Rainer Link, Chief Technology Officer B-Source
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Link, Sie wohnen in der Nähe von Frankfurt und waren, bevor Sie vor zwei Jahren als Technologie-Verantwortlicher zu B-Source wechselten, bei CSC unter anderem für das Systemintegrationsgeschäft zuständig. Was hat Sie bewogen, von einem globalen Grossunternehmen zu einem vergleichsweise kleinen Anbieter in die Schweiz zu wechseln?
Rainer Link: Zum einen war es die spannende Aufgabe, eine neue Applikationsplattform auf Basis von Avaloq aufzubauen. Diese Plattform ist ja die Basis für unser Service-Offering als BPO-Anbieter und damit die erfolgskritische Komponente für die Zukunft der B-Source. Hier kann ich meine Erfahrungen aus dem internationalen, produktbasierten Systemintegrations- und Outsourcinggeschäft einbringen. Andererseits war es der grössere Gestaltungsspielraum, mehr Möglichkeit, etwas «bewegen» zu können. Bei der
B-Source ist unternehmerisches Denken und Handeln gefragt, bei Konzernen ist man doch sehr durch Strukturen und Regeln eingeengt, die eher «ausführungsorientiertes» statt «gestaltendes» Handeln verlangen.
«Nur indem man das liefert, was man zugesagt hat, entsteht nachhaltiges Vertrauen.» Rainer Link, Chief Technology Officer B-Source
Verglichen mit dem Reifegrad eines Unternehmens und seiner Dienstleistungen wie SAP, wo ordnen Sie die Avaloq ein und welches sind die wichtigsten Schritte, um den Reifegrad zu erhöhen?
Die SAP hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Produktentwicklung und in den damit verbundenen Serviceleistungen. Entsprechend sind auch Know-how und Projektvorgehen der Systemintegrationspartner über die Jahre gereift. Ein SAP-Systemintegrationsprojekt ist heute nahezu Commodity. In der Avaloq-Welt sind wir von diesem Reifegrad noch weit entfernt. In der Flexibilität des Avaloq Banken Systems liegt seine Schwäche als Standardprodukt. Für die Stabilisierung und Aufwärtskompatibilität (Stichwort Release Upgrade) des Produkts ist eine stärkere Kapselung des Softwarekerns anzustreben. Bei den Implementierungspartnern muss der Wechsel vom consulting- zum lösungsorientierten Vorgehen stattfinden, um die Projekte professioneller durchzuführen.
Bei Ihrem Antritt war der Entscheid, die Eigenentwicklung zu stoppen und ein neues Geschäftsmodell als BPO Anbieter (Business Process Outsourcing) auf Basis des Avaloq Banken Systems einzuführen, schon gefallen. Was waren in den letzten beiden Jahren die grössten Herausforderungen für Sie als Technologie-Verantwortlichen und welches sind die wichtigsten Aufgaben in den kommenden zwei Jahren?
Mit dem Scheitern der Eigenentwicklung war das Vertrauen der Kunden in die Leistungsfähigkeit der B-Source gestört. Dieses Vertrauen galt es schrittweise wieder herzustellen. Daher war es wichtig, den Entwicklungsplan konsequent einzuhalten und die Entwicklung unserer Lösung gegenüber unseren Kunden und Shareholder transparent zu gestalten. Nur indem man das liefert, was man zugesagt hat, entsteht nachhaltiges Vertrauen. Hierzu war es notwendig, ein schlagkräftiges, leistungsfähiges Team aus B-Source, Avaloq und dem Integrationspartner zusammenzuschweissen.
Die Aufgaben für die kommenden zwei bis drei Jahre sind klar definiert: Die erfolgreiche Systemeinführung bei den Bestands- und Neukunden ist sicherzustellen. Zusätzlich muss die klare Ausprägung einer Standardlösung für unser Service-Offering für (Privat)banken mittels unserem B-Source Master beibehalten werden.
«Die jährlich wiederkehrenden Release-Wechsel der Software Suite werden dann jeweils im B-Source Master vorgenommen und stehen für sämtliche Kundenumgebungen zur Verfügung. Damit minimieren wir Aufwände für diese Release-Wechsel enorm und können unseren Kunden einen Kostenvorteil bieten, der einmalig ist.»
Obschon die Avaloq eine eigene «Modellbank» als Standardkonfiguration ihres Systems anbietet, entwickelt B-Source einen eigenen «Master». Was ist die Idee dahinter, welche Vorteile soll der B-Source Master den Kunden bringen und was sind die grössten technischen Herausforderungen?
Avaloq ist ein Produktanbieter, wir als B-Source sind ein BPO-Serviceanbieter. Daher müssen wir unsere Softwarelösung, auf der wir unsere Services gegenüber unseren Kunden erbringen, funktional breiter und standardisierter ausrichten. Nur so können wir unsere Serviceleistungen optimal (STP und kosteneffizient) erbringen. So sind die Back Office Administrations-Prozesse unter Berücksichtigung der Front- und Mid Office Prozesse End-to-End abgebildet. Unsere eigenen Back Office Prozess-Spezialisten, die seit Jahren diese Prozesse für unsere Kunden abwickeln, haben die Designarbeit übernommen. Mit ihrer praktischen Erfahrung haben sie die Abläufe maximal optimiert. Die Avaloq- und IT-Experten haben darauf die entsprechende Umsetzung mittels Parametrisierung aufgesetzt. Auch die Schnittstellen zu den Mid- und Front Office Applikationen sind bereits erstellt. Die jährlich wiederkehrenden Release-Wechsel der Software Suite werden dann jeweils im B-Source Master vorgenommen und stehen für sämtliche Kundenumgebungen zur Verfügung. Damit minimieren wir Aufwände für diese Release-Wechsel enorm und können unseren Kunden einen Kostenvorteil bieten, der einmalig ist.
Als BPO Anbieter ist für die B-Source ein effizienter Betrieb und die Skalierbarkeit entscheidende Erfolgsfaktoren. Welche technischen Komponenten haben Sie gewählt (Hardware, Software, Entwicklungswerkzeuge), um sowohl Effizienz als auch Skalierbarkeit zu gewährleisten?
Dies ist absolut richtig. Wir haben neben der bereits oben erwähnten standardisierten und durchgängigen Prozessabdeckung Architekturmerkmale und Designprinzipien definiert. Das MESI-Konzept (Multi Entities, Single Instance) ermöglicht unserem Back Office, Bearbeitungsprozesse wie Payments, Corporate Actions und Valorenstammpflege kundenübergreifend nur einmal durchführen zu müssen. Das Single-Source Konzept für unseren B-Source Master ist unabdingbar für die effiziente und aufwandsarme Durchführung von Release Upgrades und Weiterentwicklungen. Am Markt etablierte Entwicklungs- und Testwerkzeuge sind obligatorisch für eine professionelle Projektdurchführung und Maintenance der Applikationslandschaft. Der Einsatz der pSeries-Rechner von IBM ermöglicht uns die optimale Last-/Kapazitätsverteilung unserer HW/SW-Ressourcen dank dem zu Grunde liegenden virtuellen Rechnerkonzept.
Die Übernahme der Banca del Gottardo durch die BSI hat zu einem Strategiewechsel geführt. Anstelle der BSI führen nun zwei kleinere Banken (Neue Zürcher Bank und National Bank of Abu Dhabi) den B-Source Master als Pilotbanken ein. Wo stehen Sie heute im Projekt, was waren bis anhin die wichtigsten Erkenntnisse und wann werden die beiden Banken den produktiven Betrieb mit der neuen Lösung aufnehmen?
Wir sind mit beiden Projekten voll im Zeitplan. Wir haben den Systemtest abgeschlossen und sind mit beiden Banken jetzt im sogenannten User Acceptance Test (UAT). Am 4. Januar 2010 starten wir den Produktionsbetrieb für beide Banken. Auch wir blieben nicht verschont von typischen Problemen eines Systemintegrationsprojektes, aber Dank unserem strukturierten, methodischen Vorgehen konnten wir diese frühzeitig erkennen und lösen. Unser B-Source Master, den wir 2008 entwickelt haben, hat sich vollständig bewährt. Der erforderliche Release Upgrade innerhalb des Projektes war ein kritischer Erfolgsfaktor in punkto Zeit und Stabilität und musste entsprechend berücksichtigt werden.
«Das am Schweizer Markt verfügbare Avaloq Know-how könnte zum Engpass werden. Ich bin mir aber sicher, dass wir bis dahin unser eigenes Know-how weitestgehend aufgebaut haben werden.»
War Avaloq bis anhin vor allem in der Schweiz tätig, kommen in letzter Zeit vermehrt Kunden aus Europa und Asien dazu. Was heisst das für Sie als Avaloq BPO Anbieter, welche möglichen technischen Auswirkungen hat die Internationalisierung von Avaloq?
Ich verspreche mir hiervon primär Vorteile für uns. Die Internationalisierung zwingt Avaloq, ihre Produktentwicklung konsequent an den Leistungsmerkmalen eines Standardproduktes auszurichten. Auch funktionale Erweiterungen, insbesondere regulatorische Anforderungen, werden durch Avaloq umzusetzen sein, um sich am internationalen Markt zu behaupten. Unsere international tätigen Kunden und wir als BPO-Provider werden davon profitieren. Das am Schweizer Markt verfügbare Avaloq Know-how könnte zum Engpass werden. Ich bin mir aber sicher, dass wir bis dahin unser eigenes Know-how weitestgehend aufgebaut haben werden.
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Viele IT Unternehmen beklagen den Mangel an ausgebildeten Informatikerinnen und Informatiker in der Schweiz. Wie gehen Sie damit um, was für konkrete Massnahmen sehen Sie, um den Mangel zu beheben?
Gute, qualifizierte Mitarbeiter sind der Erfolgsfaktor für unsere anspruchsvollen Ziele und Aufgaben. Wir wollen und müssen unsere eigenen Mitarbeiter kontinuierlich aus- und weiterbilden. Dies tun wir über verschiedene etablierte Programme (Young Talents, Trainee-Programm, interne Akademie, externe Fortbildung mit definierten Zertifizierungen), für die wir ganz bewusst einen beträchtlichen Investitionsbetrag jährlich zur Verfügung stellen. Darüber hinaus arbeiten wir mit verschiedenen Universitäten und Hochschulen zusammen, zum Beispiel dem CC Sourcing der HSG, vergeben Diplomarbeiten und Praktikantenstellen, um so frühzeitig mit Nachwuchskräften in Kontakt zu kommen. Bei Kapazitätsspitzen und auch für spezifische Themengebieten, wo wir bewusst kein eigenes Know-how aufbauen wollen, arbeiten wir mit externen Consultants und Systemintegrationspartnern zusammen.
«Dank der Finanzkrise ist nun der Handlungsbedarf bei Banken gegeben, um über alternative Sourcing Strategien zu sprechen und ihre cost-income-ratio zu verbessern.»
Bis anhin hat die B-Source ein kontinuierliches Wachstum auch bezüglich der Mitarbeiter ausgewiesen. Welches Wachstum planen Sie in Ihrem Bereich, welche Personen und Fähigkeiten suchen Sie und wie gelangen Sie an die im Markt so raren Talente?
Unser Mitarbeiterbedarf ist an unserem Businessplan bis 2013 und dem geplanten Projektportfolio ausgerichtet. Wir wollen in den für eine Systemintegration und bezogen auf unsere Applikationslandschaft erforderlichen Kompetenzfeldern wie Business Analysts, Solution Architects und Projektmanager wachsen. Kapazitätsengpässe werden wir über externe Consultants abdecken, mit denen wir bereits erfolgreich und vertrauensvoll zusammen arbeiten. Mit Adliswil als zweitem Projektstandort gelingt uns der Zugang zum deutsch-schweizerischen Arbeitsmarkt.
Die Finanzkrise hat bei vielen Banken für eine Zurückhaltung bei Neuinvestitionen gesorgt. Wie hat sich die Krise bis anhin auf B-Source ausgewirkt?
Dank der Finanzkrise ist nun der Handlungsbedarf bei Banken gegeben, um über alternative Sourcing Strategien zu sprechen und ihre cost-income-ratio zu verbessern. Mit unserem Service Offering haben wir die richtige Antwort und finden auch das Interesse bei unseren Zielkunden. Solche strategischen Entscheidungen bedürfen einer mehrmonatigen Evaluierungsphase, um neben einem validen Business Case vor allem ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. Bei wenigen Kunden hat sich die Entscheidung zeitlich etwas verzögert, wurde aber selbst nicht in Frage gestellt. Somit liegen wir in unserem Businessplan.
Mit dem B-Source Master auf Basis des Avaloq Banken Systems ist das Kernprodukt definiert. Gibt es bei den Zusatzfunktionen noch Raum für Kooperationen mit anderen Anbietern und eventuell schon konkrete Pläne dazu?
Wie Sie richtig gesagt haben, ist unser B-Source Master das Kernprodukt unserer Applikationsplattform. Wir wollen und werden dessen funktionalen Abdeckungsgrad mit jedem weiteren Migrationsprojekt erweitern. So sind mit den neuen Migrationsprojekten für 2010 bereits ergänzende funktionale Anforderungen identifiziert und geplant. Wir haben mit unserer Applikationsplattform sogenannte «preferred products» bestimmt. Dies sind Standardprodukte, die ganz bestimmte Bankprozesse abdecken und unsere Lösung komplettieren. Deren Integration wollen wir über sogenannte standardisierte Schnittstellen vornehmen, hierzu sind wir mit Produkt- und Integrationspartnern im Gespräch.
Mit der Übernahme der Sourcag hat die Swisscom IT Services, zu der auch die Comit gehört, eine klare Absicht bekundet, vermehrt ins BPO Geschäft einzusteigen. Was bedeutet dieser Schritt für die B-Source?
Wir beobachten selbstverständlich die Marktentwicklung und fühlen uns mit unserem Business-Modell und Service Portfolio nur bestätigt. Mit unserer Gesamtlösung als BPO-Anbieter tragen wir dem gesamten TCO Aspekt Rechnung. Wir müssen den IT-Betrieb aufwands- und kostengünstig gestalten und die Abwicklung der Bankprozesse effizient und mit hoher Qualität durchführen. Unsere Applikationsplattform mit dem B-Source Master als Kern ist nach diesen Merkmalen entwickelt und wird ständig weiterentwickelt. Mit diesem USP sind wir überzeugt, dass wir der führende BPO-Serviceanbieter in der Schweiz bleiben.
Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?
Zum einen zufriedene Kunden und Mitarbeitende als Basis für den Erfolg der
B-Source. Für meinen beruflichen Ausgleich möchte ich wieder einmal genügend Zeit finden, um für einen Marathon zu trainieren.
Der Gesprächspartner
Rainer Link, Chief Technology Officer B-Source
Geboren 1958, Ausbildung Wirtschaft und Informatik, Abschluss in Oekonomie
Seit 1. September 2007: B-Source SA, Chief Technology Officer
2004?2007: CSC Deutschland, Senior Manager und Leiter Global Transformation Solutions (Application Management).
Leiter der SAP Practice für EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika).
1989?2007: CSC Deutschland, verschiedene Management Aufgaben, unter anderen Mitglied des Verwaltungsrates der CSC Ploenzke AG, Wiesbaden.
1986?1988: IT Berater in der Finanzindustrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
1979?1986: Verschiedene Aufgaben in mehreren IT Beratungs-Unternehmen als Software Ingeniuer in Deutschland.
Das Unternehmen
Das Schweizer Unternehmen B-Source stellt Dienstleistungen im Bereich Business Process Outsourcing (BPO) für Privat- und Universalbanken bereit. B-Source bietet zudem IT Outsourcing (ITO) Dienstleistungen für die Finanzindustrie, Versicherungsgesellschaften und weitere ausgewählte Industrien an. Zum Kundenkreis zählen Banken in der Schweiz und mehreren anderen Ländern. Alle Leistungen sind nach ISO 9001 und ISO/IEC 27001:2005 zertifiziert. Zudem wurde B-Source mit einem SAS 70 Level II Audit Report ausgezeichnet. B-Source arbeitet eng mit seinen Geschäftspartnern, dem Competence Center Sourcing der Universität St. Gallen, Avaloq und Orbium, zusammen. B-Source Master,
B-Sources neue BPO-Plattform, ist «powered by Avaloq».
B-Source wurde 1995 gegründet und verfügt über Niederlassungen in Basel, Lugano, Luzern, München, Nyon, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Die Datenzentren befinden sich in Lugano und Zürich. Die Mitarbeiterzahl von zurzeit 600 besteht zur Hälfte aus Bankfachleuten.