trotz Saad/AHAB solide da. Ich denke, saudiarabische Banken sind in der Region am besten aufgestellt, und sie werden 2010 die Kreditvergabe als erste wieder ankurbeln. Westliche Banken, die in bei Saad/Algsaibi involviert waren, werden aber nicht so schnell in die Region mit grossen Finanzierungsengagements auf die Bühne zurückkehren.

Bleibt die Schuldenkrise beim Staatskonzern Dubai World, welche die Golf-Emirate auch nach der am 14. Dezember 2009 zugesagten Bürgschaft in Höhe von 10 Milliarden Dollar durch das Nachbar-Scheichtum Abu Dhabi noch einige Jahre beschäftigen wird, da sich Dubais Schuldenstand auf das Achtfache dessen summiert. Was ist von den Geldhäusern in den Golf-Emiraten, in Katar und Kuwait zu erwarten?

Die meisten Bankbilanzen in den VAE bleiben aufgrund zweifelhafter Forderungen bei vergebenen  Immobilienkrediten, aber auch wegen ihres Engagements bei Dubai World-Tochtergesellschaften belastet. Dies schränkt ihren Aktionsradius bei der Kreditvergabe zangsläufig ein. Finanzinstitute in Katar sind da schon einen Schritt weiter. Sie haben dank einer Staatsbürgschaft ihre Bilanzen gesäubert, bleiben aber auf den inländischen Markt fokussiert. Die Banken in Kuwait waren im 2009 die Sorgenkinder am Golf, weil sie international am weitesten vernetzt waren. An ihrem Sorgenstatus wird sich kurzfristig nicht viel ändern. Was Dubai betrifft, so werden viele überrascht sein, wie schnell sich das Emirat erholt!

Herr Al-Shihabi, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.


Dieses Interview ist eine Zusammenfassung einer Q&A, der sich Ali Al Shihabi am 31. Januar 2010 im Anschluss einer Gastvorlesung an der Dubai School of Government stellte, an der Moneycab teilnahm. Das Thema der Veranstaltung lautete: «How Quickly can the GCC Emerge from the Slowdown?»






Der Gesprächspartner
Mit sieben Jahren Erfahrung als Chairman der Rasmala Investment Bank, die er 2003 gründete, und zuvor 10 Jahren als Chairman des Board Management Committees bei der Saudi Hollandi Bank kann Ali Al-Shihabi getrost als «alter Hase» in der Finanzwelt am Persischen Golf bezeichnet werden. Al-Shihabi, der saudiarabischer Staatsbürger ist, bezieht regelmässig zu aktuellen Problemen in der arabischen Welt öffentlich Stellung und nimmt dabei ? was für die Region ungewöhnlich ist ? selten ein Blatt vor den Mund. Ali Al-Shihabi hält einen Bachelor?s Abschluss der Princeton University und einen MBA der Harvard Business School.

Das Unternehmen
Die 2003 gegründete Rasmala Investment Bank mit Hauptsitz in Dubai und Niederlassungen in Abu  Dhabi, Saudiarabien (Riad und Dschiddah), Muscat (Oman) und Kairo. Die Bank hat sich auf die Bereiche Corporate Finance, die klassische Vermögensverwaltung, das Brokerage und Private Equity spezialisiert. Rasmala war eine der ersten Investmentbanken am Golf, die eine Lizenz in Dubais Onshore-Finanzzentrum DIFC erhalten haben.

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