Martin Scherrer, COO comparis.ch AG

von Radovan Milanovic


Das sinkende Zinsniveau am Geld- und Kapitalmarkt auch aufgrund der kräftigen Senkung des Leitzinses auf die Bandbreite des Zielbandes zwischen 0,0 und 1,0% durch die SNB hat natürlich Auswirkungen auf die Hypothekarzinsen. Wie hoch sind die aktuell tiefsten variablen und fixen Hypothekarzinsen der ersten Hypothek, bezogen auf die Richtzinsen für erste Hypotheken?


Folgende Richtzinsen sind mit Stand 12. Dezember die billigsten und teuersten im Richtzinsüberblick von comparis.ch:


Variabel: Banca Popolare di Sondrio, ZKB, Clientis Sparkasse Zürich Oberland, Basler KB 2.5%, AXA Winterthur 3.5%
Festhypothek (5 Jahre): Glarner Kantonalbank 2.5%, UBS 3.050%
Festhypothek (10 Jahre): PostFinance 3.15%, Clientis Bernerland Bank 3.70%

Was sind die Gründe für die unterschiedlichen Zinssätze der verschiedenen Anbieter?


Die Zinssätze der Anbieter unterscheiden sich zum Teil beträchtlich. Die Differenzen lassen sich vor allem durch die Positionierung der einzelnen Anbieter und deren Marge erklären. Anbieter, die mit günstigen Zinsen auffallen, haben eine dementsprechend tiefere Marge. Beim Vergleich der Richtzinsen ist aber insofern Vorsicht geboten, als dass diese wie der Name sagt, nur Richtwerte sind. Effektive Abschlüsse können darüber, meist allerdings eher darunter liegen.


Mit welchem Zuschlag auf die erste Hypothek muss der Kunde für die zweite Hypothek rechnen?
 
Üblicherweise liegt der Zinssatz um etwa 0.5 bis 1.0% über dem Zinssatz einer 1. Hypothek.


Gibt es Unterschiede zwischen den Hypothekardienstleistungen der Banken und den Versicherern?


Bezogen auf die Hypothek sind die Dienstleistungen der einzelnen Anbieter  – egal ob Bank oder Versicherung – durchaus vergleichbar.


«Die Anbieter haben in Werbekampagnen investiert, um sich als Hypothekargeber zu positionieren. Allen voran hat die UBS Millionen aufgewendet, um Hypothekarkunden zu gewinnen,…» 


Haben die Hypothekaranbieter die Anforderungen an die Hypothekarschuldner in den vergangenen Jahren verschärft oder sind diese gar gelockert worden?


Grundsätzlich soll die Belehnung bei höchstens 80% liegen. In einzelnen Fällen sind es aber auch 90% oder mehr. Bei der Tragbarkeit liegt der Grenzwert in der Regel bei 33%. Uns ist nicht bekannt, dass sich die Handhabe der Anbieter bezüglich dieser Anforderungen geändert hat.


Die sich abwärts drehende Spirale der Hypothekarzinsen betrifft sämtliche Banken. Als Aussenstehender muss ich davon ausgehen, dass sich ein Verdrängungswettkampf gebildet hat oder gar mit Dumping-Zinsangeboten gearbeitet wird, um zu Anschlussgeschäften zu kommen. Haben Sie Hinweise auf ein solches Verhalten der Banken und Versicherungen oder handeln die Institute aus einem Anlagenotstand heraus?


Das Hypothekargeschäft erlebt bei den Banken seit einigen Jahren eine wahre Renaissance, Dies, nachdem sie in anderen Geschäftssparten massive Verluste erlitten hatten. Die Anbieter haben in Werbekampagnen investiert, um sich als Hypothekargeber zu positionieren. Allen voran hat die UBS Millionen aufgewendet, um Hypothekarkunden zu gewinnen, aber auch die Postfinance mit ihrer Kampagne «Ein halbes Jahr gratis wohnen» oder die Credit Suisse mit «Win a House» haben tief in die Tasche gegriffen.


Tatsächlich findet seit mehreren Jahren unter den Anbietern ein Verdrängungswettbewerb statt. Und dies nicht nur bei den Banken, auch die Versicherer sind aktiver geworden und wollen sich ihren Teil an Hypothekarkunden sichern. Die Versicherungen haben zwar nur einen sehr geringen Marktanteil, sind zum Teil aber in der Preisführerrolle und setzen so die alteingesessenen Hypothekargeber – die Banken – unter Druck. Durch diesen Wettbewerb sind die Margen enorm unter Druck geraten. Vor allem die Kantonalbanken und Raiffeisenbanken verzeichnen in letzter Zeit einen hohen Zuwachs an Neugeldern. Dieses Geld müssen sie auch irgendwie anlegen und Hypotheken sind da attraktiv. Dass die Margen bei diesen Anbietern stärker gefallen sind als bei anderen, konnten wir aber bisher nicht beobachten.


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Sie berichten davon, dass in 80% der Fälle tiefere Hypothekarzinsen angeboten werden, als die angepriesenen Zinssätze der Hypothekaranbieter? Mit anderen Worten, sind Direktkunden bei Banken  meistens die Benachteiligten?


Mit Verhandeln und Vergleichen stehen die Chancen für Eigenheimbesitzer viel besser, für ihre Hypothek einen Zinssatz herauszuholen, der unter dem offiziellen Richtzins liegt. In der Hypotheken-Börse von comparis.ch liegen rund 80% der individuellen Angebote unter den Richtzinsen. Direktkunden können ebenfalls verhandeln und vergleichen und sich so einen vorteilhafteren Zins sichern. Die Hypotheken-Börse dient dazu, auf einen Schlag verschiedene Angebote miteinander vergleichen zu können und damit in einer besseren Verhandlungsposition zu sein.


Refinanzierungen durch die UBS sind aufgrund des Risikopotenzials sehr schwierig geworden. Anderseits finanzieren Schweizer Banken einen grossen Teil ihrer Hypothekarkredite durch Sparguthaben der Kunden. Die UBS berichtet von einem durchschnittlichen, täglichen Abfluss von Kundengeldern im Betrage von 1 Mrd. CHF. Diese Entwicklung dürfte das UBS-Hypothekargeschäft negativ beeinflussen. Sehen Sie Auswirkungen dieser Entwicklungen? ?allenfalls in Form von strengeren Restriktionen oder bewusst höheren, d.h. nicht kompetitiven Hypothekarzinsen?


Die UBS finanziert Hypotheken einerseits über Spargelder, andererseits über den Kapitalmarkt. Bezüglich Spargelder versucht die UBS nun mit attraktiveren Sparzinsen (1,5%) an zusätzliche Neugelder zu kommen. Inwiefern sich die schwierigere Refinanzierungssituation in strengeren Restriktionen oder im Einzelfall höheren Hypothekarzinsen äussert, können wir leider nicht beobachten.


«Die Versicherungen haben zwar nur einen sehr geringen Marktanteil, sind zum Teil aber in der Preisführerrolle und setzen so die alteingesessenen Hypothekargeber – die Banken – unter Druck.»


Wie sehen Sie als Hypothekarspezialist die weitere Zinsentwicklung? Angenommen, ein solventer Kunde möchte über Sie eine Hypothekarfinanzierung vermitteln lassen. Welche Finanzierungsart(en), allenfalls in welchem Verhältnis würden Sie ihm zum jetzigen Zeitpunkt vorschlagen?&


Ist das Zinsniveau tief, sind Festhypotheken attraktiv. Vor allem dann, wenn man als Hypothekarnehmer auf längere Zeit hinaus die Kosten kalkulieren will. Nicht auszuschliessen ist, dass die Zinsen noch tiefer fallen und es sich dadurch lohnen könnte, noch zuzuwarten. Aber die Konditionen sind derzeit schon sehr tief, dass «Pokern» auf diesem Niveau vielleicht nicht mehr angesagt ist.

Sehr attraktiv sind auch Libor-Hypotheken. Bei diesen besteht jedoch das Problem, dass eventuelle Zinsanstiege in Kauf genommen werden müssen. Natürlich kann man eine Libor-Hypothek mit einem Cap absichern, was jedoch zusätzlich kostet. Die Attraktivität der Festhypothek liegt sicher darin, dass man damit genauer kalkulieren kann: Man kennt den Zinssatz, der für die ganze Laufzeit gilt und letztendlich ist es wohl auch ein Modell, das die Kunden aufgrund seiner Einfachheit schätzen.


Ist die Aufstockung der Hypotheken aufgrund tiefer Hypothekarzinsen zum Zweck der Konsumfinanzierung oder gar Investitionen aufgrund der ausgebombten Aktienmärkte wieder ein Thema?


In unsicheren Zeiten entscheidet man sich häufig für eine Rückzahlung der Hypothek. Dadurch wird das Sparguthaben auf der Bank verringert. Ein Vorteil im Fall eines Konkurses der Bank, denn die Sparguthaben können nicht mit der Hypothek verrechnet werden. Bei attraktiven Zinskonditionen kann eine Aufstockung der Hypothek Sinn machen, jedoch haben wir diesbezüglich noch nichts festgestellt.


Wie haben sich die Präferenzen der Eigenheim- und Stockwerkeigentümer in der letzten Zeit verändert?


Die Nachfrage nach Festhypotheken hat wieder deutlich zugenommen. Das momentan tiefe Zinsniveau führt dazu, dass sich die Eigenheimbesitzer vermehrt wieder für längere Laufzeiten interessieren.


Glücklicherweise haben wir in der Schweiz keinen Immobilienbubble. Trotzdem dürfte die Rezession Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben. Sehen Sie bereits Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung?


Bis jetzt noch nicht. Ob und wann der Immobilienmarkt in Mitleidenschaft gezogen wird, ist schwer zu beurteilen. Eine Immobilienblase wie in den USA ist in der Schweiz sicherlich kein Thema. Die restriktivere Kreditpolitik in der Schweiz wirkt zudem stabilisierend auf den Immobilienmarkt.


Die tiefen Zinsen werden dazu führen, dass auch Kunden, welche knapp rechnen, sich für ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung interessieren. Steigen jedoch die Zinsen nur leicht an, besteht die Gefahr eines Worst Case Szenarios. Galten 80% Fremdkapital als obere Verschuldungsgrenze, nehmen die Belehnungen bis 90% zu. Sehen Sie diesbezügliche Gefahren auf uns zukommen wie in den 90iger Jahren? 


Die Banken in der Schweiz haben aus den 90iger Jahren gelernt. Die meisten Hypothekaranbieter beachten gemäss eigenen Aussagen die Höchstbelehnung nach wie vor und die Tragbarkeit wird mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5%, Amortisation von 1%  und dem Unterhalt von 1% gerechnet. Auch wenn die Zinsen nun gesunken sind, ändert sich daran nichts. Dieser Zinssatz hat zum Ziel, dass die Schuldner auch in Zeiten höherer Zinssätze die Schulden bezahlen können. 


Wie begründen Sie den grossen Erfolg der Hypotheken-Börse von comparis?


Verhandeln wird im Hypothekargeschäft immer wichtiger: Wer verhandelt, hat Erfolg, dies zeigt eine Studie von comparis.ch aus dem Jahr 2006. In eine gute Verhandlungsposition bringt man sich als Hypothekarnehmer, indem man mehrere Offerten einholt. Diese über die Hypotheken-Börse einzuholen ist ein Kinderspiel.
Die Zeitersparnis für das Einholen von Offerten über die Hypotheken-Börse ist enorm: Stellen Sie sich vor, Sie müssten bei acht Banken vorstellig werden und eine Offerte für eine Hypothek verlangen!


Da die Anbieter in der Hypotheken-Börse untereinander im Wettbewerb stehen, sind die Angebote für die Kundinnen und Kunden attraktiv. Sie sparen effektiv viel Geld bei ihrer Hypothek. Die Kunden erhalten im Durchschnitt acht Angebote, die individuell für sie von den Kundenberatern der teilnehmenden Hypothekaranbieter aufbereitet wurden. Damit haben sie einfach und bequem einen Vergleich diverser Anbieter. Ein bestehendes Angebot kann mit diesen Angeboten verglichen werden und man weiss, ob man tatsächlich ein gutes Angebot vor sich auf dem Tisch hat oder nicht.





Zur Person
Martin Scherrer studierte Betriebswirtschaft an der Universität Zürich mit dem Schwerpunkt Banking and Finance. Nach fünf Jahren im Corporate Finance bei UBS war er von 2000 bis 2003 als Finanzanalyst bei Swiss Re tätig. Dort analysierte er im Bereich Private Equity Investitionsmöglichkeiten in Firmen der Versicherungsindustrie weltweit. Tätig war er hauptsächlich in Zürich, London und Amsterdam. Dabei spezialisierte er sich auf die Finanzierung von Start-ups, zu welchen auch comparis.ch vor einigen Jahren noch zählte. Bei comparis.ch ist Scherrer seit 2004 zuerst als CFO, später dann als COO massgeblich beteiligt am Aufbau des Online-Vergleichsdienstes.


Zum Unternehmen
comparis.ch ist der führende Internet-Vergleichsdienst der Schweiz. Konsumenten können auf www.comparis.ch einfach und schnell Tarife und Leistungen von Krankenkassen, Versicherungen, Banken, Telecom-Anbietern, Immobilien, Autos und Unterhaltungselektronik vergleichen. Dank der Comparis-Vergleiche und Bewertungen können die Konsumenten direkt zum Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis wechseln.


comparis.ch wurde 1996 vom Ökonomen Richard Eisler gegründet. Seine Idee, Konsumenten im Internet einen raschen Prämienvergleich im unübersichtlichen Krankenkassenmarkt zu ermöglichen, hatte Erfolg: Seither haben über 500’000 Personen ihre Krankenkasse über comparis.ch gewechselt. Jedes Jahr sparen die Wechsler dadurch mehr als 300 Millionen Franken.

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