SVP gegen Widmer-Schlumpf: Rauswurf der Bündner Kantonalpartei rückt näher

Der definitive Ausschlussentscheid soll am 1. Juni an einer ausserordentlichen Sitzung des Zentralvorstandes fallen. Dabei soll der SVP Graubünden noch einmal rechtlich Gehör geboten werden. Nach dem Entscheid beginnt eine 30-tägige Rekursfrist. Der endgültige Entscheid soll die Delegiertenversammlung am 5. Juli treffen. Der formelle Entscheid, ein Ausschlussverfahren einzuleiten, fiel nach einer eineinhalbstündigen, «lebhaften und konstruktiven» Diskussion, wie SVP-Präsident Toni Brunner vor den Medien in Zürich sagte. An der Sitzung nahmen 97 der 115 Mitglieder des Zentralvorstandes teil. 84 stimmten dafür, 13 dagegen.


Bündner SVP nicht überrrascht
Die Bündner SVP sei nicht überrascht über den Entscheid des SVP-Zentralvorstands, von der Klarheit des Resultats sei er aber enttäuscht, sagte der Bündner SVP-Interimspräsident Ueli Bleiker auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Er habe gehofft, dass die notwendige Zweidrittelsmehrheit nicht erreicht werde. Bleiker selber war an der Sitzung zugegen. Die Stimmung sei zwar klar gegen die SVP Graubünden gerichtet gewesen, es habe aber eine «saubere Diskussion» stattgefunden. Jeder habe seine Meinung äussern können. «Auch wir haben unsere Meinung geäussert. Alles ist absolut korrekt abgelaufen.»


Bemühungen hinter den Kulissen
Die Bündner SVP werde sich dem Ausschlussverfahren am 1. Juni stellen. «Wir werden uns vorbereiten.» Die Sektion werde aber auch weiter mit den Entscheidträgern in Graubünden diskutieren, welche anderen Möglichkeiten es jetzt noch gebe und ob es überhaupt noch solche gebe. Während die SVP Schweiz den Ausschluss der Bündner Sektion vorantreibt, laufen hinter den Kulissen nach wie vor Bemühungen, das Äusserste zu verhindern. So gehen Vertreter der Berner SVP offenbar gezielt Exponenten der Bündner SVP an. Ziel ist es, Eveline Widmer-Schlumpf zu überreden, die Partei von sich aus zu verlassen.


«Den Anruf durfte man so verstehen»
Einen entsprechenden Anruf erhalten hat beispielsweise die Bündner SVP-Regierungsrätin Barbara Janom Steiner. Das Anliegen sei zwar nicht direkt benannt worden, aber «den Anruf durfte man so verstehen», bestätigte die ehemalige SVP-Kantonalpräsidentin einen Bericht der «Südostschweiz» vom Samstag. Ob noch weitere Mitglieder der Bündner Sektion angegangen worden seien, wisse sie nicht. Klar sei aber, dass sie ein solches Gespräch nicht führen werde, sagte Janom Steiner weiter. «Die Partei hat sich ganz klar hinter Eveline Widmer-Schlumpf gestellt.»


Parteimitgliedschaft von Bundesräten sistieren?
Er habe «mit Erstaunen» von solchen Anrufen Kenntnis genommen, sagte Ueli Bleiker, Interimspräsident der Bündner SVP, auf Anfrage. Er selber habe keinen Anruf erhalten. «Ganz sicher handelt es sich dabei nicht um offizielle Gespräche.» Der Berner SVP-Nationalrat Hans Grunder wollte zu diesem Sachverhalt auf Anfrage keine Stellung nehmen. Immerhin finden sich in der Bündner SVP auch Stimmen, welche einen Parteiaustritt von Eveline Widmer-Schlumpf begrüssen. Bundesräte und Bundesrätinnen sollten nach ihrer Wahl ihre Parteimitgliedschaft sistieren, sagte Ständeratspräsident Christoffel Brändli (SVP/GR) in einem Interview mit dem «Sonntag».


Signal setzen
Diese Auffassung werde zwar von der Leitung der SVP Schweiz nicht geteilt. Die SVP-Spitze möchte, dass die Parteipolitik in den Bundesrat getragen werde, sagte Brändli. Vielleicht könnte nun Eveline Widmer-Schlumpf ein Signal setzen, das der ganzen Regierung mehr Unabhängigkeit und Zusammenhalt verschaffe. Brändli zweifelt, dass eine neue Partei aus Bündner und Berner SVP-Exponenten Erfolg hat. Neue Gruppierungen könnten nur erfolgreich sein, wenn sie auch auf schweizerischer Ebene Bedeutung erlangen. (awp/mc/ps)

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