BVG-Mindestzinssatz: Senkung wegen Finanzkrise wahrscheinlich
Wie viel die Senkung betragen soll, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Für eine Senkung um einen ganzen Prozentpunkt auf 1,75% plädiert der Schweizerische Versicherungsverband SVV. Bei den Versicherten und den Vertretern der Arbeitnehmer sorgt diese Position hingegen für rote Köpfe. Doch auch einige Gewerkschafter ziehen eine Senkung nicht in grundsätzliche Zweifel: Die Gewerkschaft Travail.Suisse beispielsweise gibt zu, dass der Satz von 2,75% angesichts der Entwicklung der Finanzmärkte als zu hoch angesehen werden könne.
Gewerkschaften wehren sich gegen weitere Senkung
Unter 2,5% dürfe der Mindestsatz aber nicht fallen, schreibt Travail.Suisse auf ihrer Internet-Seite. Das wäre noch immer der tiefste Wert der letzten drei Jahre. Den historischen Tiefstwert erreichte der Satz im Jahr 2004 mit 2,25%. Vor 2003 lag er während 18 Jahren unverändert bei 4%. Noch hält sich der Bundesrat bedeckt. Die Landesregierung warte die Empfehlung der Eidgenössischen BVG-Kommission ab, bevor er sich entscheide, sagte Katja Zürcher, Sprecherin des Eidg. Departements des Innern (EDI) von Bundesrat Pascal Couchepin.
Empfehlungen auf September in Aussicht gestellt
Die Kommission, in der die Sozialpartner, Behörden und Vorsorgeeinrichtungen vertreten sind, stellte ihre Empfehlung für September in Aussicht. Wegen der unsicheren Lage an den Finanzmärkten lässt sie sich drei Monate länger Zeit als üblich. Es wäre aber auch keine Überraschung, wenn der Entscheid erst im Oktober fallen würde, sagte Zürcher weiter. Diese Verzögerung sei gerechtfertigt, sagte Werner Hug, Spezialist für Sozialversicherungen bei der Nachrichtenagentur AWP. Die ideale, jedoch rein theoretische Lösung wäre nach ihm, wenn der Satz erst im nächsten Jahr bestimmt würde.
Unsichere Verhältnisse
Im Moment häufen sich die Unsicherheiten bei allen Grössen, die die Bestimmung beeinflussen. Niemand weiss, wie sich der Arbeits-, der Immobilien- und der Kapitalmarkt oder auch die Inflation entwickelt. Der Schweizer Börsenindex SMI verlor in etwas mehr als 13 Monaten fast ein Drittel seines Wertes. Die Rendite der siebenjährigen Bundesobligationen erreicht aktuell 2,9%. Damit liegt sie höher als vor einem Jahr, als die Landesregierung entschied, den Mindestsatz von 2,5 auf 2,75% zu heben.
System der Zinssatz-Festlegung in der Kritik
Bei den Versicherern stösst das System der Zinssatz-Festlegung auf Kritik. Immer wieder führe der politische Entscheidungsprozess zu einer systematischen Übertreibung, sagte Beat Krieger vom SVV. Transparenter wäre nach Krieger eine fixe mathematische Formel, die sich an der Rendite der Bundesobligationen orientiert. So begründet er auch die Forderung für eine Senkung auf 1,75%. Im letzten Jahr hatte der Bundesrat mit Verweis auf die Volatilität der Aktienmärkte nur eine minimale Anhebung des Satzes beschlossen. Der Mindestsatz müsse vorsichtig festgelegt werden, da er für die Kassen auch anwendbar sein müsse, begründete Innenminister Couchepin damals.
Offenere Bundesrats-Ohren für Versicherer?
Bisher habe der Bundesrat die Tendenz gehabt, den Bedürfnissen der Versicherer eher zu folgen als jenen der Versicherten, sagte Hug von AWP. Allerdings spiegle die Berechnung des Bundesrats dennoch die wirtschaftliche Realität besser als die Vorschläge der Versicherer. Der Mindestzinssatz betrifft nur die Guthaben des obligatorischen Teils der zweiten Säule. Für das restliche Altersguthaben sind die Vorsorgeeinrichtungen frei, eine andere Vergütung festzulegen. (awp/mc/ps/16)