Patrick Hohmann, Co-Geschäftsführer Remei AG
von Patrick Gunti
Herr Hohmann, die Remei AG feiert im kommenden Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Mit welchem Ziel haben Sie das Unternehmen 1983 gegründet?
Ursprünglich wollte ich nichts anderes als mich selbständig machen und einen Garnhandel betreiben. Dabei war ich einerseits in meiner Eigenschaft als Textilingenieur beratend tätig, andererseits sorgte ich als Händler für den Verkauf der Produkte aus Afrika, Indien, Brasilien und anderer Länder.
Mittlerweile gilt die Remei AG als Musterunternehmen, wenn es um die Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit als Zukunftsimpuls für das Wirtschaftsdenken geht. Welches ist Ihre persönliche Motivation dahinter?
Aufgewachsen in Ägypten und Sudan hatte ich schon immer eine besondere Beziehung zu Afrika oder besser gesagt zu anderen Volksgruppen. Ebenfalls interessierte ich mich sehr für soziale Fragen wie auch für die Umwelt. Die Frage, die mich besonders bewegte war: wie können wir den Menschen überall auf dieser Welt eine gerechte Lebenschance bieten?
Die Remei AG bemüht sich, bei der Textilproduktion die gesamte Wertschöpfungskette von Baumwollproduzenten, Spinnereien, Strickereien, Färbereien und Nähereien auf Nachhaltigkeit umzustellen. Welche Kriterien umfasst das bioRe® Qualitätssiegel?
Die Kriterien umfassen: den ökologischen Anbau, die Fairness, die Ökologie in der industriellen Verarbeitung, die Qualität des Produktes und die Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette.
Was heisst das konkret in der täglichen Produktion für die Menschen und ihre wirtschaftliche Situation einerseits, für die Umwelt andererseits?
Konkret bedeutet es für die Menschen, dass man im Anbau der Erde Dankbarkeit entgegenbringt und vernünftig mit ihr umgeht. Mit Fairness wollen wir, dass man mit den Menschen würdig umgeht und Ihnen ein Recht auf geordnete Arbeit und geordnete Entlöhnung anbietet. Mit Ökologie wollen wir die Umwelt respektieren und nicht unnötig belasten. Mit Qualität wollen wir zeigen, dass wir unser Bestes tun um Kundenbedürfnisse zu erfüllen und mit der Transparenz wollen wir sicherstellen, dass unsere Aussagen mit unserem Handeln übereinstimmen.
«Die Frage, die mich besonders bewegte war: wie können wir den Menschen überall auf dieser Welt eine gerechte Lebenschance bieten?» (Patrick Hohmann, Co-Geschäftsführer Remei AG)
1991 haben Sie in Indien das erste Biobaumwollprojekt bioRe®India gestartet. Was als Experiment begann, um den Baumwollproduzenten eine nachhaltige Existenzgrundlage zu sichern, ist eine Erfolgsgeschichte für Remei, die Produzenten aber auch Sie persönlich geworden. Wo steht das Projekt heute?
Als wir das Projekt 1991 starteten, war es mehr als Hobby gedacht mit einem sozialen Impuls. Heute, nach vielen zum Teil schwierigen Jahren, ist diese Initiative zu unserem Geschäft geworden. Zum 25-Jahr-Jubiläum wird unsere Firma das ganze Geschäft auf Bio und Fairness umgestellt haben. Alle Produkte sind jetzt umgestellt. Wir suchen zurzeit verstärkt noch die Wirtschaftlichkeit, um diese Bewegung nachhaltig zu verankern.
Welche Bereiche umfasst das Projekt?
Zum einen ist es die ganze Textile Kette, vom Anbau bis zum fertig gestellten Kleidungsstück. Diese Kette stets sauber kontrolliert und effizient arbeitend. Zum anderen ist es der Bio Anbau wo wir es uns zum Ziel gemacht haben unseren Bauern ein besseres Einkommen zu vermitteln. Unser Ziel ist innerhalb der nächsten 10 Jahre eine doppelte Kaufkraft für die Bauern zu erreichen.
Können Sie uns die sozioökonomischen Folgen schildern?
Sichtbar werden die sozioökonomischen Folgen in der Verschuldungsrate der Bauern. Gemäss unseren Erkenntnissen können die Bauern innerhalb von drei Jahren schuldenfrei die nächste Saison angehen. Wir betrachten dies als den grossen Indikator.
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Inwieweit kann ein Projekt bioRe®India den Menschen in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien Zeichen sein, nicht unbedingt die gleichen Fehler im Umgang mit der Umwelt zu machen, wie das die Industrienationen gemacht haben?
In diesem Punkt sollten wir uns keine Illusionen machen. Die Menschen im aufstrebenden Indien haben die gleichen Ziele wie wir. Sie werden ebenfalls ähnliches anstreben und bedauerlicherweise die Welt eher noch mehr als weniger belasten. Wir sehen es als unsere Aufgabe, unser Bestes zu leisten und hoffen ein Beispiel zu sein. Sollte es uns gelingen, nachhaltig unsere Ideen zu verankern, dann werden sicher weniger Fehler geschehen. Fehler geschehen trotzdem.
Wie weit ist bioRe®Tanzania mit bioRe®India vergleichbar?
Es sind 2 Kontinente, 2 Länder, 2 Kulturen, vieles ist ähnlich, vieles ist anders, die Lebenseinstellungen sind verschieden und jedes dieser Projekte braucht seine Lösung. Die Gleichstellung betrachte ich als Problem was die Kulturen und Aufgabenbereiche angeht. Gleich sind letztendlich nur die Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um die Biorichtlinien zu gewährleisten.
Sie haben zusammen mit COOP 2006 den Swiss Award for Business Ethics erhalten. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnung, die ja nicht die erste ihrer Art ist?
Grundsätzlich bewerben wir uns nur, wenn wir angefragt werden. Die Anfrage ist für uns bereits eine Ehre. Für unsere Mitarbeiter weltweit ist ein solcher Preis ein wichtiger Moment der Identifikation. Gerade wenn man versucht, Grenzen zu überschreiten wartet, auf der anderen Seite Mühsal. Es braucht also Kraft und Mut. Und ein solcher Preis verleiht einem Flügel mit dem der Eine oder Andere kontrollierte Schritt vorgenommen werden kann.
«Mit COOP durften wir eine Partnerschaft entwickeln, die seinesgleichen sucht.» (Patrick Hohmann)
Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit COOP?
Ohne COOP wären wir niemals da wo wir jetzt sind. Mit COOP durften wir eine Partnerschaft entwickeln, die seinesgleichen sucht. COOP hat uns dank ihrer nachhaltigen Strategie die Türen zum Erfolg geöffnet, wobei er gleichzeitig Innovation an Innovation forderte. Wir sind diesen Weg gerne gegangen, auch wenn er manchmal schwierig war.
Wie viele Kleidungsstücke aus Ihrer Produktion werden jährlich abgesetzt?
Wir selber produzieren in etwa 2 Millionen Teile, aus unserer bioRe Baumwolle werden jährlich mehr als 10 Millionen Teile hergestellt. Diese werden inzwischen weltweit vertrieben.
Welchen Stellenwert hat die Biobaumwoll-Produktion heute auf dem Weltmarkt?
Die Biobaumwollproduktion wächst rasant, weil die Nachfrage so stark ist. 2005 betrug der weltweite Umsatz in Biobaumwolle ca. 580 Millionen Dollar. Die Organisation Organic Exchange in Amerika schätzt, dass der aktuelle Umsatz in 2007 sich verdreifacht hat und erwartet für 2010 eine weitere Vervierfachung – also etwa 7 Milliarden Dollar. Nachdem neben COOP weitere Grossverbraucher wie Nike oder Wal Mart, Marks and Spencer und H&M eingestiegen sind, glauben wir, dass diese Vorausschau durchaus real werden könnte und wir eine grosse Nachfrage erleben werden.
Herr Hohmann, herzlichen Dank für das Interview.
Zum Unternehmen
Die Remei AG bringt Sozialverträglichkeit und Nachhaltigkeit als Zukunftsimpuls in sein Wirtschaftsdenken ein. Ökologische und soziale Probleme in der Textilkette werden konsequent angegangen. Seit der Firmengründung 1983 bemüht sich die Remei AG die Wertschöpfungskette von Baumwollproduzenten, Spinnereien, Strickereien, Färbereien und Nähereien kontinuierlich auf eine nachhaltige Kette umzustellen. Seitdem wird nach den fünf Grundsätzen Biologisch, Fairness, Ökologisch, Qualität und Transparenz produziert. 1991 startete die Remei AG mit dem ersten Biobaumwollprojekt bioRe® Indira Ltd. in Indien. Danach folgte 1994 das zweite bioRe® Projekt in Tansania. Inzwischen geniessen durch die Projekte in Indien und Tansania über 9.500 Kleinproduzenten stabilere Ernten und eine stärkere finanzielle Sicherheit.
Zur Person:
Patrick Hohmann wurde in Ägypten geboren und ist im Ausland aufgewachsen. Nach seinem Studium als Textilingenieur war er hauptsächlich im Garnhandel und im Aufbau von internationalen Textilprojekten engagiert. Im Jahre 1983 gründete er als Geschäftsführer die Garnhandelsgesellschaft Remei AG, in Rotkreuz.