Seedamm Kulturzentrum: Picasso
Das erste Werk der Ausstellung «le repas frugal» von 1904 steht am Anfang dieses 3000 Blätter umfassenden Druckgrafik-Werkes. Es entsteht, als sich Picasso bereits mit seiner ersten Pariser Ausstellung und der anschliessenden Stilphase der blauen Periode einen gewissen Namen gemacht hat. Den malerisch-plastischen Stil zur Wiedergabe dieses Paares, den in seiner Umgebung vorgefun-denen Outsidern, wird er bald aufgeben zugunsten eines linearen Stils. Er hat sich mit dem Kupferstich, der Radierung, der Aquatinta und weiteren Tiefdrucktechniken bis in die zwanziger und dreissiger Jahre beschäftigt. Dreimal hat der Galerist und Verleger Ambroise Vollard eine grössere Anzahl von Platten zu einem Zyklus zusam-mengefasst und ediert, so die Saltimbanques, die Suite zu Balzacs «L’oeuvre inconnu» und schliesslich die berühmten hundert Blätter der Suite Vollard, entstanden zwischen 1930 und 1937, herausgegeben 1939, kurze Zeit vor dem Tode des Verlegers, den Picasso in der Suite selbst porträtiert hat. Von dieser Suite ist in unserer Ausstellung ein Viertel der Blätter zu sehen. In den 40er und 50er Jahren zog der Künstler die Lithografie den Tiefdrucktechniken vor. Ab 1960 experimentierte er auf ganz neue Weise mit dem mehrfarbigen Linolschnitt.
Sprengel Museum Hannover |
Das ewige Thema «der Maler und sein Modell»
Beim Eintritt in die Ausstellung gegenüber dem Eingang steht der Besucher zuerst dem Schaffen des bereits über 80-jährigen Künstlers gegenüber, dem Thema «Maler und Modell», das in weiteren Schaffensabschnitten wiederkehrt. Im Raum zur rechten Seite durchlaufen wir die zwanzig ersten Schaffensjahre in Paris. Wir sehen Fernande Olivier, die erste grosse Liebe des Künstlers. Zwanzig Jahre später zeigt Picasso in seiner Kaltnadelradierung «Mutterschaft» von 1924 seine Ehefrau Olga Khoklova, die den zweieinhalbjährigen Sohn Paulo auf dem Schoss hält. Picasso führt jetzt ein beinahe schon bürgerliches Leben, hat die Zeit des Kubismus hinter sich gelassen und entwickelt das sogenannte klassizistische Werk der 20er Jahre.
Witzige Paraphrasen der Kunst
Die Ausstellung ist nicht streng chronologisch aufgebaut. Sie gruppiert die Themen in verschiedenen Zeitabschnitten, z.B. die Stillleben der 40er und diejenigen der 60er-Jahre, den Stierkampf in der berühmten Folge von 28 Radierungen und den Linolschnitten der 60er Jahre. Paraphrasen der Kunst zu Cranach und Manet finden wir von Ende der 40er bis anfangs 60er Jahre zusammen gruppiert. Zweimal sieben Porträts zeigen zunächst Françoise Gilot ganz frontal und dann in einer markant anderen Darstellungsweise Jacqueline Roque im seitlichen Profil und als Dreiviertel-Porträt. In den späten Grafiken von 1968 verschmelzen Gauklerthema sowie Maler und Modell. Nicht die intime Ateliersituation ist es jetzt, man denkt eher an eine Jahrmarktszene. Darin meist nur klein der bereits 87-jährige Künstler, in ironischer Selbstdarstellung, daneben übergross die Akrobatinnen, Tänzerinnen und Clowns. Wiederholung und technisch-gestalterische Neufindung machen das Werk so spannend. Man wird diese Ausstellung nicht kunsthistorisch linear betrachten dürfen, sondern als abwechslungsreich und technisch vielfältig abgewandeltes Wiederkehren der gleichen Grundthemen. Die Frau und der Stierkampf sind die alles überragenden Motive seiner Kunst, die in immer neu variierter Form erotische Spannung ausstrahlen. Der Künstler als Minotaurus aus der antiken Sagenwelt und als Stier in der Arena, als Maler gegenüber der Frau als Torero, Akt-Modell, Mutter, Partnerin und Geliebte.
Dass neben der Druckgrafik 20 Originalwerke, darunter 13 Oelgemälde aus jedem Schaffensjahrzehnt gezeigt werden, erlaubt einen Vergleich zwischen Malerei und Druckgrafik. (sk/mc/th)