Die Hypo Real Estate sollte verstaatlicht werden

Von Karl-Heinz Goedeckemeyer

Allerdings werden mit einer Verstaatlichung auch marktwirtschaftliche Prinzipien über Bord geworfen und möglicherweise die bisherigen Machtstrukturen gefestigt. Selbst notorische Pessimisten hätten sich damals nicht vorstellen können, dass mit der faktisch insolventen HRE das Wort Enteignung wieder geläufig wird. Denn in diesem Wort stecken Diktatur und Umsturz, längst vergessenes Vokabular aus einer anderen Zeit. Mit dem von der Bundesregierung kürzlich beschlossenen Gesetz zur Umsetzung eines Massnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) können erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Aktionäre von Banken enteignet werden. Wohl gemerkt, dass Gesetz heisst nicht «Banken-Enteignungsgesetz», sondern «Rettungsübernahmegesetz» – das soll heissen, dass die betroffene Bank durch staatliche Übernahme vor dem Konkurs gerettet wird. Gleichwohl hat sich die Politik zu lange Zeit gelassen. Selbst der letzten Hinterbänkler im Bundestag hätte vor dem Hintergrund der umfangreichen Berichterstattung in den Medien zur der Überzeugung gelangen müssen, dass die HRE nicht mehr überlebensfähig ist. Immerhin hat der Staat bislang mit Finanzhilfen und Bürgschaften von 120 Milliarden Euro dem Bankinstitut das Überleben gesichert, ohne diese Stützungsmaßnahmen wäre die HRE ohnehin längst pleite.

Enteignung von Werten, die nichts mehr wert sind
Gleichwohl ist das vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetz von historischem Rang, denn es ist das erste Enteignungsgesetz der Geschichte, das Werte enteignet, die nichts mehr wert sind. Bisher galt der Satz: Enteignen lässt sich nur, was einen Wert hat. Doch trotz der Tatsache, dass die Aktien der HRE faktisch wertlos, sind, allenfalls Hoffnungspapiere, greift der Staat zu Papieren, die nur dank der bisherigen Kapitalspritzen noch einen gewissen Hoffnungswert haben. Kurzum: der Steuerzahler muss in diesem Fall die Eigentümer der wertlosen Papiere auch noch dafür bezahlen und Spekulanten werden schadlos gehalten. Der einzige der enteignet wird, ist nicht der Aktionär, sondern der Staat, seiner Finanzmittel nämlich.


Kein systemisches Risiko
Politiker haben das Eingreifen immer mit der zerstörerischen Kraft des Instituts auf den deutschen Finanzsektor gerechtfertigt und vor einem Domino-Effekt auf andere Institute gewarnt. Diese These erscheint aber mit Blick auf das Geschäftsmodell der HRE fragwürdig, denn der Staat sollte nicht die Banken retten, sondern die Einlagen – in diesem Fall die hervorragend abgesicherten Pfandbriefe. Ausgehend von der Bilanzsumme von 393 Mrd. Euro (Stand 30.09.08) liegen die Verbindlichkeiten der HRE bei knapp 391 Mrd. Euro. Bei den Hauptgläubigern Kreditinstitute und Kunden belaufen sich die Verbindlichkeiten auf rund 160 Mrd. Euro, der Rest ist grösstenteils verbrieft (190 Mrd.). Das bedeutet wiederum, dass die am besten abgesicherte Gruppe, der Pfandbriefkäufer (Versicherungen, Banken, Fonds und Privatpersonen) gegen Ausfall am besten geschützt ist. Opfer von einer möglichen Pleite wären somit nur die Nicht-Pfandbriefkäufer, die der Staat nicht zu schützen hat. Diese wiederum, die der HRE leichtsinnigerweise Geld gegeben haben, hätten ihre Kreditengagements zu wertberichtigen. Von einem systemischen Risiko für die deutsche Finanzbranche zu sprechen, scheint daher unangebracht. Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderungen des US-Finanzinvestors J.C. Flowers, der zusammen mit einer Investorengruppe mit rund 25 % an der HRE beteiligt ist, nicht nachzuvollziehen. Wie Flowers kürzlich der «FAZ» erklärte, halte er im Falle einer Verstaatlichung eine Entschädigung von drei Euro pro Aktie für angemessen. Flowers hatte für seine HRE-Anteile ursprünglich 22,50 Euro pro Aktie bezahlt. Inzwischen sind die Papiere nur noch rund 1,01 Euro wert. Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass der Börsenwert in den zwei Wochen vor einer Enteignung Basis für die Berechnung der Entschädigung sein soll. Dies lehnt Flowers jedoch ab und verlangt nun mehr als das doppelte des aktuellen Aktienkurses als Entschädigung.


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Ausblickend dürfte viel wichtiger sein, ob und wie der Staat künftig gestaltenden Einfluss auf die weiteren Geschäfte der Bank nehmen kann. Dazu muss er allerdings erst Hauptaktionär werden – gegebenenfalls durch Enteignung der bisherigen Aktionäre. Denn nur so kann er die Milliarden-Hilfen vor dem Steuerzahler rechtfertigen und dem Vorwurf der Untreue mit Staatsgeldern entgehen.


Selbstreinigungskraft des Marktes außer Funktion gesetzt
Seitdem der Staat mit ungeheueren Finanzmitteln maroden Unternehmen zur Seite springt, dürfte auch die Selbstreinigungskraft des marktwirtschaftlichen Systems ausser Funktion gesetzt sein. Den offenbar will der deutsche Staat nicht mehr nur allein Banker spielen, sondern auch Autobauer. Banker und in die Krise geratene Unternehmen werden dies mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Schützt sie doch künftig der Steuerzahler vor der Insolvenz. Dabei könnte in Vergessenheit geraten, dass Zahlungsunfähigkeit ebenso wie Rekordgewinne zu den Grundprinzipien der Marktwirtschaft gehört. Wenn es das Bankrott-Risiko künftig nicht mehr gibt, dann werden Banker und Unternehmer weiterhin hohe unternehmerische Risiken eingehen, denn am Ende des Tages wird die Politik unter dem Druck des Arbeitsplatzverlustes vor allem jenen Unternehmen unter die Arme greifen, die am lautesten schreien – in diesem Fall Opel und Schaeffler. Es darf nicht zugelassen werden, dass aus privaten Schulden zunehmend öffentliche Schulden werden, mit der Folge einer gigantischen Umverteilungsaktion. Denn irgendwann ist «Payday» und dann werden jene die größten Lasten tragen müssen, die an der Krise überhaupt nicht beteiligt waren.nbsp;

Management mit guten Beziehungen
Von dem HRE-Management hingegen sind keine Hilfeschreie zu vernehmen, die wissen längst, dass die Politik sich ihnen hoffnungslos ausgeliefert hat. Hinzu kommt, dass der HRE-Chef ein enger Vertrauter von Josef Ackermann ist. Selbst im Falle einer Neubesetzung des Vorstandsressorts kann HRE-Vorstand Axel Wielandt, ohne selbst beschädigt zu sein, in die Deutsche Bank zurückkehren und dort seine Karriere fortsetzen. Das gleiche dürfte für seine Vorstandskollegen gelten, auch die dürften innerhalb der Finanzbranche bald eine neue Aufgabe finden. Das Risiko bleibt somit beim Staat. Wenn die Sanierung erfolgreich verläuft, könnte sich der Bund wohlmöglich schnell von seinen Anteilen trennen, andernfalls bleibt er auf seinen Schulden sitzen.


Pleitebanken sollten vom Markt und von der Börse verschwinden
Ob die staatliche Zwangsaktion von Erfolg gekrönt ist, weiss derzeit niemand. Wenn der Staat sich verrechnet und die Rettungsmassnahmen in einem Desaster enden, ist der Steuerzahler am meisten geschädigt. Somit bleibt abzuwarten, wie der Bund die Krise meistern wird. Es ist zu hoffen, dass die richtigen Konsequenzen getroffen werden, damit Pleitebanken wie die HRE künftig frühzeitig vom Markt verschwinden und nicht endlos auf dem Rücken der Steuerzahler gestützt werden. Banken, die faktisch pleite sind haben zudem nichts an der Börse zu suchen. Es ist mir schleierhaft, warum die Deutsche Börse nicht längst eingegriffen und die HRE vom Kurszettel genommen hat. Des Weiteren vermisse ich auch in dem neuen Finanzmarktstabilisierungsgesetz Aussagen zur Haftung. Solange aber nicht Aufsichtsräte und Vorstände für ihre Fehler haftbar gemacht werden können, solange wird sich an der Bunker- und Zockermentalität der Banken nichts ändern.


Vorläufig jedoch herrscht noch Galgenhumor: Was ist der Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus? Im Sozialismus werden die Banken erst verstaatlicht und gehen dann pleite. Im Kapitalismus gehen sie erst pleite und werden dann verstaatlicht.





Der Autor:
Karl-Heinz Goedeckemeyer, Unabhängiger Finanzanalyst & Wirtschaftspublizist in Frankfurt


Seit 01/08: Independent Analyst & Wirtschaftspublizist
– Analyse internationaler Finanz- und Immobilienmärkte
– Fachbeiträge für Banken- und Immobilienmagazine


07/04 ? 12/07 SRC Research, Sell-Side Analyst Banken & Immobilien
– Unternehmensanalyse Banken, Private Equity-Gesellschaften und Immobilienunternehmen im deutschsprachigem Raum
– Analysen über Trends im Investment- und Retailbanking
– Teilnahme an Seminaren/Informationsveranstaltungen zu Themen wie Rating/Basel II, Rechnungslegung nach IFRS & Private Equity,


Publizist & Rating Advisor
– Konzeption und Koordination eines Herausgeberbandes zum Themenkomplex Banken-Rating, Mitherausgeber Dr. Oliver Everling, Everling Advisory Services, Gabler Verlag 2004
– Projekt-Mitarbeit Everling Advisory Services


Sell-Side Analyst Finanzwerte
Hornblower Fischer, Wertpapierhandelsbank, Frankfurt

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