Rolf Hartl, Geschäftsführer Erdöl-Vereinigung
von Christa Spoerle
Herr Dr. Hartl, trotz der grössten Förderungskürzung der Opec-Länder seit Einführung von Fördermengen 1982, hat sich der Ölpreis nur unwesentlich erholt, wie sehen Sie die Preisaussichten für das schwarze Gold im den kommenden 12 Monaten?
Eine Prognose zu machen ist unmöglich. Wie die Entwicklung der letzten paar Jahre gezeigt hat, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Ölpreis und Entwicklung der Realwirtschaft. Solange die globale Rezession anhält, nimmt die Energienachfrage ab, was eine neue Preishausse wenig wahrscheinlich macht. Aber: Es gibt auch die Angebotsseite, und dort können politische Ereignisse in den grossen Förderregionen den Ölpreis relativ rasch in die Höhe treiben.
Viele Förderländer, wie auch Dubai, spüren die Auswirkungen des Ölpreisrückgangs bereits deutlich. Können die sich denn weitere Förderkürzungen leisten?
Wenn weniger Öl verbraucht wird, muss die Förderung zurückgehen, damit die Balance erhalten bleibt. An dieser Logik können die Förderländer nicht viel ändern. Allerdings sind sie in unterschiedlichem Masse von den Folgen tiefer Ölpreise betroffen, je nach Verwendung und Bedeutung der Öleinkünfte: Iran und Venezuela setzen das Ölgeld vor allem in der Sozial- und Aussenpolitik ein und erachten eine Ölpreis von USD 100/Fass als notwendig. Für weniger expansive Budgets, wie in Kuwait oder Saudi-Arabien, liegt die Schmerzgrenze deutlich tiefer.
Reagieren die Förderländer und Ölgesellschaften auf den tieferen Ölpreis bereits mit niedrigeren Investitionen in die Erschliessung, Förderung und Modernisierung von Anlagen?
Die internationalen Unternehmen halten an ihren Investitionsplänen grosso modo fest, zumal Projekte auch während der letzten Hochpreisphase konservativ beurteilt wurden, also mit einem Erdölpreis von nicht höher als 50 ? 60 USD/Fass. Klar ist aber, dass mit dem Nachfragerückgang teure Projekte, wie z.B. kanadische Ölsande, Bio-Treibstoffe oder auch erneuerbare Energien verzögert werden.
Wenn der Ölpreis also vor allem nachfragegesteuert ist, was kommt bei einer Erholung der Weltwirtschaft preislich auf uns zu?
Das hängt von der tatsächlichen oder vermuteten Entwicklung der Reservekapazitäten, vor allem im Bereich der Erdölförderung ab. Wenn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder eng wird, könnte eine neue Preisrallye einsetzen. Solche Szenarien sollte man allerdings mit Vorsicht geniessen: 2008 zeigte eindrücklich, dass der Ölpreis sich nicht auf einer Einbahnstrasse nach oben bewegt. Die Ölwirtschaft ist immer noch Beispiel einer «boom and bust»-Industrie, die in Zyklen lebt.
<<An eine unmittelbar bevorstehende Wiederaufnahme der vergangenen Preisrallyes glaube ich zwar nicht. Auch dürfte der Dollar, neben den internationalen Notierungen der zweite wichtige Vektor für die Inlandpreise, tendenziell unter Druck bleiben.>>
Sollte man heute schon wieder auf Investitionen in Ölwerte setzen?
Persönlich glaube ich nicht, dass wir in der realwirtschaftlichen Talsohle bereits angekommen sind, deshalb wäre ich vorsichtig. Allerdings bin ich überzeugt, dass die Versorgung der Welt mit genügend Energie eines der ganz grossen Themen der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein wird. Der Energiesektor insgesamt wird für Anleger wieder sehr interessant werden.
Der saudische Ölminister hält einen Preis von 75 USD je Fass Öl für einen fairen Preis, hat das eine Bedeutung für die Preisentwicklung?
Es gibt keine fairen oder unfairen Preise, sondern nur solche, die das Verhältnis von Angebot und Nachfrage spiegeln. Als der Öl-Preis bei USD 145/Fass lag, taxierten diesen die Förderländer auch nicht als «unfair». Man muss solche Aussagen als Teil der (politischen) Rhetorik betrachten, denn weder die OPEC noch sonst wer ist ja in der Lage, die Entwicklung des Ölpreises auf den Dollar genau zu beeinflussen. Beispiel: Von den OPEC-Staaten hervorgerufene künstliche Angebotsverknappungen würden vielleicht kurzfristig den Ölpreis nach oben treiben, würden aber Substitutionsbewegungen hin zu anderen Energieträgern und gesamtwirtschaftliche Negativfolgen (mit Rückwirkungen auf die Nachfrage) zur Folge haben ? ein unberechenbares Spiel.
Wird die Marktentwicklung derart nervös bleiben?
Ja, vor allem wenn die Finanzinvestoren Energie im Allgemeinen und Öl im Speziellen in grösserem Stil wiederentdecken werden ? und sie werden das tun, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Im Übrigen gilt für die Rohstoffe auch, was unter dem Kapitel «Psychologie und Fundamentales» für die Börse generell anwendbar ist.
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Was können Schweizer Verbraucher für die Entwicklung ihrer Treibstoff ? und Heizölpreise in den kommenden Monaten erwarten. Welches sind die Haupteinflussfaktoren für die Preisbestimmung im Inland?
An eine unmittelbar bevorstehende Wiederaufnahme der vergangenen Preisrallyes glaube ich zwar nicht. Auch dürfte der Dollar, neben den internationalen Notierungen der zweite wichtige Vektor für die Inlandpreise, tendenziell unter Druck bleiben.
Werden Investitionen in alternative Heizungen nun verschoben?
Sicher sind Ölheizungen wirtschaftlich wieder sehr interessant geworden, sowohl unter dem Gesichtswinkel der Energie- wie auch der Investitionskosten. Kommt hinzu, dass für viele, die auf eine (zu) knapp dimensionierte, luftbasierte Wärmepumpe gesetzt haben, der kalte Winter zu einem bösen Erwachen führen wird, und zwar wenn sie ihre Stromrechnung präsentiert erhalten.
<<Mit dem Einbau einer modernen Ölheizung jedenfalls werden die Umweltauswirkungen erheblich reduziert, dank Brennwerttechnik und schwefelarmem Ökoheizöl. >>
Auf welches Heizsystem setzen Sie?
Ich habe vor kurzem die alte Anlage durch eine moderne Ölheizung mit verbrauchsarmer Brennwerttechnik ersetzt. Der Minderverbrauch beträgt etwa 15%.
Kann man denn sagen, dass Erdölheizungen umweltunfreundlich sind?
Sind denn andere Heizsysteme umweltfreundlich? Tatsache ist, dass jedes Verbrennen von Biomasse, Kohle, Öl und Gas Emissionen hervorruft, egal ob dies in der eigenen Heizung geschieht oder aber im Kraftwerk, um Strom zu produzieren. Mit dem Einbau einer modernen Ölheizung jedenfalls werden die Umweltauswirkungen erheblich reduziert, dank Brennwerttechnik und schwefelarmem Ökoheizöl.
Seit der Studie des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums wird immer wieder von knappen Reserven von Öl gesprochen, was können wir heute erwarten?
Als der Club of Rome anfangs der 70er-Jahre seinen Bericht publizierte, betrug die Reichweite der gesicherten Ölreserven rund 30 Jahre. Heute sind es etwa 50 Jahre. Wir werden das Ölzeitalter nicht mangels des Rohstoffs beenden. Die Herausforderungen liegen über, nicht unter dem Boden.
Zur Person:
Rolf Hartl, Jahrgang 1954, schloss sein Studiem an der juristischen Fakultät der Universität Zürich mit dem Doktorat ab. bevor er im Januar 1994 zum Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung ernannt wurde, arbeitet er bis 1984 zunächst als Gerichtssekretär am Bundesgericht, anschliessend als Wirtschaftsjurist einer Treuhandfirma und bis 1993 als Wirtschaftsjurist bei der Elektrowatt AG.
Zur Organisation:
Die Erdöl-Vereinigung (EV) setzt sich als Verband der schweizerischen Erdölwirtschaft für die Wahrung und Förderung der Interessen ihrer Mitglieder ein. Die zur Zeit 29 Mitglieder tätigen 95 % der schweizerischen Importe von Rohöl und Erdölprodukten. Die Aufgabe der Erdöl-Vereinigung besteht zum einen darin, für die allgemeine Öffentlichkeit wie auch für die Branche selbst eine Drehscheibe für Informationen zum Energieträger Erdöl zu sein Zum anderen vertritt die Erdöl-Vereinigung in allen branchenrelevanten Fragen die Anliegen der Erdölwirtschaft nach aussen. Dazu gehören insbesondere: die qualitative Normierung von Erdölprodukten; der Erhalt bzw. die Schaffung des freien Wettbewerbs zwischen den Energieträgern; die Behandlung von Gesetzgebungsvorhaben und Vollzugsfragen im Energie-, Umwelt- und Fiskalbereich; PR und Werbung für Erdölprodukte; die Unterstützung innovativer Energieforschung im Erdölbereich.