Yves Serra, CEO Georg Fischer AG
von Christa Spoerle
Herr Serra, Sie sind seit März CEO der Georg Fischer, in welcher Art und Weise hat sich Ihr Leben dadurch verändert?
In meinem persönlichen Umfeld. hat sich dadurch nicht viel geändert. Ich lebe seit 5 Jahren in der Nähe von Schaffhausen. In meinem Arbeitsalltag haben sich die Perspektiven aber etwas verschoben. Als Chef von GF Piping Systems standen vor allem Gespräche mit Kunden im Vordergrund. Heute versuche ich zwar auch noch, Kundenkontakte und Kontakte mit den Mitarbeitenden zu pflegen, aber die Investorenkontakte und auch politische Kontakten kommen dazu. Nach wie vor betreibe ich viel Sport, das hilft grundsätzlich, nicht nur in Form zu bleiben, sondern auch seinen Ruhepol zu wahren.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für GF in den kommenden beiden Jahren?
Georg Fischer muss die Herausforderungen der heutigen Finanzkrise mit den gesamten konjunkturellen Folgen meistern. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet. Es ist heute unmöglich, vorauszusagen, wie sich alles entwickeln wird. Aber jede Krise birgt auch neue Chancen. Hier muss man Gelegenheiten in neuen Märkten, die besser laufen, zu nutzen versuchen und Marktanteile zu gewinnen. In China oder Japan bedeutet das Wort Krise halb Gefahr, halb Gelegenheit. Dies sehe ich auch so.
Der Anteil von Piping Systems am Gruppenumsatz von derzeit 26% soll mittelfristig auf 30-35% gesteigert werden. Gibt es noch Akquisitionspläne?
Mit den zwei in diesem Jahr getätigten Akquisitionen in den USA (Central Plastics in Okla¬homa) und in der Schweiz (JRG Gunzenhauser AG in Sissach) mit jeweils 100 Mio Schweizer Franken Umsatz haben wir bereits wichtige Schritte in diese Richtung unternommen. Priorität hat nun allerdings das organische Wachstum mit unseren Fabriken in China, Indien und Malaysia. Was aber nicht heisst, dass wir günstige Gelegenheiten für Akquisitionen nicht nutzen würden, vor allem in Märkten, wo wir noch nicht vertreten sind.
Würden Sie auch Akquisitionen in den anderen beiden Bereichen ins Auge fassen und wann? Oder stehen dort Kosteneinsparungen im Vordergrund?
Falls Akquisitionen anstehen, dann wohl doch bei GF Piping Systems, in den anderen beiden Unternehmensgruppen steht das organische Wachstum im Vordergrund, vor allem aber die Bewältigung der Krisenauswirkungen. Aber «sage niemals nie»!.
«Im Bereich GF Automotive sehen wir weitere Wachstumschancen in Europa, dann im Osten und in 2-3 Jahren auch in China. Bei GF Agie Charmilles und bei GF Piping Systems gibt es in fast allen Ländern noch Wachstumspotential.»
In der Sparte Automotive haben Sie auf einen Neubau wegen der veränderten Rahmenbedingungen verzichtet, haben Sie noch andere Pläne, um auf den Nachfrageeinbruch zu reagieren?
Der Einbruch in der Autoindustrie in Europa trifft uns. Derjenige in den USA nicht, weil wir dort nicht vertreten sind. Wir reagieren in erster Linie aber mit Sofortmassnahmen wie Abbau von Überstunden oder Abbau von Leiharbeitern. Weitere Massnahmen sind geplant und werden wenn nötig umgesetzt. Die verzögerte Realisierung des Neubaus heisst aber nicht, dass wir nun weniger forschen und entwick6len, denn diese Tätigkeiten sind eine Kernkompetenz von Georg Fischer.
Sie sprachen im Sommer von möglichen Preiserhöhungen aufgrund der höheren Schrottpreise und Energiekosten, ist das heute überhaupt noch möglich und nötig?
Wir konnten die Preise wie vorgesehen in den meisten Fällen erhöhen, bei Automotive anfangs Oktober. Aber bei den nunmehr sinkenden Schrottpreisen werden wir natürlich keine weitere Erhöhungen vornehmen können. Das Problem von GF Automotive sind derzeit aber nicht die Preise, sondern die Absatzmengen.
Wie entwickelt sich die Leichtmetallgiesserei im österreichischen Herzogenburg?
Wir konnten die Ausstossmengen auf das gewünschte Niveau erhöhen und die Kosten reduzieren. Aber nicht bei allen Produkten verfügen wir auch über genügende Margen. Wir sind im Moment daran, mit den Kunden weiter zu verhandeln. .
Agie Charmilles produziert hauptsächlich in der Schweiz, ist eine grössere Verlagerung ins Ausland denkbar?
Das Know-how von GF Agie Charmilles bleibt sicher in der Schweiz. Wir wollen aber in Asien weiter wachsen, das heisst wir müssen auch vor Ort produzieren, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, um näher bei den Bedürfnissen der Kunden zu sein.
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Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die grössten Wachstumschancen für GF ?
Im Bereich GF Automotive sehen wir weitere Wachstumschancen in Europa, dann im Osten und in 2-3 Jahren auch in China. Die Autoindustrie verschiebt ihre Akzente mehr und mehr auf Kleinwagen, und dort sind wir mit dem grösseren Anteil an Eisengussteilen, die billiger sind, gut im Rennen. Bei GF Agie Charmilles und bei GF Piping Systems gibt es in fast allen Ländern noch Wachstumspotential. Agie Charmilles dürfte mit der Entwicklung von Fräsmaschinen höchster Präzision auch unter schwierigen Marktbedingungen Erfolge erzielen. Piping Sytems ist vor allem auf dem Gebiet der Wasserversorgung der «grüne Arm» von Georg Fischer, der auch bei schwacher Konjunktur expandieren kann.
In welchen Ländern sehen Sie Bedarf, die Präsenz weiter auszubauen?
Bei GF Piping Systems gibt es noch grosse weisse Flecken auf unserer Absatzkarte. Nicht nur in Japan, Korea, Taiwan, Indien oder Nahost und Osteuropa oder der Türkei sehen wir einen beträchtlichen Bedarf, sondern auch in den USA. Denn die Infrastrukturprobleme sind in all diesen Ländern enorm. So müssen zum Beispiel viele Lecks oder veraltete Leitungen ersetzt werden, um Wasserverluste und Wasserknappheit zu vermeiden. Hier gibt es Chancen und Projekte!
«Im Bereich Piping Systems müssen zum Beispiel viele Lecks oder veraltete Leitungen ersetzt werden, um Wasserverluste und Wasserknappheit zu vermeiden. Hier gibt es Chancen und Projekte!»
Welche Bedeutung hat für Sie der Werkplatz Schaffhausen?
Schaffhausen ist das Herz von Georg Fischer und ist gleichzeitig einer der grössten Standorte des Konzerns. Hier befindet sich auch das Forschungs- und Entwicklungszentrum von GF Automotive und GF Piping Systems. Durch die Grenzlage können wir gut qualifizierte Arbeitskräfte aus Deutschland rekrutieren. Die Kleinheit des Kantons hat auch grosse Vorteile, denn die Kontakte sind persönlich und die Entscheidungswege kurz und unbürokratisch.
Gemäss Kredithandbuch der CS wurde GF im Sommer in der Bonität hochgestuft wegen Effizienzsteigerung und konservativer Finanzpolitik. Trotzdem, für ein Unternehmen, das sich überwiegend lokal finanziert, haben sich die Bedingungen in jüngster Zeit verschlechtert?
Durch die hohe Eigenkapitalquote von rund 40% ist Georg Fischer solide finanziert. Wir verfügen über Kreditlinien, mit denen wir alle Fälligkeiten zu erfüllen vermögen. Zwar arbeiten wir schwergewichtig mit Schweizer Banken zusammen, aber wir haben an ausländischen Produktionsstandorten ebenfalls Kreditlinien bei lokalen Banken. Schwierig würde sich derzeit nur die Lancierung einer neuen Obligationenanleihe gestalten. Dafür gibt es unter den vorherrschenden finanziellen Rahmenbedingungen zurzeit einfach keinen Markt.
Der Gesprächspartner
Yves Serra, Jahrgang 1953, ist Franzose und Diplomingenieur der Ecole Centrale de Paris und der University of Wisconsin-Madison. Seit 20. März 2008 leitet er die Georg Fischer AG als Präsident der Konzernleitung. Seit 1998 war er in führenden Positionen der Georg Fischer Töchter Piping Systems und Agie Charmilles tätig. Zuvor arbeitet er als CEO der Sulzer Konzerngesellschaft Hirayama Manufacturing in Japan, wo er auch eine EU Executive Ausbildung absolvierte. Seine Berufslaufbahn begann er als stv. Handelsbeauftragter der französischen Botschaft in Manila. Yves Serra ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Das Unternehmen
Der Georg Fischer Konzern stützt sich auf die drei Kerngeschäfte Fahrzeugtechnik, Rohrleitungssysteme und Fertigungstechnik. Die wichtigste Sparte ist der Fahrzeugbau. GF Automotive produziert hoch beanspruchbare Gussteile aus Leichtmetall und Eisen für leichte Personenwagen und Nutzfahrzeuge. GF Agie Charmilles bildet das zweitwichtigste Standbein Fertigungstechnik. GF Hier werden Systemlösungen für Werkzeugmaschinen angeboten. Die Sparte Rohrleitungssysteme (GF Piping Systems) stellt Kunststoffrohre für die Industrie, Wasserversorgung und Haustechnik her. Georg Fischer erwirtschaftete 2007 mit 12’986 Mitarbeitenden einen Umsatz von 4,5 Mrd CHF.