Artur P. Schmidt: Kybernetik versus Gelddruckorgie
Von Artur P. Schmidt
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Manipulierte Märkte
Anders als die Ökonomen wissen Kybernetiker, dass die Welt ein äusserst komplexes System ist, welches sich nie vollständig erkennen und deshalb auch nicht in ihrer Gesamtheit kontrollieren lässt. Deshalb ist Kybernetik eine adaptive Technologie, die inmitten der vernetzten Entwicklungen steht und ergebnisoffene Mustersuche in einem System durchführt. Wenn die Notenbanken und Politik die Ergebnisoffenheit nicht mehr zulassen, weil sie durch Bailouts und Konjunkturprogramme ein bestimmtes Ergebnis herbeiführen wollen, muss diese Vorgehensweise zwangsläufig scheitern. Der Grund hierfür liegt darin, dass die reduktionistische, lineare Denkweise der Natur- und Sozialwissenschaften jener der nichtlinearen Denkweise der Kybernetik hoffnungslos untelegen ist. Der vielleicht grösste kybernetische Vordenker ? noch bedeutender als Norbert Wiener ? dürfte Ross Ashby sein. Seine berühmteste Erfindung war eine Maschine, die er in den späten 40er Jahren baute: der Homöostat. Hierbei handelte es sich um ein elektrisches Gerät, welches Inputs in Outputs verwandelte. Sein wichtigstes Attribut war stets einen stabilen Zustand zu finden. Davon kann in der heutigen Welt der Ökonomie jedoch keine Rede sein, da mit allen Massnahmen, die von Bernanke & Co. getroffen werden, die Instabilität langfristig erhöht wird. Norbert Wiener wusste schon damals wie wichtig die Schaffung von Stabilität ist, als er den Homöostat von Ashby als «einer der grössten philosophischen Beiträge der heutigen Zeit» beschrieb. Wer sich mit komplexen Systemen befasst, kommt nicht umhin sich mit geschlossenen hoch vernetzten Kreisläufen zu beschäftigen.
D er Blick nach Innen
Entscheidend für die Akzeptanz der Kybernetik ist, diese in der wirklichen Welt zu testen. Und welche Welt könnte wirklicher sein als die Ökonomie? Reflexivität und Rückkopplung bilden ein Geschwisterpaar, welches erlaubt die Wirtschaft nicht als Ökonom oder Analyst, sondern als Kybernetiker zu untersuchen. Dieser Blick ist ein Blick nach Innen, d.h. der Betrachter ist endo und untersucht das System aufgrund seiner inneren Strukturen, die sich im Laufe der Zeit ändern können. Die Kybernetik sieht die Ökonomie als ein interdisziplinäres Netzwerk und nicht als ein auf Gleichgewicht ausgerichtetes System, weshalb es völlig anderer Analyseansätze bedarf, um Systeme, die sich fern vom Gleichgewicht befinden, zu untersuchen. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, wie in solchen Systemen immer wieder Stabilität entsteht und wie es dazu kommt, dass urplötzlich Phasen der grössten Instabilität über diese Systeme hereinbrechen können. In der Wirtschaft entstehen öfters scheinbar stabile Blasen, die plötzlich instabil werden und in einem Crash wie im Oktober 2008 enden. Eine sehr interessante Definition für Kybernetik stammt von Louis Couffignal, der 1956 schrieb: «Die Kybernetik ist die Kunst die Wirksamkeit einer Handlung sicherzustellen.» In den Finanzmärkten bedeutet dies, dass es eines Lenkungsmodells bedarf, welches erlaubt Stabilität zu erzeugen. Da dies sehr wenigen Zentralbankern gelingt, ist es notwendig kybernetische Lenkungscockpits in den Finanzmärkten einzusetzen. Nur diese erzeugen die notwendige Vielfalt, um die Vielfalt der möglichen Optionen in die sich die Kurse bewegen können, in ihrer gesamten Komplexität zu untersuchen.
Systeme und Kontrolle
Kontrolle ist eine Eigenschaft von Systemen. Damit gelingt es diesen, sich selbst am Leben zu erhalten. Geht ein System in einen unkontrollierten Zustand über, kann es sich selbst oder durch andere zerstört werden. Deshalb sollte eine Ökonomie, wie dies bei Krisen immer wieder geschieht, nie in einen unkontrollierten Zustand übergeben. Derartige Zustände können durch ein falsches Timing, Finanzierung auf Kredit, zu hohen Leverages oder eine falsche Portfoliozusammensetzung entstehen, weshalb ein Zentralbanker alles daran setzen muss, diese durch Money- und Risk-Management zu vermeiden. Das Bankingcockpit ( www.bankingcockpit.com ) wurde entwickelt um hier Abhilfe zu schaffen, damit Zentralbanken frühzeitig gegensteuern und hiermit die Risiken minimieren können. Um dies zu gewährleisten benötigt man ein Lenkungsinstrumentarium, welches nicht nur einfache (z.B. Billiardspiel) oder komplexe (z.B. Planetenbewegungen) Probleme untersuchen kann, sondern auch besonders komplexe Systeme wie z.B. die Ökonomie. Die heute eingesetzten Analyseinstrumente zum Verständnis ökonomischer Zusammenhänge sind jedoch höchst naiv, da sie sich nur mit linearen Abhängigkeiten beschäftigen und nicht nichtlinearen Wechselwirkungen in ökonomischen Modellen ausgeblendet werden. Um nichtlineare Systeme lenken zu können, muss man sich mit dem Phänomen des Feedbacks, d.h. der Rückkopplung befassen, da es der einzige wirksame Mechanismus für ein System ist, sich den veränderten Situationen anzupassen.
Wechselwirkungen sind relativ zueinander
Da in komplexen Systemen die Veränderungen von Parametern relativ zueinander verlaufen, ist es oftmals schwierig zu sagen, ob diese von einem Input oder einem Kontrollglied herbeigeführt werden. Dies liegt insbesondere daran, dass kybernetische Kausalität stets zirkulär ist, d.h. Ursachen und Wirkungen sind nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden. Dies gilt vor allem für die Finanzmärkte. Diese sind in ihren Entwicklungen hierbei wie ein Organismus zu betrachten, der sich wie ein adaptives Lenkungssystem verhält. Wer diesen untersucht, braucht deshalb ein Indikatorensystem, welches lernfähig ist, d.h. sich den Entwicklungstrends, die das System vollzieht, anpassen kann. Um lernen zu können brauchen Zentralbanken ein Mustererkennungssystem, welches den tatsächlichen Zustand komplexer Systeme offenbart. Da die heutigen Notenbanken und Finanzminister über ein solches nicht verfügen, betreiben sie einen gefährlichen Blindflug.
Lediglich Muster zu entschlüsseln reicht nicht
Ebenso wie das Gehirn als solches nicht lernt, sondern nur das System, welches im Gehirn entwickelt wird, verhält es sich auch an den Finanzmärkten: Die Entschlüsselung der Muster an sich ist noch nicht das Lernen eines Zentralbankers, sondern deren Interpretation im zeitlichen Verlauf sowie die ständige Anpassung an Veränderungen der Parameter ermöglichen es, die richtigen geldpolitischen Entscheidungen zu treffen. Hierbei gilt, dass die quantitativen Veränderungen den Weg zu einem qualitativen Wandel weisen, wenn es nämlich den Zentralbankern gelingt diejenigen Muster zu erkennen, die Stabilität erzeugen. Die Kunst besteht somit darin, aus quantitativen Daten eine möglichst hohe Auswertequalität zu erzeugen, die es den Entscheidungsträgern erlaubt, die richtigen Entscheide für eine möglichst hohe Stabilität der gesamten Ökonomie zu treffen. Die Systeme werden hierbei umso stabiler, je besser es gelingt, die zugrunde liegenden Wechselwirkungen zu verstehen. Das gewollte oder ungewollte Scheitern von Zentralbankern, die jeweiligen Interdependenzen zu erkennen, erzeugt aktuell eine immer grössere Instabilität. Wird hier nicht bald Abhilfe geschaffen, werden uns die weltweiten Zentralbanken mit ihrem ökonomischen Blindflug deshalb zwangsläufig in den ultimativen Staatsbankrott führen.
Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.