Deutschlands Wirtschaft beendet Sturzflug
«Damit zeichnet sich eine allmähliche Stabilisierung der Wirtschaftsleistung auf nierigem Niveau ab», erklärte auch ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Freitag in München. Allerdings sprechen die Experten erst ab drei Anstiegen des Konjunkturbarometers in Folge von einer Trendwende.
Breit angelegte Erhebung
Der ifo-Index wird aus der monatlichen Befragung von rund 7000 Unternehmen aus Industrie, Einzel- und Grosshandel sowie Bauwirtschaft ermittelt. Ihre derzeitige Geschäftslage schätzten die Unternehmen nach einer Verbesserung im Vormonat im Mai wieder schlechter ein. Dagegen verbesserten sich die Zukunftsaussichten für die kommenden sechs Monate spürbar. Der Lage-Index gab entsprechend von 83,5 auf 82,5 Punkte nach. Der Index für die Geschäftserwartungen kletterte von 83,9 auf 85,9 Punkte.
Index wieder auf Stand von November 2008
Der ifo-Index gilt als wichtigster Frühindikator der deutschen Wirtschaft. Mit einem Stand von 84,2 Punkten näherte er sich im Mai wieder seinem Stand vom November 2008 von 85,9 Punkten. Allerdings liegt das Geschäftsklima weiter unter dem Niveau des Vorjahresmonats von 103,2 Punkten zurück.
Stagnierende Stimmung in der Industrie
In der Industrie stagnierte die Stimmung im Mai. Die Unternehmen beurteilten ihre derzeitige Situation deutlich schlechter als zuletzt, zeigten sich aber für ihre Zukunftsperspektiven für die kommenden Monate weniger pessimistisch. Auch ihre Exportchancen sehen die Industriefirmen weniger negativ als zuletzt. Im Einzel- und Grosshandel verbesserte sich das Klima. Mit ihrer momentanen Lage waren die Einzelhändler weniger unzufrieden und auch die kommenden Monate schätzten sie etwas zuversichtlicher ein als im April. Dagegen trübte sich die Stimmung in der Bauwirtschaft erneut ein.
Entwicklung hängt an Kreditvergabe
Die weitere Konjunkturentwicklung hängt nun nach Einschätzung des ifo Instituts entscheidend davon ab, ob die Kreditvergabe in Deutschland wieder in Schwung kommt. «In der Frühphase einer Erholung muss man verhindern, dass es zu einer Kreditklemme kommt», sagte der ifo-Konjunkturexperte Gernot Nerb der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Die Kredithürde war in den letzten Monaten auf hohem Niveau.» Sie sei auch deshalb schwer überwindbar, weil sich die Banken jetzt von ihren Eigenkapitalverlusten aus der Finanzkrise erholen müssten. Die Zentralbanken sollten daher für Anschub sorgen. «Von der Geldpolitik könnte schon noch etwas kommen», sagte Nerb. Es gebe noch Spielraum für Zinssenkungen.
Industrie auf «sehr niedrigem» Auslastungsniveau
Gerade die stark von Investitionen abhängige Industrie erweise sich derzeit als «Achillesferse» der deutschen Wirtschaft. So hätten sich die verbesserten Exportchancen bisher offenbar noch nicht in den Auftragsbüchern niedergeschlagen. «Die Industrie ist auf einem sehr niedrigen Auslastungsniveau», berichtete Nerb. Nicht nur die Automobilindustrie, sondern auch der Maschinenbau und die Elektrotechnik leide unter der schwachen Nachfrage. Am Arbeitsmarkt dürfte es nach Nerbs Einschätzung in diesem Jahr abwärtsgehen. «Nach aller Erfahrung ist der Arbeitsmarkt immer ein nachlaufender Bereich.» Selbst wenn die Unternehmen wieder Boden unter die Füsse bekämen, dürften sie zunächst nur die Kurzarbeit teilweise oder ganz zurücknehmen, Neueinstellungen aber erst einmal zurückstellen. (awp/mc/ps/15)