Opel-Rettung auf Kurs – GM pleite

Opel ist wie der Rest von GM Europe davon nicht betroffen und soll vom Autozulieferer Magna in eine sichere Zukunft gelenkt werden. Nach bislang vorliegenden Informationen soll ungefähr jeder zehnte der etwa 26.000 Opel-Arbeitsplätze in Deutschland entfallen. Die Hauptlast des Abbaus trifft aber andere Standorte von GM Europe. Bundesregierung, IG Metall und Autoexperten bescheinigen Opel nach dem in der Nacht zum Samstag geschnürten Rettungspaket Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft. Allerdings bleiben noch viele Fragen offen – zunächst vor allem zum Arbeitsplatzabbau.


Tiefe Differenzen zwischen Berliner Koalitionsparteien
In der vom Fall Opel mitausgelösten politischen Debatte über Staatshilfen treten tiefgreifende Differenzen zwischen den Berliner Koalitionspartnern SPD und Union zutage. Dabei erhält Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Union zunehmend Rückhalt. Er bleibt bei seiner Position, dass eine Opel- Insolvenz die bessere Lösung gewesen wäre. «Der Staat läuft Gefahr, sich erpressbar zu machen, wenn er einmal grosszügig hilft», sagte er der «Welt am Sonntag».


EU-Kommission soll Opel zu Einschnitten zwingen
Zugleich nimmt die europäische Debatte um Staatshilfen für Opel an Fahrt auf: Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde verlangte in der «Financial Times Deutschland» (Dienstagausgabe), die EU-Kommission solle Opel im Gegenzug zu den Staatshilfen zu Einschnitten zwingen, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil anderer Autohersteller kommt. Bereits am Freitag war bei einem Krisentreffen in der EU-Kommission von europäischen Partnerländern angemahnt worden, dass es bei der Opel-Rettung nicht zu einem nationalen Ansatz kommen dürfe.


Einigung über Opel-Rettung
In einem dramatischen Verhandlungsmarathon hatten sich der Bund, vier Bundesländer sowie GM, Magna und das US-Finanzministerium in Berlin auf das Opel-Rettungskonzept geeinigt. GM-Europachef Carl- Peter Forster betonte am Montag, dass mit der Brückenfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro der Betrieb während des Aufbaus der neuen Opel/Vauxhall-Gesellschaft fortgeführt werden kann. Opel ist nach seinen Worten «im Moment absolut gerettet». Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Opel bekomme eine «Perspektive für die Zukunft». Sie warf General Motors am Montag ein «grandioses Missmanagement über Jahre, das nichts mit der Wirtschaftskrise zu tun hat», vor.


Magna will 11’000 Stellen streichen
Magna will alle vier deutschen Opel-Standorte erhalten. Das Konzept umfasst aber keine verbindlichen Absprachen zu den Arbeitsplätzen von Opel. Aus Regierungskreisen hiess es am Samstag, eine Vereinbarung zum Arbeitsplatzerhalt hätte gegen EU-Recht verstossen. Magna spreche in seinem Konzept von einem Abbau von 11.000 der etwas mehr als 50.000 Arbeitsplätze bei General Motors Europe (einschliesslich Vauxhall, ohne Saab). GM Europe baut Autos neben Deutschland auch in Belgien, Polen, England sowie Spanien.


Löwenanteil des Stellenabbaus ausserhalb Deutschlands
2.500 Stellen sollen demnach in Deutschland wegfallen, wo Opel bislang 26.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Damit würde der Löwenanteil des Stellenabbaus auf Standorte ausserhalb Deutschlands entfallen. Wie viele Arbeitsplätze tatsächlich gefährdet sind, ist offen. Dies will Magna in den kommenden Wochen untersuchen.


Staatlicher Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro
Das Konzept besteht aus drei wesentlichen Einigungen: Einem Vorvertrag zwischen GM und Magna, der zusammen mit russischen Partnern bei Opel einsteigt, einem Treuhand-Vertrag, der am Pfingstwochenende rechtswirksam umgesetzt werden sollte sowie einem Konsortialvertrag für den staatlichen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro. Magna will laut Steinbrück kurzfristig benötigte Finanzmittel in Höhe von 300 Millionen Euro in der nächsten Woche bereitstellen, ehe das Geld aus dem staatlichen Zwischenkredit fliesst.


GM bleibt mit 35 Prozent an Opel beteiligt
Auf Magna entfallen künftig 20 Prozent an Opel, 35 Prozent auf dessen russische Partner, den Autohersteller GAZ und die Sberbank. GM bleibt mit 35 Prozent an Opel beteiligt. Weitere 10 Prozent übernehmen Händler und Mitarbeiter.


GM-Insolvenz soll 60 bis 90 Tage dauern
Nach der de facto Verstaatlichung soll sich GM – geschützt vor dem Zugriff der Gläubiger – in der Insolvenz («Chapter Eleven») gesundschrumpfen – der Konzern wird in einen «guten» und einen «schlechten Teil» aufgespalten. Es ist das grösste gerichtliche Gläubigerschutz-Verfahren eines Industriekonzerns in der US- Geschichte. Für das Verfahren wird eine Dauer von 60 bis 90 Tagen angepeilt, hiess es von US-Regierungsbeamten. Laut Regierung sollen elf Werke geschlossen und drei weitere nicht mehr genutzt werden.


Nur GMC, Chevrolet, Cadillac und Buick bleiben
Die Zahl der US-Marken wird auf vier halbiert – es bleiben GMC, Chevrolet, Cadillac, Buick. Für die schwedische GM-Tochter Saab gab es zuletzt noch zwei bis drei mögliche Käufer. Auch der Geländewagenbauer Hummer und die US-Marke Saturn sollen verkauft werden, Pontiac muss sterben. «Während des Insolvenzverfahrens wird GM wie gewöhnlich arbeiten», hiess es aus dem Weissen Haus.


USA halten künftig 60 Prozent an GM
Die US-Regierung übernimmt rund 60 Prozent an dem Konzern, Kanada 12 Prozent. Die Autogewerkschaft UAW erhält für Milliarden- Zugeständnisse knapp 18 Prozent an GM. Die Chancen für ein Überleben von GM stiegen zudem am Wochenende in fast letzter Minute durch eine Einigung mit den Zehntausenden Gläubigern. Für den Verzicht auf 27 Milliarden Dollar an Schulden sollen die Kreditgeber zehn Prozent am neuen Konzern bekommen, später können es bis zu 25 Prozent werden.


Erneute Milliardenspritze
Die US-Regierung springt mit weiteren rund 30 Milliarden Dollar ein, um die Insolvenz zu finanzieren, Kanada ist mit knapp 10 Milliarden dabei. Damit haben die US-Steuerzahler rund 50 Milliarden (35 Mrd Euro) in GM gepumpt. Die verbliebenen Aktionäre gehen praktisch leer aus. (awp/mc/ps/08)

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