Jürg Bucher, CEO PostFinance
von Patrick Gunti
Herr Bucher, PostFinance hat mit einem Gewinn von 156 Millionen Franken ein sehr gutes Ergebnis ausgewiesen. Ihr Kommentar?
Auf dieses Resultat bin ich stolz. Es ist PostFinance gelungen, das wirtschaftliche Umfeld optimal zu nutzen. Wir wuchsen wiederum profitabel und setzten unsere Wachstumsstrategie erfolgreich fort. Der Gewinn vor Steuern (EBT) wuchs gegenüber dem Rekordjahr 2007 auf 156,3 Millionen Franken. Angesichts der Finanzkrise stufe ich dieses Ergebnis als hoch ein. Finanzen sind Vertrauenssache. Wir schätzen das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden.
Wie haben Sie diese Zahlen erreicht? Welche Geschäftstätigkeiten waren ausschlaggebend?
Unsere Kundengelder stiegen auf 47 Milliarden Franken an. Dazu beigetragen haben die mittlerweile 2,4 Millionen Kundinnen und Kunden (+3,7 Prozent), der grössere Zinserfolg und die im Vergleich zum Geschäftsertrag etwas weniger stark gestiegenen Kosten. Auch unser Risikomanagement bewährt sich: bisher haben wir die weltweite Finanzmarktkrise gut gemeistert. Dank einer vorsichtigen Anlagepolitik mussten wir bisher wegen der tiefen Börsenkurse einzig auf den Aktienbeständen Wertberichtigungen von 15 Millionen Franken verbuchen.
Wie stark profitiert PostFinance vom schwindenden Vertrauen in die von der Finanzkrise gebeutelten Grossbanken?
Wir betrachten diese Entwicklung ohne Schadenfreude. Es ist sehr wichtig, dass es dem Finanzplatz Schweiz gut geht. Auch wir haben von einer gewissen Skepsis der Sparer und Anleger profitiert. Die vielen Kontoeröffnungen und der grosse Neugeldzufluss sind auch darauf – jedoch primär auf unsere guten Konditionen zurückzuführen. Wir bieten als einziges Schweizer Finanzinstitut 2 Prozent Zinsen auf dem elektronischen Sparkonto. Zudem haben wir zu Beginn des Jahres eine Zinsaktion durchgeführt, bei der wir auf Neugeldern während drei Monaten 4 Prozent Zins angeboten haben.
Und selbst ist PostFinance von der Finanzkrise nicht betroffen?
Ich bin froh, dass PostFinance die Finanzkrise dank einer vorsichtigen Anlagepolitik und einem professionellen Risikoverhalten bisher relativ unbeschadet überstanden hat. Wir haben Wertberichtigungen von CHF 15 Mio. auf den Aktienanalagen vorgenommen. Diese sind aber in keiner Weise mit den Abschreibungen von anderen Finanzinstituten zu vergleichen, es sind Buchverluste.
«Auch unser Risikomanagement bewährt sich: bisher haben wir die weltweite Finanzmarktkrise gut gemeistert.» (Jürg Bucher, CEO PostFinance)
Welche Entwicklung erwarten Sie im weiteren Verlauf des laufenden Geschäftsjahres?
Die Aussichten für den Rest des Jahres sind recht gut – sofern wir keine Verluste im Anlageportefeuille verbuchen und die Kostendisziplin fortsetzen. Ich erwarte ein solides Ergebnis über CHF 300 Mio. Wir haben im ersten Halbjahr wichtige Voraussetzungen für die weiterhin erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens geschaffen. In Zofingen sind Informatik und Produktion in ein topmodernes Gebäude eingezogen. Damit verfügen wir über eine ausfallsichere Informatikinfrastruktur mit zwei Rechenzentren und erhöhen gleichzeitig die Effizienz der Operations Centers. Mit der Schaffung der zwei neuen Abteilungen «Produkte» sowie «Markt und Vertrieb» vergrössern wir die Schlagkraft im Markt und optimieren gleichzeitig interne Prozesse.
Seit Juni finanziert PostFinance die Hypotheken für Privatkunden nicht mehr über die UBS, sondern über die Münchener Hypothekenbank. Was gab den Ausschlag zu Gunsten der Münchener Hypothekenbank und wie hat sich die Zusammenarbeit angelassen?
Bei der Wahl einer Kooperationspartnerin sind immer mehrere Kriterien zu berücksichtigen, so zum Beispiel der Preis, die Erfahrung im Kreditgeschäft sowie eine gute Infrastruktur und bewährte Prozesse. PostFinance hat mit verschiedenen Finanzpartnern im In- und Ausland Lösungen geprüft. Die Münchener Hypothekenbank hat dann das Rennen gemacht, weil sie gut zu uns passt und die oben erwähnten Kriterien bestens erfüllt. Die Zusammenarbeit gestaltet sich bisher sehr gut. Zu Beginn des Jahres haben wir gemeinsam die Prozesse definiert, und seit Juni sind wir operativ tätig.
War die Konkurrenz-Angst bei den Schweizer Banken zu gross, oder weshalb entschieden Sie sich für einen Partner im Ausland?
Wir haben mit verschiedenen Spezialisten im In- und Ausland Lösungen geprüft. Die Auswahl an geeigneten Schweizer Partnern schränkte die Kooperationsmöglichkeiten ein. Bei der Wahl eines Partners war die Herkunft zudem nicht entscheidend. Die Münchener Hypothekenbank ist ein etabliertes Finanzinstitut mit einer soliden Geschäftspolitik. Sie ist eine ideale Partnerin für PostFinance und hat viel Erfahrung im Retailgeschäft.
PostFinance will im Hypothekenmarkt wachsen. Welchen Marktanteil streben Sie – nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit mit der Münchener Hypothekarbank – an?
Längerfristig ist ein Marktanteil von 2 bis 3 Prozent möglich, Davon sind wir heute noch weit entfernt. Der Hypothekarmarkt ist ein wettbewerbsintensiver Markt. PostFinance positioniert sich in diesem Umfeld als Anbieterin mit einem fairen und günstigen Angebot.
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Hätte PostFinance eine Bankenlizenz, bräuchte Sie keinen Partner im Hypothekargeschäft. Sie haben diese Bankenlizenz wiederholt gefordert. In Anbetracht der ausgezeichneten Resultate und dem steten Wachstum bei den Kundenzahlen: Braucht PostFinance die Lizenz wirklich, um wachsen zu können?
In der Tat arbeiten wir heute sehr gut. Wir holen aus den bestehenden engen Rahmenbedingungen wohl das Beste heraus. Eine Bankenlizenz wäre die beste Lösung. Um auch in Zukunft die effiziente Drehscheibe im Zahlungsverkehr zu bleiben, die Kunden bestens bedienen zu können und an Post und Bund die geforderten Gewinne zu liefern, braucht PostFinance gleich lange Spiesse wie die Konkurrenz.
Wo lägen die Vorteile für den Kunden?
Wir hätten einen grösseren Handlungsspielraum und könnten schneller auf Marktveränderungen reagieren. Wir wären in der Produktgestaltung flexibler und attraktiver – so zum Beispiel bei der Preisgestaltung, bei Angeboten im Sparbereich, Hypotheken und Krediten. Die Marge, die wir heute mit Partnern teilen, käme mindestens teilweise den Kunden zu gute.
Das Nein des Bundesrates zu einer Bankenlizenz war ziemlich deutlich. Wie gross schätzen Sie die Chance überhaupt noch ein, das PostFinance die angestrebte Lizenz erhalten könnte?
Dies wird eine grosse Herausforderung auf dem politischen Parkett. Die Bankenlobby ist stark, und kämpft gegen die aufkommende Konkurrentin. Dennoch gibt es etliche Parlamentarier, die die Weiterentwicklung von PostFinance befürworten, nicht zuletzt im Sinne einer Alternative im Schweizer Bankenmarkt. Am Ende entscheiden der Eigner, d.h. der Bundesrat und das Parlament. Die letzten Monate haben gezeigt, dass man die Politik in der Schweiz schwer voraussehen kann.
Welche Möglichkeiten und Alternativen sehen Sie bei einem definitiven «Nein» zur Bankenlizenz, um die Freiheiten von PostFinance im Finanzmarkt zu vergrössern?
Wir sind in den letzten Jahren unseren eigenen Weg gegangen und waren damit erfolgreich. PostFinance nimmt ihre Entwicklung wie bisher selber in die Hand und nützt das Potenzial mit aller Kraft aus, unter anderem mit starken Kooperationspartnern im In- und Ausland.
Letzte Frage und damit noch einmal zurück zur Finanzkrise: Wie beurteilen Sie deren Folgen und welches sind die Lehren, die daraus gezogen werden müssen?
Die Finanzkrise schwächt das Vertrauen der Kunden. Das Risikomanagement darf nicht nur durch mathematische Modelle, sondern muss auch mit Verstand und Vorsicht gesteuert werden. Ich unterstütze die Forderung nach genügend Eigenmittel differenziert nach den jeweiligen Geschäften.
Herr Bucher, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Jürg Bucher – CEO PostFinance, Mitglied der Konzernleitung Post
Geboren am 2.8.1947
Zivilstand: verheiratet, ein Sohn
Wohnort: Wichtrach-Bern
Jürg Bucher hat an der Uni Bern Betriebs- und Volkswirtschaft, Finanzen und Journalismus studiert (lic.rer.pol.) und Zusatzausbildungen in Management, Controlling und Corporate Finance absolviert. 1976 trat er in die damaligen PTT-Betriebe ein und war von 1985 bis 1993 stellvertretender Finanzdirektor und von 1989 bis 1993 Leiter des unternehmensweiten Controllings. Im Sommer 1996 wechselte Jürg Bucher zu PostFinance als stellvertretender Leiter und bis 2001 als Marketingverantwortlicher. Seit 1.1.2003 steht er PostFinance als Leiter vor und ist Mitglied der Konzernleitung Post.