Steueraffäre: Schweiz in den Strudel geraten

Deutsche Politiker verschärften ihre Drohungen gegenüber Steueroasen, wie sie die Schweiz eine sein soll. Bundesrat Merz zeigt indes Gelassenheit. «Es geht nicht nur um Liechtenstein. Wir reden auch über die Schweiz, über Luxemburg oder über Österreich», sagte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück in einem Interview. «Wir wollen den Steueroasen in Europa den Kampf ansagen.» Bislang waren erst die Zwergstaaten Andorra und Monaco im Visier gewesen. Man müsse erreichen, dass mit Hilfe von liechtensteinischen Stiftungen keine Steuern mehr hinterzogen werden könnten, sagte Steinbrück.


«Fluchtburg für Steuersünder»
Steinbrücks Vorgänger Hans Eichel warf der Schweiz und Liechtenstein vor, deutsche Kriminelle zu schützen. Das Bankgeheimnis sei eine Einladung für Ausländer, Steuern zu hinterziehen, sagte Eichel. «Damit werden Sie ohne Not zur Fluchtburg für Steuersünder.» «Das Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz und anderen funktioniert nicht», sagte Eichel. Die zurückgeflossenen Beträge seien lächerlich. «Als weitere Reaktion auf den Steuerskandal wird die EU nun wohl verstärkt darauf drängen, dass auch die Schweiz den Informationsaustausch gemäss OECD-Standard einführt.» Auch Steinbrück drohte mit Sanktionen: «Ich denke an die Möglichkeit, den Geschäftsverkehr mit Liechtenstein deutlich zu erschweren.»


Merz: «Unser Bankgeheimnis hat sieben Leben»
Die offizielle Schweiz zeigte sich gelassen: Er habe ein gewisses Verständnis für die Suche nach Steuersubstrat, sagte Bundesrat Hans-Rudolf Merz. «Aber unser Bankgeheimnis hat sieben Leben.» Im internationalen Vergleich habe sich das bewährt. Die Steuermoral in der Schweiz sei sehr hoch. Falls der Angriff auf das Bankgeheimnis gelänge, wäre es eine völlige Illusion zu glauben, das Geld fliesse dann den EU-Staaten zu, sagte Merz: «Es gäbe vielmehr eine Abwanderung nach Singapur und Dubai oder in Steuerparadiese wie die Cayman-Inseln.»


«Schweiz keine Steueroase»
Die Schweiz dürfte nach Ansicht von Merz nicht ins Visier deutscher Steuerfahnder geraten. Deren Attacke richte sich gegen die Stiftungen des Fürstentums. Solche Konstruktionen kenne man in der Schweiz nicht. Trotz der Gelder liechtensteinischer Stiftungen auf hiesigen Konten sei es ja nicht die Schweizer Bank, die den Steuerbetrug begehe oder die Steuerflucht schütze, sagte Merz. Sondern es sei die Stiftung nach Liechtensteiner Recht.  Den Vorwurf der Steueroase wies Merz zurück: Denn die Schweiz habe Doppelbesteuerungsabkommen mit allen europäischen Ländern, in denen alle Steuerfragen klar geregelt seien.


Müssen auch Bürger ausserhalb Deutschlands zittern?
Derweil zieht die Steueraffäre immer weitere Kreise: Auch britische Fahnder sollen sich durch einen bezahlten Informanten in Liechtenstein Bankdetails von 100 Steuerflüchtlingen beschafft haben. Auch Bürger anderer Länder müssen zittern: Gemäss dem deutschen Finanzministerium befinden sich auf der gestohlenen Daten-CD mit «hoher Wahrscheinlichkeit» auch Kundendaten aus anderen Ländern. Diese Informationen würden jederzeit im Rahmen der Rechtshilfe auch an die betroffenen Länder weitergeleitet. Anfragen habe es bereits aus Finnland, Schweden und Norwegen gegeben.


Weitere Kundendaten
Die deutschen Ermittler verfügen inzwischen nicht mehr nur über die Kundendaten der LGT-Bank, sondern mindestens einer weiteren Bank aus dem Fürstentum. Bisher war nur bekannt, dass die Fahnder über eine Datei der Fürstenbank LGT Group verfügen. Um welche Bank es sich handelt, blieb im Dunkeln. Ein Behördensprecher schloss lediglich aus, dass das Belastungsmaterial die Liechtensteinische Landesbank (LLB) betreffe. (awp/mc/ps)

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