Personenfreizügigkeit: Ein schmerzhaftes Ja als langfristige Option
Von Helmuth Fuchs
Joseph «Nice» Deiss setzte sich als Bundesrat erfolgreich für die bilateralen Verträge ein. «Schengen und Dublin», sowie «EU-Erweiterung» wurden von den Stimmbürgern im Jahre 2005 jeweils knapp angenommen. Die «EU-Erweiterung» wurde den Bürgern mit der klaren Aussage schmackhaft gemacht, dass selbstverständlich über jede Erweiterung mit künftigen EU-Mitgliedern wieder separat abgestimmt werden könne. Viel von «Souveränität», «Selbstbestimmung», «Respekt vor dem Volk» war die Rede.
Abenteuerliches Politikverständnis
Abenteuerliches Politikverständnis
Alles leeres Geschwätz, wie wir heute wissen. Dem Volk wird eine differenzierte Meinung heute nicht mehr zugetraut und zugestanden. Die Politiker nehmen mit der Bündelung der zwei Fragen «Wollt ihr die bestehenden bilateralen Verträge unbefristet weiter führen?» «Wollt ihr die Freizügigkeit mit den bestehenden EU-Mitgliedern auf die beiden neuen Mitglieder, Bulgarien und Rumänien, ausdehnen?» dem Volk die Entscheidungskompetenz mit dem Argument, dass die EU eine Ausgrenzung der beiden neuen Mitgliedern nicht akzeptieren würde. Solcher Art erübrigte sich jegliches Verhandeln und eine Vollmitgliedschaft in der EU der Schweiz eigentlich die einzige sinnvolle Option. Das Volk hat aber anders entscheiden und Aufgabe der Politiker wäre es, diesen Volkswillen umzusetzen.
Fakten, Zahlen, Prognosen? Fehlanzeige
Wer versucht, sich anhand der Erläuterungen des Bundsrates (rotes Abstimmungsheftchen) zu informieren, wird enttäuscht. Kein Zahlenmaterial, keine wirkliche Fakten, was die Verträge bis heute gebracht haben, keine mit Studien unterlegten Prognosen, was die möglichen Ausgänge der Abstimmung für die Schweizer Wirtschaft, den Arbeitsmarkt, den Aussenhandel etc. bedeuten könnten. Wozu werden die Mittel für das Bundesamt für Statistik verwendet, wozu Heerscharen von Beratern bezahlt, wenn nicht dafür, dem Volk komplexe Zusammenhänge und Szenarien näher zu bringen? So wird aus dem Stimmvolk Stimmvieh.
Die Schweizer Rolle in der Weltpolitik
All diese Argumente, die ein «Nein» sehr attraktiv machen könnten, verschwinden aber im geopolitischen Kontext. Bulgarien und Rumänien sind Mitglieder der EU und eine weitere Osterweiterung, vor allem mit der Türkei, wird von der EU ins Auge gefasst werden. Die Alternative wäre eine Stärkung Russlands. Der Ausschluss der wirtschaftlich schwächeren Staaten würde unweigerlich eine Hinwendung zur ehemaligen Weltmacht bedeuten. Damit würde sich die EU als Kraft zwischen den USA und Asien schwächen, Russland würde am Rande Europas und vor allem in den krisengefährdeten aber energiereichen Regionen Irak, Iran, Pakistan und Afghanistan massiv an Gewicht gewinnen. In dieser Situation muss die Schweiz ein Zeichen zur Stärkung seines wichtigsten Handelspartners, der EU, setzen, mit dem Risiko, dass wir wirtschaftlich keinen direkten Nutzen aus der EU-Erweiterung ziehen werden. Ein schmerzhaftes, aber wichtiges Ja.
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