Arnfried Ossen, Head IT Application Management, Bank Sarasin & Cie AG

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Ossen, Sie haben soeben das neue Portfolio Management System «PFM Plus» von Avaloq eingeführt. Was waren die Beweggründe für das Projekt und welche konkreten Ziele sind mit der Einführung des neuen Systems verbunden?


Arnfried Ossen: Die Bank Sarasin verfolgt als Privatbank eine fokussierte, internationale Wachstumsstrategie und will erste Adresse für massgeschneiderte Anlagelösungen und individuelle Produktberatung sein. Dies stellt grosse Anforderungen an die IT, denn die Unternehmensstrategie setzt auf die kosteneffiziente Nutzung von Synergien. Im Rahmen des strategischen Projekts SaraFIT (FIT = Future Information Technology), das im Hinblick auf eine entsprechende Optimierung unserer IT-Serviceleistung Mitte 2007 lanciert wurde, haben wir die künftigen IT-Bedürfnisse der Bank Sarasin analysiert. Es zeigte sich, dass sich diese im Bereich Portfolio-Management, das bei der Bank auf der thematischen, nachhaltigen und quantitativen Vermögensverwaltung beruht, am besten mit einem standardisierten, in das Core-Banking-System der Bank integrierten System erfüllen lassen. Für die sophistiziertere Funktionalität des Asset-Managements kann nach wie vor ein modernes Umsystem die effektivere Variante sein. Konkretes Ziel des Projekts war also, das Portfolio-Management mit seinem Spezialitäten Know-how vollständig in Avaloq abzubilden.



«Bisher stand lediglich ein Excel-basiertes Performance-Attribution-System zur Verfügung, mit entsprechenden Einschränkungen in Bezug auf Analysefrequenz und Abdeckungsgrad der Portfolios. Mit PFM Plus haben wir jetzt die Möglichkeit, zeitnah und häufiger alle interessierenden Portfolios, inklusive unserer Funds auszuwerten.» Arnfried Ossen, Head IT Application Management, Bank Sarasin & Cie AG


Das neue System löst das «Olivia» Portfolio und Asset Management System von New Access ab. Welche weiteren Alternativen haben Sie noch geprüft und was hat zum Schluss den Ausschlag zugunsten der Avaloq Lösung gegeben?


Wir haben eine ganze Reihe von führenden Systemen angeschaut. Letztlich ist der entscheidende Punkt aber die Integration in Avaloq. Es entfallen Entwicklung und Betrieb von aufwändigen Schnittstellen, die Qualität und Konsistenz der Daten wird nachhaltig verbessert und zusätzliche Service-Level-Agreements mit entsprechenden Aufwänden, Kosten sowie eigenen Strukturen und Prozessen für Change- und Release-Management sind überflüssig. Dazu kommt, dass die Benutzer mit dem Avaloq Graphical-User-Interface und den dazugehörigen Konzepten, wie Tasks, Reports und Objekten, bereits vertraut sind. Grundlegendes Ziel von SaraFit ist die gruppenweite Vereinheitlichung der verschiedenen IT-Plattformen und Applikationen sowie der internen Prozesse und Tätigkeiten. Das lässt sich mit dieser Lösung am besten bewerkstelligen.


Portfolio Manager haben hohe Anforderungen punkto Flexibilität eines Systems, während die Informatikabteilung ein möglichst standardisiertes, messbares und breit anwendbares System sucht. Wie sind Sie bei der Auswahl und der Einführung Ihres Projektes mit diesem Gegensatz umgegangen, welche Bedürfnisse wurden höher gewichtet?


Die Bank Sarasin setzt im Asset Management auf drei Anlagestile: Die thematische, die nachhaltige und die quantitative Vermögensverwaltung. Ein individuelles auf den Kunden zugeschnittenes Portfolio Management ist innerhalb dieser Stile für uns als Privatbank sehr wichtig. Ein zu starker Fokus auf die Standardisierung kann dazu führen, dass wichtiges individuelles Know-how ungenutzt bleibt. Wir unterstützen daher das Portfolio Management gezielt bei zeitraubenden Standardprozessen, bieten andererseits aber zum Beispiel vielfältige Auswertungsmöglichkeiten über die Parametrisierung der Portfolio- und Performance-Reports.


Ein zentrales Thema für die Portfolio Manager ist die Performance Attribution, also der Vergleich mit Messgrössen (interne und externe Benchmarks) und die Erklärung weshalb ein bestimmtes Portfolio von den Benchmarks abweicht. Welche Unterstützung bietet das neue System hier? Gibt es spezielle Funktionen, welche die Portfolio Manager zuvor nicht hatten und welchen Stellenwert hat die Performance Attribution als Wettbewerbsinstrument?


Bisher stand lediglich ein Excel-basiertes Performance-Attribution-System zur Verfügung, mit entsprechenden Einschränkungen in Bezug auf Analysefrequenz und Abdeckungsgrad der Portfolios. Mit PFM Plus haben wir jetzt die Möglichkeit, zeitnah und häufiger alle interessierenden Portfolios, inklusive unserer Funds auszuwerten. Im Institutional Banking ist die Performance Attribution zudem eine wesentliche Voraussetzung für den Akquisitionserfolg.


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Aus Kundensicht hat sich in letzter Zeit der Fokus von der schnellen, hohen, aber auch risikobehafteten Rendite in Richtung nachhaltigen Investments verlagert. Das heisst, dass auch neue Ratings und Benchmarks berücksichtigt werden müssen. Was bedeutet das für Ihr System, welche Aufwände generieren solche Veränderungen im Anlageverhalten?


Hier konnten wir ebenfalls sehr effizient auf Avaloq-Standard-Funktionalität zurückgreifen, die auf Grund der Integration von PFM Plus in das Avaloq-System uneingeschränkt zur Verfügung steht. Die benötigten «Nachhaltigen Ratings» konnten durch den Aufbau von voll historisierten Klassifikationen inklusive abgeleiteter Klassen schnell abgebildet werden.



«PFM Plus erlaubt die umfassende Erfassung und automatische Prüfung von Restriktionen. Das Spektrum reicht von gesetzlichen Vorgaben, wie etwa den BVV2-Richtlinien, über standesrechtliche Restriktionen bis hin zu spezifischen Kundenrestriktionen. «


In letzter Zeit sind die Anforderungen bezüglich Compliance, Anlagerichtlinien und gesetzlichen Vorgaben kontinuierlich gestiegen und dürften dank der Finanzkrise kaum geringer werden. Welche Unterstützung bietet das neue System für die Umsetzung solcher Vorgaben, gibt es zum Beispiel besondere Funktionen zur Minimierung von «nicht-konformen» Transaktionen?


PFM Plus erlaubt die umfassende Erfassung und automatische Prüfung von Restriktionen. Das Spektrum reicht von gesetzlichen Vorgaben, wie etwa den BVV2-Richtlinien, über standesrechtliche Restriktionen bis hin zu spezifischen Kundenrestriktionen. Alle Restriktionen lassen sich auf Basis des ökonomischen Exposures auch «unbundled» prüfen.


Für die Kunden, aber auch für die Portfolio Manager ist das Reporting von besonderer Bedeutung. Auch hier bildet sich wieder das Spannungsfeld zwischen Individualität und Vergleichbarkeit. Welchen Weg gehen Sie mit dem neuen System?


Die mit PFM Plus eingeführten flexiblen Klassifizierungen für Assets (HOBS) erlauben neu das Reporting (Screen / Print) auch für Bereiche, die kontext-abhängige Ausprägungen haben können, wie etwa beim thematischen Reporting.  Hier kann ein Asset zu mehreren Themen gehören, bspw. «Water» und «Waste Management». Welches Thema im Reporting verwandt werden muss, ergibt sich aus dem Kontext, nämlich dem jeweiligen Portfolio. Darüber hinaus können Kollektivinstrumente, Derivate und Futures wahlweise auch «unbundled» dargestellt werden, nämlich gemäss den jeweiligen Underlyings bzw. dem ökonomischen Exposure.


Wie viel war im Avaloq System schon vorhanden, welche fachliche Unterstützung kann das System bieten, wo mussten Sie noch eigene Entwicklungsarbeit leisten?


Die Grundfunktionalitäten waren weit gehend vorhanden. Das Ziel, eine erste, funktionsfähige «80%-Version» zur Verfügung stellen zu können, konnte damit schnell erreicht werden. Der Parametrisierungs-Aufwand zur Vervollständigung und Anpassung an die bankeigenen Prozesse darf aber nicht unterschätzt werden und hat viel Zeit in Anspruch genommen.


Wie hat die Projektorganisation ausgesehen, wie war die Rollenverteilung von Bankspezialisten, Informatik-Mitarbeitern und externen Spezialisten, wer hatte die Gesamtverantwortung?


Die Projektstreams wurden von Fachvertretern geleitet, die die Gap-Analyse und auch die Überprüfung der Funktionalität verantworteten. Das Projekt-Management sowie die Koordination lag bei der Sarasin IT, während die Gesamtverantwortung von einem Steering-Committee übernommen wurde, in dem Portfolio-, Asset-Management und Compliance vertreten waren. Da es sich bei PFM Plus um ein Avaloq-Modul handelt, konnte das Projekt ausserdem vom bestehenden Change- und Release-Management-Prozess für das Avaloq Core-Banking-System profitieren.


Das System wurde jetzt erfolgreich in Betrieb genommen. Was sind die nächsten Ausbauschritte für das Portfolio Management System?


Es gibt noch eine Reihe von Prozessschritten, die Vorarbeiten der zuständigen Fachseiten erfordern, bevor sie optimal von PFM Plus unterstützt werden können. Dazu gehören die vollständige Erfassung der Portfolio-Management-Stammdaten, wie etwa des «Investment Policy Statement» sowie die Migration der Kundenrestriktionen aus PMS Olivia beziehungsweise Excel.


Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Bei der Einführung von Avaloq-Zusatzmodulen hängt ein wesentlicher Teil des Aufwands von der Übereinstimmung der jeweiligen Modul-Roadmap mit der Inhouse-Planung für die Einführung der Avaloq-Releases ab. Diesbezüglich wünsche ich mir, dass einerseits die Bereitschaft von Avaloq zu «Downbranches» erhalten bleibt und andererseits die Bank Sarasin weiterhin zu den Banken gehören wird, die neue Avaloq-Releases zeitnah einführen können.





Arnfried Ossen
-&Informatik-Studium und Promotion an der Technischen Universität Berlin
-&Post-Doc-Fellow an der University of California at Berkeley (Computer Science & Financial Engineering)
-&Leiter Database Marketing, Deutsche Bank Global Transaction Services, Eschborn
-&Leiter Center of Competence Data Mining, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main
-&Chief Technical Officer und Vorstand der FairAd AG, München
-&Head IT Application Management, Bank Sarasin & Cie AG, Basel


Sarasin – Nachhaltiges Schweizer Private Banking seit 1841
Die Bank Sarasin & Cie AG ist eine führende Schweizer Privatbank, die aus ihrer langjährigen Erfahrung bewusst auf Nachhaltigkeit als wesentlichen Teil ihrer Unternehmensphilosophie setzt. Mit hoher Qualität und Kompetenz betreut sie als Anlageberater und Vermögensverwalter private und institutionelle Kunden.


In der Schweiz ist die Bank an den Standorten in Basel (Hauptsitz), Genf, Lugano und Zürich vertreten. Die Bank Sarasin & Cie AG ist an der SIX Swiss Exchange kotiert. Als nachhaltiger internationaler Finanzdienstleister ist die Sarasin Gruppe heute weltweit an 19 Standorten in Europa, dem Mittleren Osten und Asien vertreten. Per Ende Dezember 2008 betreut sie Vermögenswerte in der Höhe von CHF 69,7 Mia. und beschäftigt rund 1 500 Mitarbeitende. Ihre Mehrheitsaktionärin ist die niederländische Rabobank, die über ein Triple-A-Rating und damit über höchstmögliche Bonität verfügt.

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