Strommarkt-Abkommen Schweiz-EU: Positionen liegen weit auseinander

«Wir haben mit dem Stromversorgungsgesetz eine eigene Gesetzesgrundlage», betont Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie und Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation, gegenüber der SDA.


Hauptanliegen ist die Versorgungssicherheit
«Wir wollen kein Gesamtpaket der EU übernehmen, das sich laufend weiter entwickelt. Wir wollen einen Vertrag, um die für beide Seiten wichtigen Anliegen zu regeln. Hauptanliegen ist die Versorgungssicherheit im liberalisierten Umfeld», fügt er an. Es sei übrigens die EU gewesen, die nach dem Blackout in Italien 2003 mit einem Verhandlungsbegehren an die Schweiz herangetreten sei.

Integration des Schweizer Strommarkts
Ziel der Europäischen Union ist jedoch auch die Integration des Schweizer Strommarkts in den EU-Markt. In der EU sind die Regeln für den grenzüberschreitenden Stromhandel harmonisiert.


Diskriminierungsfreier Netzzugang
Zudem gilt der diskriminierungsfreie Netzzugang und somit die Wahlfreiheit für Grosskunden wie für Haushalte. Soweit ist die umstrittene Liberalisierung in der Schweiz noch lange nicht – was das Aushandeln der Bedingungen für den beidseitigen Marktzugang nicht erleichtert.


Hauptproblem ist die Marktöffnung der Stromtransit-Netze
Ein Hauptproblem ist die Marktöffnung der Stromtransit-Netze. Der Bund unterstützt hier die Elektrizitätsbranche. Diese will ihre Investitionen und Profite sichern: Sie verlangt, dass die Langfristverträge mit dem französischen Energiekonzern EdF weiter gelten und diese Stromlieferungen einen privilegierten Netzzugang erhalten – was dem gleichen Marktzugang für alle widerspricht. Sonst würde der Strom teurer, warnte Swisselectric bereits vor Jahresfrist. Auch die EU-Staaten erhielten für die Auflösung entsprechender Verträge Übergangsfristen. Doch die Verträge der Schweizer E-Werke laufen nach Branchenangaben teilweise bis weit über 2020.


Einhaltung des Wettbewerbs kontrollieren
Zudem geht es darum, wie die Einhaltung des Wettbewerbs kontrolliert wird. Eine Integration in den EU-Markt würde dazu führen, dass staatliche Beihilfen nach EU-Regeln erfolgen müssten. Dies ist umso heikler, da das Abkommen möglicherweise ein Zusatzprotokoll zum Freihandelsabkommen (FHA) wird. Und damit würde die Schweiz beim Strommarkt akzeptieren, was sie im gleichen Abkommen derzeit beim Steuerstreit vehement ablehnt: die EU-Interpretation von staatlicher Beihilfe.


Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien
Das bilaterale Abkommen soll auch den Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien (Anerkennung der Zertifikate für grünen Strom) regeln. Allerdings hat die Schweiz bisher erst das Ziel, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 um 10% zu erhöhen. Konkrete kurzfristigere Ziele, wie sie die EU kennt, fehlen bislang.


Kantone wehren sich gegen neue Umweltvorschriften
Zudem wehren sich die Kantone dagegen, dass ihnen sozusagen durch die Hintertür via EU neue Umweltvorschriften aufgebürdet werden. Die Kantone sitzen bei den Verhandlungen mit am Tisch. Allerdings verlautete, dass nicht alle ihre Vorstellungen im Schweizer Mandat Einlass fanden.


Auf Erfolg gesetzt
Trotz all dem setzen sowohl die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren wie auch Steinmann auf Erfolg. «Europa ist auf eine gut funktionierende Stromdrehscheibe Schweiz angewiesen», betont er. Und ergänzt: «Ökonomisch gesehen ist nur die Frage, ob wir wie im bisherigen Rahmen davon werden profitieren können.» (awp/mc/ab)

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