Kartellgesetz: economiesuisse für klare Regeln
Demnach würden sich im Interesse eines funktionierenden und dynamischen Wettbewerbs punktuelle Änderungen im Gesetz, bei den Verfahren und der Anwendung aufdrängen, heisst es in der Mitteilung weiter.
Wettbewerb als Grundlage freiheitlicher Wirtschaftsordnung
economiesuisse setzt sich entschieden für den Schutz und die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs ein. «Ein funktionierender Wettbewerb ist Grundlage einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns mit einer eigenen Evaluation des Kartellgesetzes in die Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts in der Schweiz einbringen», hält Pascal Gentinetta, Vorsitzender der Geschäftsleitung von economiesuisse, fest. Dabei betonte er, dass die Stärkung des Wettbewerbs nicht nur über das Wettbewerbsrecht zu erreichen ist, sondern vor allem durch eine am Freihandel orien¬tierte Aussenwirtschaftspolitik und einer Binnenmarktpolitik, die Marktzutrittsbarrieren konsequent beseitigt.
Konzeption und Sanktionssystem grundsätzlich bewährt
Die Evaluationsstudie der Wirtschaft zeigt, dass sich die Konzeption des Kartellgesetzes sowie das Sanktionssystem grundsätzlich bewährt haben. Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren zusätzliche Anstrengungen unternommen, um die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen strikte einzuhalten. «Für die Wirtschaft ist zentral, dass klare und verständliche Spielregeln gelten, welche die Entfaltungsmöglichkeiten nicht blockieren», betont Thomas Pletscher, Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse und Projektleiter der Evaluationsstudie.
Konsequente Compliance-Kultur schaffen
Wettbewerbspolitik ist am wirksamsten, wenn die Unternehmen selbst die Bestimmungen in der täglichen Praxis umsetzen. Prof. Karl Hofstetter, Verwaltungsrat der Schindler AG, schilderte die Compliance-Bemühungen der Unternehmen am Beispiel von Schindler. Neben der Schaffung einer konsequenten Compliance-Kultur ist eine systematische Überwachung und Durchsetzung von zentraler Bedeutung. Im Gesetz sind entsprechende Anreize zu verankern.
Auf Handlungsbedarf hingewiesen
«Die Wirtschaft hat mit der präsentierten Evaluationsstudie im Sinne der ‹wettbewerbspolitischen Grundsätze› von economiesuisse auf den Handlungsbedarf hingewiesen und versteht ihre Empfehlungen als konstruktiven Diskussionsbeitrag im Rahmen der Weiterentwicklung des Kartellgesetzes», hält Ulrich Jakob Looser, Chairman Accenture AG und Präsident der economiesuisse-Kommission für Wettbewerbsfragen, fest.
Empfehlungen der Evaluation des Kartellgesetzes
Der Dachverband der Wirtschaft hat das Kartellgesetz evaluiert. Grundsätzlich hat sich das geltende Konzept bewährt. Allerdings besteht die Gefahr von Rechtsunsicherheit und überschiessender Eingriffe. Im Interesse des Wettbewerbs sind punktuelle Änderungen sowohl beim materiellen Recht, bei den Verfahren als auch bei der Anwendung ins Auge zu fassen. Kontraproduktive Eingriffe sollen indes verhindert werden. economiesuisse fordert deshalb stärker am Verschulden ausgerichtete Sanktionen und fairere Verfahren. Im Sinne einer umfassenden Lösung soll die Schaffung einer neuen, unabhängigen Wettbewerbsbehörde geprüft werden, welche neben der WEKO auch den Preisüberwacher und die Sektorbehörden umfasst.
Wettbewerbsrecht führt zu wirtschaftlicher Belebung
economiesuisse hat die Haltung der Wirtschaft zur Wettbewerbspolitik festgelegt. Die Evaluation geschah im Hinblick auf die Diskussion über eine allfällige Revision des Kartellgesetzes. Die interne Studie zeigt, dass sich das geltende Kartellrecht in der Schweiz bewährt hat. Das Wettbewerbsrecht hat zu einer Belebung des Wettbewerbs geführt. Allerdings ist der Beobachtungszeitraum noch sehr knapp. Die erheblich gestiegenen Aufwendungen für Rechtsberatung und Compliance zeigen, dass die Unternehmen grosse Anstrengungen unternehmen, um die kartellrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Das 2003 eingeführte Sanktionssystem hatte seine präventive Wirkung auf die Privatwirtschaft. Die Studie enthält verschiedene Empfehlungen zur Behebung von Schwachpunkten:
– Zurückhaltende Fusionskontrolle, Vertikalvereinbarungen überprüfen Wettbewerb lebt von aktiven Unternehmen. Von überschiessenden Eingriffen ist daher Abstand zu nehmen. Eingriffe, wo keine geboten sind, wirken sich negativer aus als ein Verzicht auf einen Eingriff, wenn ein solcher geboten wäre. Wenn das Risiko infolge Ungewissheit, ob ein Verhalten zu einer Sanktionierung durch die Wettbewerbsbehörde führt, zu gross wird, bleiben Innovationen und kompetitive Marktstrategien der Unternehmen aus. Entsprechend ist die Fusionskontrolle angesichts der offenen Grenzen der Schweiz weiterhin mit Mass und mit mehr Zurückhaltung bei Eingriffen in die betriebswirtschaftlichen Abläufe einzusetzen. Wie die Evaluationsgruppe des Bundes beurteilt auch economiesuisse die geltenden Regeln zu vertikalen Abreden als überschiessend und im Empfinden der Marktteilnehmer restriktiver als in der EU.
– Rechtsunsicherheit nicht zulasten der Unternehmen Marktverhältnisse sind dynamisch. Ein Unternehmen kann so im Voraus oft nicht verlässlich abschätzen, ob die Behörde auf eine marktbeherrschende Stellung und eine missbräuchliche Verhaltensweise schliessen würde. Diese Rechtsunsicherheit sollte durch das Meldeverfahren reduziert werden. Die gegenwärtige Politik der WEKO und der Gerichte lässt solche Meldungen jedoch nur beschränkt zu. Das Meldeverfahren ist daher zu verbessern und bei der Sanktionsbemessung ist die Rechtsunsicherheit besser zu berücksichtigen. Kann ein Unternehmen im Voraus die Rechtswidrigkeit trotz eigener Bemühungen nicht oder nur sehr schwer erkennen, dann muss dies zu einer Sanktionsminderung führen. Ferner sind im Sinne der Motion Schweiger Unternehmen mit angemessenen Compliance-Programmen vollständig oder teilweise von Sanktionen zu entlasten («Compliance-Defence»).
– Faire und rechtsstaatliche Verfahren Die Sanktionen haben den Charakter von Strafen und entsprechend müssen die Verfahren strikt nach rechtsstaatlichen Kriterien durchgeführt werden. Auch müssen im Sinne der Motion Schweiger die Compliance-Bemühungen der Unternehmen bei der Bemessung der Sanktionen berücksichtigt werden. Hier besteht Handlungsbedarf. In der Schweiz werfen vor allem die Aufgabenteilung und das Zusammenspiel zwischen WEKO-Sekretariat und der Kommission sowie die Einbindung in Politik und Verwaltung Fragen auf. Das WEKO-Sekretariat ist nicht nur für die Untersuchungsführung verantwortlich, sondern nimmt auch an den Beratungen teil und redigiert die Entscheide. Entsprechend sind die Trennung zwischen Untersuchung und Entscheid und die Unabhängigkeit zu stärken. Das Milizsystem wird nicht in Frage gestellt. Mit der Schaffung eines spezifischen Verfahrensrechts könnten die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts besser berücksichtigt werden. So könnte die heutige sehr lange Dauer verkürzt werden, ohne den rechtsstaatlichen Schutz zu gefährden. Falls ein Zusammenarbeitsabkommen mit der EU ausgehandelt werden soll, muss die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und der Rechtsschutz in vollem Umfange gewährleistet sein.
– Bildung einer umfassenden Wettbewerbsbehörde Wettbewerbspolitik soll sich für alle Unternehmen an den gleichen Grundsätzen orientieren. Nach australischem oder niederländischem Vorbild schlägt economiesuisse vor, die Verschmelzung aller Sektorbehörden mit Wettbewerbsaufgaben, des Preisüberwachers und der WEKO zu einer umfassenden neuen Behörde zu prüfen. Damit könnten die Ressourcen der Wettbewerbshüter effizienter eingesetzt werden. Um spezifisches Fachwissen aufbauen zu können, wäre eine Organisation in Fachkammern vorzusehen. Ein Zusammenfassen der Behörden würde die Flexibilität erhöhen, Abgrenzungen der Verfahren vereinfachen und eine Diskussion über die Behördenstruktur ohne Vorbelastung erleichtern.
– Beseitigung staatlicher Wettbewerbsbeschränkungen Eine zeitgemässe Wettbewerbspolitik muss alle staatlichen Eingriffe ins Auge fassen. Regulierungen verzerren – unabhängig von den direkten Belastungen für die Unternehmen – oft den Wettbewerb. Verzerrungen sind zu minimieren und sind in jedem einzelnen Fall mit konkreten öffentlichen Interessen zu rechtfertigen. Entsprechend sollen die wettbewerbspolitischen Regeln möglichst einheitlich im Kartellrecht und nicht in den sektoriellen Gesetzen festgelegt werden.
Wettbewerbsrecht von essenzieller Bedeutung
Für die Unternehmen ist das Wettbewerbsrecht von essenzieller Bedeutung. Die mit der Modernisierung des Wettbewerbsrechts verbundene schärfere Gangart gegen Kartelle und Wettbewerbsbeschränkungen hat bei den Unternehmen in der Schweiz zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Kartellgesetz und den entsprechenden Anpassungen an den neuen rechtlichen Rahmen geführt. Aus Sicht der Wirtschaft sind im Interesse des Wettbewerbs im materiellen und formellen Kartellrecht wie auch in der Anwendung durch die Behörden Änderungen notwendig. Die Wirtschaft versteht ihre Empfehlungen als konstruktiven Diskussionsbeitrag im Rahmen der Weiterentwicklung des Kartellgesetzes. Die Wirtschaft ist in diese Arbeiten direkt miteinzubeziehen. (economiesuisse/mc/ps)