Gazprom und Naftogas verhandeln im Gasstreit – Erneut Lieferausfall

80 Prozent der Lieferungen werden über Transitleitungen in der Ukraine nach Westeuropa gepumpt. Allein in Serbien frieren mehr als 100.000 Menschen, da die Heizungen ausgefallen sind. Gazprom-Chef Alexej Miller sowie Oleg Dubina von Naftogas trafen laut der Agentur Interfax nach gemeinsamen nächtlichen Verhandlungen bereits am Donnerstag vormittag zu Gesprächen mit der EU in Brüssel ein. Brüssel hatte beide Seiten zur raschen Beilegung ihres Energie- Konflikts aufgefordert, nachdem durch die Ausfälle von russischem Gas mehrere EU-Staaten sowie Osteuropa betroffen sind.


Suche nach Ausweg
Nach Gesprächen unter anderem mit EU-Energiekommissar Andris Piebalgs in Brüssel sollten die Verhandlungen zur Beilegung des Streits um Gaspreise und Lieferbedingungen in Moskau fortgesetzt werden, sagte Naftogas-Sprecher Valentin Semljanski. Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow hatte zuvor mitgeteilt, dass Miller und Dubina schon in der Nacht zum Donnerstag über einen Ausweg aus der Krise in Moskau beraten hätten. Details waren nicht bekannt. Am Nachmittag wollte sich in Moskau auch Regierungschef Wladimir Putin zur Entwicklung in dem Konflikt äussern.


Gegenseitige Beschuldigungen
Laut russischer Darstellung hat die Ukraine die vier Transitleitungen gekappt, was eine Versorgung Westeuropas unmöglich mache. Aus der Ukraine hiess es dagegen, Russland habe seine Gaslieferungen über die Ukraine komplett gestoppt. Beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation des Konflikts.


EU macht Druck auf Russland und Ukraine
Angesichts des Stopps russischer Gaslieferungen über die Ukraine nach Europa drängt die EU die Teilnehmer des Gas- Spitzentreffens in Brüssel zu einer raschen Lösung. «Ich hoffe, dass beide Seiten die Signale aus der Europäischen Union wahrgenommen haben», sagte Aussen-Staatssekretär Günter Gloser am Rande eines Treffens der EU-Aussenminister am Donnerstag in Prag. «Der Druck ist vorhanden und es ist beiden Seiten deutlich gemacht worden, dass wir zu einer Einigung kommen müssen.» In Brüssel wollten sich die Chefs von Gazprom und des ukrainischen Gasriesen Naftogas mit dem EU-Energiekommissar Andris Piebalgs und dem tschechischen Energieminister Martin Riman treffen.


Hoffnungsschimmer
Der amtierende EU-Ratsvorsitzende, Tschechiens Europaminister Alexandr Vondra, zeigte sich zuversichtlich, dass es zu einem baldigen Ende des Lieferstopps kommen könne. «Wir haben Grund zur Hoffnung, dass wir eine schnelle Lösung für das drängendste Problem bekommen, nämlich die Wiederaufnahme der Gaslieferungen.» Russland liefert wegen eines Schulden- und Preisstreits mit der Ukraine kein Gas mehr an das Nachbarland. Davon sind viele EU-Staaten massiv betroffen, da 80 Prozent des russischen Gases für die Gemeinschaft durch die Ukraine fliessen.


«Gute Zeichen für die Gespräche»
Gloser zeigte sich zuversichtlich, dass es eine Einigung geben könne. Es gebe «gute Zeichen für die Gespräche» sowie für den EU- Vorschlag, eine internationale Beobachtergruppe zuzulassen. Die Kontrolleure sollen an den Grenzübergängen die jeweilige Menge des transportierten Gas prüfen.


EU fürchtet Gaskollaps
Derweil fürchtet die EU-Kommission laut einem Pressebericht den Zusammenbruch der Gasleitungen in der Ukraine. Die Gasexperten in der Brüsseler Behörde hielten einen ernsten technischen Kollaps des Systems als Folge des russischen Gaslieferstopps für eine reale Gefahr, berichtet die «Financial Times Deutschland» vom Donnerstag ohne Angabe von Quellen.


«Beispielslose Krise»
Ein solcher Zusammenbruch würde nach Überzeugung der Kommission zu ernsten Notlagen in den meisten osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten führen, schreibt die Zeitung. Das Ausmass der Krise gelte als bislang beispiellos.
Intern geht die Kommission laut «FTD» davon aus, dass Russland mit dem Gas-Lieferstopp seine vertraglichen Pflichten gegenüber den EU-Staaten verletzt hat. Ausserdem sehe die Behörde Verdachtsmomente für eine lange vorbereitete Aktion Russlands, da bereits im Dezember Gazprom-Vertreter durch EU-Hauptstädte gereist seien, um auf die jetzige Krise vorzubereiten.


Verzögerter Druckaufbau
Energieexperten fürchten dem Bericht zufolge, dass die Lieferausfälle selbst dann erst in etwa einer Woche enden können, wenn Russland am Donnerstag wieder Gas in die ukrainischen Pipelines pumpe. Probleme könnten bei den Verdichtungsstationen entstehen, die den zum Gastransport notwendigen Druck aufbauen. (awp/mc/ps/02)

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