EZB belässt Leitzins wie erwartet bei 1,0 Prozent

Volkswirte erwarten auf absehbare Zeit keine Veränderung des Leitzinses aber auch keine zusätzlichen quantitativen Massnahmen. Dieser Leitzins sei jedoch nicht der niedrigst mögliche Zins, sagte Trichet. Die Zinsentscheidung sei einstimmig getroffen worden.


Keine Deflationsgefahren
«Wir erwarten, dass die aktuelle Episode von sehr niedrigen oder negativen Inflationsraten nicht lange anhalten wird», sagte Trichet. Die Teuerungsraten könnten zwischenzeitlich zwar negativ werden. Mittelfristig dürften sie wieder anziehen, aber durch die schwache Konjunkturentwicklung gedämpft bleiben. Kurzfristige Preisbewegungen seien jedoch nicht relevant für die Geldpolitik. Die Inflationserwartungen seien derzeit fest verankert. Die Wirtschaftsentwicklung wird laut Trichet im weiteren Jahresverlauf schwach bleiben. Der Rückgang der Wirtschaftsaktivität dürfte jedoch nicht so stark ausfallen wie noch im ersten Quartal des Jahres. Positive Wachstumsraten erwartet Trichet ab Mitte des Jahres 2010.


Zufrieden mit 1-Jahres-Refi
Trichet zeigte sich zufrieden mit dem Ablauf des in der vergangenen Woche erstmals durchgeführten Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit von einem Jahr. Ihr Milliardenprogramm zum Kauf von Pfandbriefen wird die EZB am 6. Juli beginnen. Mit dem 60 Milliarden Euro schweren Kauf von «Covered Bonds» wollen die Notenbanker die Finanzierungsbedingungen für Banken und Unternehmen verbessern. Das Programm soll bis spätestens Ende Juni 2010 voll umgesetzt sein. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die EZB die überschüssige Liquidität bei einer Konjunkturerholung rasch zurückführen kann. «Alle Massnahmen sind so ausgelegt, um einen schnellen Ausstieg zu ermöglichen», sagte Trichet.


Abwartende Position
Die EZB hat nach Einschätzung der Commerzbank eine abwartende Position eingenommen. Die Aussagen von Trichet haben im Grundsatz keine Neuigkeiten geliefert, sagte Ökonom Michael Schubert der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Die EZB warte zunächst ab und beobachte, wie die getroffenen Massnahmen wirkten. Praktisch habe die EZB mit der sehr hohen Zuteilung bei dem Ein-Jahres-Tender zu einem Prozent in der Vorwoche den Leitzins bis Mitte 2010 auf dieses Niveau festgeschrieben. «Es sind zunächst keine Zinsveränderungen, aber auch keine zusätzlichen quantitativen Massnahmen zu erwarten», sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. Es gebe derzeit auch keine grösseren Deflations- oder Inflationsgefahren. Das Konjunkturbild der EZB sei tendenziell eher vorsichtig.


Gespannte Ruhe
«Insgesamt scheint sich die EZB in einem Zustand gespannter Ruhe zu befinden», schreibt Experte Jens-Oliver Niklasch in einer Studie. Mit weiteren Zinssenkungen sei nicht zu rechnen, mit liquiditätszuführenden Massnahmen hingegen schon. Die Leitzinsen dürften erst dann wieder angehoben werden, sobald die Konjunktur wieder Tritt fasse. Die Finanzmärkte wurden durch die EZB-Entscheidungen kaum beeinflusst, da es keine Überraschungen gab. Die Kursverluste an den Aktienmärkten und die Kurserholung an den Anleihenmärkten seien durch den schwachen US-Arbeitsmarktbericht verursacht worden, sagten Händler. (awp/mc/pg/22)

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