Martin Grossmann, CEO Opera St. Moritz AG

von Patrick Gunti


Herr Grossmann, Opera St. Moritz feiert als Produzentin des OpernFestivals ENGADIN 2009 (27.6. – 11.7.) auf der Bühne des legendären Grandhotels «Maloja Palace» mit Rossinis «Barbiere di Siviglia» das 10-Jahr-Jubiläum. Was gab den Ausschlag für das «Maloja Palace» als Bühne?


Eine Besonderheit bei unserem 10-jährigen Jubiläum ist die Konzertstätte, das legendäre Grandhotel «Maloja Palace». Das Hotel war 1884 bei seiner Eröffnung das grösste und modernste Hotel im gesamten Alpenraum. Erbaut wurde es durch den belgischen Graf Camille de Renesse. Nach einem jahrelangen «Dornröschenschlaf» plant das «Maloja Palace» zu seinem 125. Geburtstag auf die Opernpremiere hin das Re-Opening als Hotel. Dieses Hotel hat eine Atmosphäre, die wohl kaum zu überbieten ist. Sie ist ideal für unsere Art, Opern zu inszenieren. Als ich an einem kalten, verschneiten Februartag 2006 den grossen Festsaal zum ersten Mal sah, war ich sofort begeistert.


Sie wollen das Hotel mit seiner Geschichte in die Inszenierung integrieren. Was können wir uns im Bezug auf die Barbiere-Inszenierung vorstellen?


Wir werden die Inszenierung des Barbiere als Fortsetzung der Geschichte des Maloja Palace ansiedeln. Unsere «Rosina» ist die Tochter der Baronesse de Renesse, der Gattin des Erbauers, welche 1884 auf mysteriöse Art und Weise verstarb.


«Eine Besonderheit bei unserem 10-jährigen Jubiläum ist die Konzertstätte, das legendäre Grandhotel ‹Maloja Palace›.»


Ist das «hautnahe» miterleben von grossen Opern das Erfolgsrezept des OpernFestivals ENGADIN und welche Rolle spielt generell die Wahl der Bühne?


Beim OpernFestival ENGADIN können die Besucher ein Opernerlebnis für Fr. 150 mit nur 350 Zuschauern erleben und in eine einmalige intime Opernatmosphäre eintauchen. Dazu gehören auch die Diners mit den Solisten und die gemeinsamen Frühstücke, wenn man im Maloja Palace übernachtet (wo auch die ganze 100-köpfige Opercrew lebt). Die Bühne ist bei uns mitten im Zuschauerbereich, ohne Trennung durch einen Orchestergraben. Und weil wir jedes Jahr völlig neu inszenieren und bauen und auch an anderen Orten spielen, ist jede Inszenierung wieder völlig neu und überraschend für unsere Zuschauer.


Wie setzt sich das diesjährige Ensemble zusammen?


Das diesjährige Ensemble setzt sich, wie immer, aus hochkarätigen jungen Sängern zusammen, die alle schon Bühnenerfahrung und Renommee haben. Die meisten haben ihre Rollen schon gesungen. Das macht es für die Regisseurin einfacher, in kurzer Zeit zu einem tollen Ergebnis zu kommen.


Welche Aufgaben übernimmt «Opera St. Moritz ? The Club» im Zusammenhang mit der Förderung junger Talente?


Unser wichtigster Sponsor ist unser Verein «The Club», der uns mit 300 Mitgliedern entscheidend unterstützt. Der Verein hat aber keine spezifische Aufgabe bei der Operproduktion. Die Mitglieder sind alles Opern-Geniesser, die Freude an dieser speziellen Art der Oper haben.


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Klassische Musik im Umfeld prachtvoller Bergregionen hat seit Jahrzehnten Hochkonjunktur. Können Sie uns die Gleichung «Bergwelt ? Klassische Musik» erklären?


Die Bergluft und Natur hilft, sich vom täglichen Stress und Umweltlärm zu lösen. In einem solchen Umfeld kann das Publikum entspannt die Musik geniessen, was für viele Menschen im Alltagsrhythmus sonst sehr schwierig ist. Die Situation der Oper, wo sich das Publikum mitten im Geschehen befindet, verstärkt das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein.


Wie setzt sich entsprechend das Zielpublikum zusammen?


Wir richten uns an ein anspruchsvolles Liebhaberpublikum, dass ein unvergessliches Gesamterlebnis sucht, wie es in klassischen Opernsälen kaum möglich ist. Unsere Besucher stammen aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland, viele von ihnen haben einen persönlichen Bezug zum Engadin. Mit speziellen Anlässen, etwa dem Engadiner-Abend oder einem Familien-Abend, richten wir uns mit Erfolg auch an die lokale Bevölkerung.


Spüren Sie eine Konkurrenzsituation mit andern Klassik-Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Gstaader Musikfestival?


Nein überhaupt nicht. Wir sind ein Nischenprodukt. Ein Geheimtipp, den man gerne weitersagen darf. Wir haben nur Platz für 2’500 Zuschauer – für das ganze Festival! -, und unsere Fluktuation ist sehr klein. Die jeweiligen Zuschauerbefragungen zeigen, dass über 75% der Zuschauer uns ein- oder mehrmals schon besucht haben.


«Wir richten uns an ein anspruchsvolles Liebhaberpublikum, dass ein unvergessliches Gesamterlebnis sucht, wie es in klassischen Opernsälen kaum möglich ist.»


Wie ist das OpernFestival ENGADIN in die Aktivitäten der Touristikregion Engadin ? St. Moritz eingebunden?


Wir werden von der Tourismus Organisation Engadin als eines der grossen Engadiner Events behandelt und marketingmässig oder im Verkauf unterstützt.


Wenn Sie auf die letzten 10 Jahre ihres Festivals zurückblicken ? welches waren die Höhepunkte?


Ein Highlight war sicher die Aufführung von Rossinis «Il Turco in Italia» im Jahr 2004. Als Konzertstätte für die Oper diente damals die Lobby des Badrutt?s Palace. Phänomenal!


Woher stammt Ihre Faszination für die klassische Musik?


Mein Vater war ein Operfan und nahm mich ab und zu ins Zürcher Operhaus mit. Daraus entstand eine Liebe zur Opernmusik, die da war und ist, aber nicht so, dass ich alles andere liegen lassen würde. Die Faszination ist aber doch so stark, dass ich als studierter Ingenieur und Ökonom nun die Oper ins Zentrum meiner unternehmerischen Tätigkeiten gestellt habe. Zudem war der «Barbiere» die Lieblingsoper meines Vaters und wurde so automatisch auch mein Favorit.


Herr Grossmann, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Martin Grossmann wuchs in Küsnacht bei Zürich auf und verbrachte bereits von Kindesbeinen an seine Freizeit oft im Oberengadin. Nach der Ausbildung zum Dipl.-Ingenieur (ETH) und einigen Berufsjahren erwarb er das Executive MBA an der Hochschule St. Gallen (HSG). Im Anschluss an erfolgreiche Jahre in der Maschinenindustrie gründete er die Firma MAGMA, die sich auf die Ausbildung und Beratung von Marketingfragen in der Industrie spezialisiert hat.

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