Arcandor ist pleite – Zerschlagung droht
Dem Konzern um die traditionsreiche Kaufhaus-Kette Karstadt droht nun 128 Jahre nach der Gründung des ersten Hauses die Zerschlagung. Für Kunden soll es keine Einschränkungen geben. «Alle Geschäfte laufen ungehindert weiter», sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski. Garantien, Anzahlungen oder Rückgaberechte würden nicht angetastet. Für die Beschäftigten seien die Gehaltszahlungen bis August gesichert. Laut Koslowski will sich das Unternehmen über das Insolvenzverfahren sanieren und den Fortbestand sichern. Der in London notierte Reiseanbieter Thomas Cook ist als eigenständige Gesellschaft nicht betroffen.
Grösste Pleite in der Geschichte Deutschlands
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Entscheidung der Regierung, Arcandor keine staatliche Hilfe gewähren. Nach Angaben von Insolvenzrechts-Experte Prof. Hans Haarmeyer geht es um die grösste Pleite in Deutschland: «Solch ein Verfahren in dieser Grössenordnung hat es in Deutschland noch nicht gegeben.»
Aktie abgestürzt
Die zwischenzeitlich vom Handel ausgesetzte Arcandor-Aktie stürzte nach Bekanntwerden der Pleite weiter ab und lag zuletzt mit 25,47 Prozent im Minus bei 0,79 Euro. Mit der Zahlungsunfähigkeit sind auch die Tage der Aktie im MDAX gezählt. Thomas Cook-Papiere legten um 6,07 Prozent auf 227,25 Pence zu.
Zerschlagung rückt näher – METRO erneuert Angebot
Mit der Zahlungsunfähigkeit rückt eine Zerschlagung näher. Der Kaufhof-Mutterkonzern METRO erneuerte am Dienstag sein Angebot für Gespräche zu einer Deutschen Warenhaus AG. METRO habe ein grosses Interesse an einer schnellen Lösung, damit die Rettung der Warenhäuser nicht durch die Insolvenz bei Arcandor verzögert werde, sagte METRO-Sprecher Michael Inacker.
METRO will 60 Karstadt-Standorte übernehmen
Der Handelskonzern hatte von Anfang an gegen die Pläne Arcandors gewettert, Staatshilfe zu bekommen und die Möglichkeit einer privatwirtschaftlichen Lösung ins Spiel gebracht. Die Düsseldorfer wollen 60 der 90 Standorte von Karstadt übernehmen und mit Kaufhof innerhalb weniger Monate zu einer neuen Warenhaus-Kette zu verschmelzen. Dabei dürften insgesamt 40 Filialen geschlossen werden. Analysten hatten schon früh auf die Vorteile einer solchen Lösung für METRO verwiesen. Der Düsseldorfer Konzern hätte einen Konkurrenten ausgeschaltet. Im Falle einer Minderheitsbeteiligung an der Deutschen Warenhaus AG müsste METRO die Kaufhäuser auch nicht mehr konsolidieren. Mit der Insolvenz von Arcandor dürfte der Konzern noch einfacher zum Zug kommen, weil bei einen Insolvenzverfahren Investoren nicht für Altlasten, sprich Schulden, aufkommen müssen. Zudem können Verträge einfacher gekündigt werden.
Thomas Cook von Insolvenzantrag unberührt
Auch für die anderen Töchter gibt es Interessenten. Am Wochenende hatte auch die Hamburger Otto Group Interesse an Teilen des Arcandor-Konzerns signalisiert. Der Rewe-Konzern könnte sich ebenfalls für sich ein Stück vom Arcandor-Kuchen vorstellen. Das Unternehmen betreibe in 50 Karstadt-Warenhäusern Perfetto-Märkte, und es sei schade, wenn diese Feinkostgeschäfte geschlossen würden, sagte REWE-Chef Alain Caparros. Bei einem möglichen Verkauf der profitablen Arcandor-Tourismustochter Thomas Cook würde auch REWE eine Übernahme prüfen. Arcandor betonte, dass Thomas Cook, die Primondo-Specialty Group GmbH mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie der Homeshopping-Sender HSE24 vom Insolvenzantrag unberührt seien. Vorläufiger Insolvenzverwalter soll der Kölner Anwalt Klaus Hubert Görg werden.
Bund verweigert Hilfe
Am Montag hatte der Bund die beantragte Rettungsbeihilfe über 437 Millionen Euro abgelehnt. «Uns waren die Zusagen der Gläubiger und Eigentümer absolut nicht genug, um sich für Arcandor zu engagieren. Wir haben aber auch auf die Steuergelder zu achten», sagte Merkel am Dienstag. Die Arcandor-Spitze hatte zwar in der Nacht zum Dienstag noch mit allen Beteiligten verhandelt, aber auf den angekündigten neuen Antrag auf Staatshilfe verzichtet. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie von 650 Millionen Euro aus. (awp/mc/pg/18)