Business-Knigge Mittelost (14): Was schweizerische Manager in Dubai so alles falsch machen
von Gérard Al-Fil
Der Schweizer Manager. Er kennt sich aus in der Welt des big business. Zumindest in deren westlicher Hälfte. Die Geschäftsviertel von London und New York sind ihm so geläufig wie das Dreigang-Menü der Zürcher Kronenhalle. Mit seiner Geliebten flaniert er durch Paris und Mailand bei Nacht.
Der Schweizer Manager. Er kennt sich aus in der Welt des big business. Zumindest in deren westlicher Hälfte. Die Geschäftsviertel von London und New York sind ihm so geläufig wie das Dreigang-Menü der Zürcher Kronenhalle. Mit seiner Geliebten flaniert er durch Paris und Mailand bei Nacht.
Aber die orientalischen Winkelzüge erscheinen ihm von jeher verworren und fremd. Anders lässt sich die Fettnäpfchen-Tour der Eidgenossen in Dubai nicht erklären. Die Liste der Fehltritte ist so lang wie die Schweizer Bundesverfassung: Araber werden mit «Schalom» begrüsst, Vertragsentwürfe in deutscher Sprache verteilt und dem emiratischen Vorstandschef mit Sekt zugeprostet…
Schlimmer noch: neun Zehntel der Heads, Projektleiter und CXOs setzen sich ins nächste Flugzeug, ohne überhaupt zu wissen, wo Dubai auf der Karte liegt. Stattdessen versteifen sie sich auf das eigene Produkt, auf ihre Erfolge und darauf, ob das Fünf-Sterne-Hotel vor Ort auch ja über einen Spa verfügt. Erst wenn hinter diesen letzterem feature ein Buchhalter-Häkchen gemacht werden kann, geht es auf nach Dubai. Die folgenden Anekdoten sind alle real passiert.
Fehlverhalten Nummer eins: Übertriebene Sparsamkeit
Und so kommen sie an in der Golfmetropole an: mit vielen Klischees im Kopf. Aber oft mit leeren Händen. Dabei erwarten arabische Geschäftsleute nichts sehnlicher als üppige Geschenke als Zeichen der Hochachtung.
Um Geld zu sparen, packte der Vorstand einer Software-Firma ein Dutzend der 14 Quadratzentimeter grossen Schokoladenpackungen aus dem Sprüngli ein. Für die grosse Packung mit Alpenpanorama auf der Schachtel fehlte einfach das Geld. «Nee, ich hab? jetzt nicht vorbereitet», antwortete der CFO, als er im Meeting von dem Emirati gefragt wurde, ob er eine Broschüre der Zürcher Software-Schmiede dabei habe. Fehlanzeige. Weder gab es einen mehrseitigen Ausdruck noch ein kleines Handout. Die Visitenkarte wurde auch nicht, wie man es in Dubai erwartet, auf der Rückseite mit allen Angaben in arabischer Sprache bedruckt. Für die meisten business traveller aus der Schweiz ein überflüssiger, weil kostspieliger Luxus. Die Regel lautet aber: lieber die Maxi-Packung aus dem Sprüngli mitbringen und die wichtigsten Dokumente ins Arabische übersetzten lassen.
Fehlverhalten Nummer zwei: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit
Er schaue sich nie die Stadt an, verriet der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Pierluigi Collina einem Journalisten einmal. Nicht ohne Grund gilt Collina, der seine Karriere 2005 beendete, als der weltbeste Schiri aller Zeiten. Der Referee aus Italien konzentrierte sich stets in seinem Hotelzimmer voll und ganz auf das nächste Fussball-Match, studierte die Mannschaften, deren Auswechselverhalten und die Kärtli-Vorgeschichte von jedem einzelnen Spieler.
Anders die meisten Schweizer Manager. Anstatt sich im Hotel auf das nächste Meeting vorzubereiten, verbinden sie lieber Business mit «pleasure». Sie stürmen die Golf- und Nachtclubs, buchen einen Flug mit dem Heli über Dubai und brausen mit dem Jeep (stets mit Chauffeur) über die Wüstendünen. Oder sie betrachten an der Hotelbar die ach so fremde orientalische Welt durch das Whiskey Glas.
Selbst zu wichtigen Verhandlungen erscheinen sie dann übermüdet, mit Knatschgesicht und olympischen Ringen unter der Augen. Zu welchen Verhandlungsergbnissen das führt, kann man sich denken.
Fehlverhalten Nummer drei: Aus Apfel mach Birne
Interessant ist, dass viele Frauen aus Helvetia ebenso weltfremd und tappsfüssig durch Dubai schlendern wie die Herren der Schöpfung. Obwohl ja immer behauptet wird, Damen seien von Natur aus einfühlsamer, verständnissvoller und sensibler gegenüber anderen Kulturen.
«Also, ich sehe keinen Unterschied zwischen den grossen westlichen Metropolen und Dubai», sagte einmal ein Unternehmerin aus Bern gegenüber Moneycab. Natürlich: Dubai ist wie London ist wie New York ist wie Tokio. Noch haarsträubender, wie Frau Direktor das Etikett des angeblich westlichen Dubai begründet: «Schauen sie sich doch um: die Dubaianer fahren fast alle westliche Autos, sie gehen japanisch essen und kaufen Mode aus Italien.» Der Teufel trägt Prada ? auch in Dubai?
Nein, die Uhren in Nahost ticken anders. Es wird länger verhandelt, mehr um den Preis gefeilscht und noch viel mehr auf die Chemie geachtet. Und so beging besagte Managerin den Fehler, ihren neuen Kunden in Dubai keine Grusskarten zum islamischen Fastenmonat Ramadan zu senden. Religion ist alles im Leben der Emirati. Daran konnten auch Prada, Sushi-Stuben, Leuchtreklame von Coca Cola und der Siegeszug der Informationstechnologie nichts ändern.
Apropos Grusskarten: Eine bekannte Schweizer Bank sendet ihren Kunden in Dubai bevorzugt Weihnachtskarten aus Zürich. Das ist so, als würde ein Araber aus Dubai seinen (christlichen) Kunden in der Schweiz zum jüdischen Laubhüttenfest gratulieren.
Fehlverhalten Nummer vier: Totale Selbstüberschätzung
Man kann ja niemandem verbieten, sein eigenes Verhalten als das Mass aller Dinge zu betrachten. Aber wenn sich ein geschäftsreisender Manager ohne die geringsten Kenntnisse über das Zielland aufmacht, so kann das dann und wann zu Irritationen führen. So auch in diesem Fall:
Man kann ja niemandem verbieten, sein eigenes Verhalten als das Mass aller Dinge zu betrachten. Aber wenn sich ein geschäftsreisender Manager ohne die geringsten Kenntnisse über das Zielland aufmacht, so kann das dann und wann zu Irritationen führen. So auch in diesem Fall:
«Wie sehen die Busse hier aus?» fragte allen Ernstes ein IT-Unternehmer, dem der Stadtbus empfohlen wurde, nachdem vor seinem Hotel kein Taxi aufkreuzte. Dachte er vielleicht, in Dubai verkehrten Eselskarren? Dabei sehen die Busse am Golf genauso aus wie in Schweiz, nur das die in Dubai noch etwas moderner sind. Die Mercedes- und MAN-Personenbusse wurden auf Wunsch der Regierung von Dubai mit dem letzten Schrei an Technik ausgestattet, den man hierzulande vergeblich sucht. Die alte Formel «Westlich gleich reich, aber südlich gleich arm und auf Entwicklungshilfe aus dem Westen angewiesen» gilt zumindest am Golf schon lange nicht mehr.
«Komisch,» so schauen dann später viele Executives fragend in den Spiegel: «Ich habe einen HSG-Abschluss. Ich bin führender Unternehmer von Luzern-West. Und Manager des Jahres war ich in meinem Kanton auch schon. Wieso kaufen die Leute im unterentwickelten Ausland mein Weltklasse-Produkt nicht?» Nicht wenige geben deshalb nach zwei erfolglosen Reisen an den Golf entnervt auf.
Fehlverhalten Nummer fünf: Fehlender Respekt
Ein Headhunter buchte das (preiswerte) Ibis-Hotel im Dubai World Trade Center. «Sicher habt ihrs hier ja schon», meinte er im Gespräch mit seinen potenziellen arabischen Geschäftspartnern, halb komplimentierend, halb im Scherz. Mit dem nächsten Satz manövrierte sich der Zürcher dann ins Aus: «Aber warten Sie mal ab, wenn in Dubai das erste Hotel gesprengt wird!» Die Araber reagierten höchst irritiert. Das Geschäft kam, wen wundert?s, nicht zustande.
Fehler Nummer sechs: Zu viel Sehnsucht nach Komfort
Bleibt die Geschichte des armen Genfer Vermögensverwalters. Der jammerte, dass auf den Zimmern seines «Stamm-Hotels» Royal Mirage (einer der teuersten Schuppen am Persischen Golf) kein drahtloser Internetzugang vorhanden war. So musste sich der Wahlschweizer aus Nordamerika mit seinem Notebook in das beengte Business-Centre selbst versetzen. Nun ist das kitschige Hotel Royal Mirage eher eine Absteige für Verlobungsreisen, für Flitterwochen und Dritte-Säule-Ferien, aber weiss Gott kein Business-Hotel. Wer um alles in der Welt soll sich bei harten Verhandlungen noch zerreissen und alles geben, wenn er in einem goldenen Käfig logiert?
Bleibt die Geschichte des armen Genfer Vermögensverwalters. Der jammerte, dass auf den Zimmern seines «Stamm-Hotels» Royal Mirage (einer der teuersten Schuppen am Persischen Golf) kein drahtloser Internetzugang vorhanden war. So musste sich der Wahlschweizer aus Nordamerika mit seinem Notebook in das beengte Business-Centre selbst versetzen. Nun ist das kitschige Hotel Royal Mirage eher eine Absteige für Verlobungsreisen, für Flitterwochen und Dritte-Säule-Ferien, aber weiss Gott kein Business-Hotel. Wer um alles in der Welt soll sich bei harten Verhandlungen noch zerreissen und alles geben, wenn er in einem goldenen Käfig logiert?
Es kam noch schlimmer für unseren Gast aus Genf. «Ihre Terasse ist auch nicht mehr das was sie mal war», monierte unser Finanz-Jongleur beim Auschecken gegenüber der Rezeptionistin. Was war passiert? «Das neue Nachbargebäude hat mir beim business breakfast die schöne Morgensonne verdeckt.» Das «neue Nachbargebäude» ist der neun Stockwerke hohe Bahnhof der Personen-Schwebebahn auf der künstlichen Insel «Palm Jumeirah» vor Dubais Küste. Die Palm liegt direkt neben besagten Hotel Royal Mirage.
Dass es im bauwütigen Dubai Häuser gibt, die in den Himmel schiessen, und die dann noch einen Schatten auf den goldgerandeten Frühstücksteller werfen,… das ist nun wirklich gemein!