Roland Buri, Leiter Abwicklung Anlageprodukte ZKB: «Bereits im ersten Jahr konnten – bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität – Einsparungen von 11% erreicht werden.»
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Buri, seit dem 3. Januar 2006, wickelt die ZKB ihr Wertschriftengeschäft über das Avaloq Banking System ab. Mit einem der grössten IT-Projekte in der Geschichte der ZKB wurden 23 bestehende Applikationen durch die Standardsoftware von Avaloq abgelöst. Was waren die ursprünglichen Gründe für den Entscheid zu diesem Projekt und welche konkreten Ziele waren damit verbunden?
Roland Buri: Die Gründe für den Start des Projekts waren vielfältig: Die grosse Anzahl der zwischen 1970 und 1997 erstellten Wertschriftensysteme führte zu einer grossen Komplexität und zu hohen Kosten im Betrieb. Zusätzlich war die Reaktionszeit, um neue Produkte auf den Markt zu bringen, ungenügend (Time to Market). Mögliches Wachstumspotential konnte wegen der fehlenden Mandantenfähigkeit und der vielfältigen Systemlandschaft nicht ausgeschöpft werden. Funktionale Mängel, wie die fehlende doppelte Buchhaltung oder unvollständige Prüfspuren haben zu zunehmenden Risiken geführt. Die Implementierung von Anpassungen aufgrund von extern indizierten Veränderungen konnten nur mit grossem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisiert werden. Eine Individualisierung auf Kundenseite war teilweise gar nicht mehr möglich. Aus diesen Schwachpunkten haben wir unter anderen die folgenden strategischen Ziele abgeleitet:
- Stückkostensenkung um 10-15 % innerhalb von drei Jahren nach Einführung
- Neue Produkte/Innovationen innerhalb von 20 Tagen operativ
- Individuelle Preisabbildungen möglich
- STP-Rate (Straight-Through-Processing) >98 % und volumenresistent
- Mandantenfähige Lösung
- Systemvielfalt um mindestens drei Applikationen reduziert
- Skalierbarkeit auf das Fünffache des bestehenden Volumens ausgelegt
Welche Ziele wurden aus heutiger Sicht in welchem Ausmass erreicht?
Die Ziele konnten fast ausnahmslos erreicht oder sogar übertroffen werden. Statt drei wurden 23 Applikationen abgelöst, das hohe Straight-Through-Processing erlaubt es beispielsweise, dass unsere Kunden 20 Sekunden nach der Eingabe bereits eine Ausführung ihres Börsenauftrages per SMS bekommen können. Auch die angestrebten Kostenreduktionen konnten bereits frühzeitig erreicht werden.
«Der Gesamtaufwand für das Projekt betrug 54’000 Personentage. Die Berechnung des ROI spiegelt sich im Ziel für die Stückkostensenkung (10 – 15 %) wieder. Dies setzt sich zusammen aus Einsparungen im IT-Betrieb und -Support aber auch in Einsparungen im Fachbereich. Bereits im ersten Jahr konnten -bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität- Einsparungen von 11 % erreicht werden.» Roland Buri, Leiter Abwicklung Anlageprodukte ZKB
Wie sind Sie bei Ihrem Auswahlverfahren vorgegangen und was hat am Schluss den Ausschlag gegeben für den Entscheid zugunsten des Avaloq Banking Systems gegeben?
Aufgrund einer umfangreichen Evaluation, basierend auf operativen Geschäftsfällen, wurde die Funktionalität von verschiedenen Anbietern auf Herz und Nieren geprüft. Mit einer umfassenden Nutzwertanalyse zwischen den auf der Shortlist verbliebenen Anbietern wurden neben den oben angesprochenen Zielen weitere Aspekte wie die Technologie, die Vertragsbedingungen oder Lizenzen durch ein Team von Spezialisten und Managementvertretern bewertet. Den Ausschlag für Avaloq gaben primär die Ausbaubarkeit, die Flexibilität und die Skalierbarkeit. Funktional liess das Avaloq Banking System kaum Wünsche offen.nbsp;
Wie sah die Projektorganisation aus, wer hat hier welche Aufgaben übernommen und wie ist das Projekt zeitlich abgelaufen?
Die Projektorganisation war geprägt durch ein Co-Leading von Fachbereich (Programmleiter) und IT (Projektleiter). Diese Philosophie hat sich über alle Teams durchgezogen. Externe Spezialisten von verschiedenen Anbietern wurden gezielt selektiert und eingesetzt. Sie waren eine willkommene Ergänzung zu den internen Ressourcen. Die Avaloq-Vertreter fingierten innerhalb der ZKB primär als Project-Coachs und als Bindeglied zu den Entwicklern in Avaloq. Die Implementierung und Anbindung an die bestehenden Systeme, wie zum Beispiel das Frontend oder die Handelssysteme wurden durch die ZKB Informatik durchgeführt. In den Spitzenzeiten waren bis zu 250 Mitarbeitende für das Projekt tätig. Aus dem Fachbereich wurden über die gesamte Projektdauer bis zu 20 ausgewiesene Spezialisten und Linienverantwortliche in das Projekt delegiert, welche nach der efolgreichen Einführung auch wieder verantwortungsvolle Rollen in ihren angestammten oder in einem neuen Bereich übernommen haben. In der abschliessenden Testphase waren über 50 Fachbereichsvertreter im Einsatz
Die verschiedenen Projektphasen können wie folgt aufgegliedert werden:
- November 2002 bis Mai 2003: Evaluation, Proof of Concept, Skalierungstest und Produktentscheid
- Mai 2003 bis April 2004: High Level Design, Prototyping, Schnittstellendefinition. Iterativer Entwicklungsprozess mit thematischen Schwerpunkten (Cluster).
- Mai 2004 bis Mitte 2005: Durchgängige Basisgeschäfte anhand von Use Cases, schrittweise Weiterentwicklung und Vollausbau
- Ab Mitte 2005: Fachtests (inklusive mehrerer Generalproben), Migrations- und Performance-Tests, Einführungsvorbereitung
- Ab 3. Januar 2006 erfolgreiche Live-Schaltung des Avaloq Systems
$$PAGE$$
Wie beurteilen Sie den Projektverlauf, was lief gut, was würden Sie im Nachhinein anders machen?
Das Projekt wurde – mit wenigen funktionalen Abstrichen – zeitgerecht und im Rahmen des vorgegebenen Budgets eingeführt und kann somit durchwegs als Erfolg bezeichnet werden. Dies hat uns auch die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) attestiert, wurden wir doch als Preisträger beim GPM-Award ausgezeichnet.
Als wesentliche Erfolgsfaktoren können folgende Punkte herausgehoben werden:
- Fach und IT als kompaktes Team mit einer Stimme
- Business trägt Verantwortung, klare Leadership
- Adressatengerechte Kommunikation
- Ausgebautes Qualitätsmanagement (Fokus nicht nur auf Testdurchführung)
- Kurze Entscheidungswege
- Geschäftsleitung als Fahnenträger
Heute kann gesagt werden, dass auch die qualitative Zielerreichung nicht nur auf die Benutzer und Kunden durchschlägt, selbst mit den Lieferanten konnten aufgrund der neuen Basis die Leistungsvereinbarungen und -erbringung verbessert werden. Angesichts der erfolgreichen Einführung und des heutigen stabilen Betriebs gibt es wirklich wenig, was wir besser hätten machen können.
«Die Skalierung von durchschnittlich 40’000 Transaktionen/Tag (Spitze bei über 200’000 Transaktionen/Tag) mit 38’000 erfassten Valoren kann mit dem Avaloq Banking System auf die fünffache Menge gesteigert werden, was Raum lässt für das zukünftige Wachstum.»
Da die Migration der Wertschriftensysteme auf das Avaloq Banking System eines der grössten Projekte der ZKB Informatik war, dürften auch die Kosten erheblich gewesen sein. Wie hoch waren diese, welchen Return on Investment (ROI) haben Sie für das Projekt kalkuliert und welche sichtbaren Einsparungen konnten schon erzielt werden?
Der Gesamtaufwand für das Projekt betrug 54’000 Personentage. Die Berechnung des ROI spiegelt sich im Ziel für die Stückkostensenkung (10 – 15 %) wieder. Dies setzt sich zusammen aus Einsparungen im IT-Betrieb und – Support aber auch in Einsparungen im Fachbereich. Bereits im ersten Jahr konnten – bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität – Einsparungen von 11 % erreicht werden. Organisatorisch konnten sowohl in der IT wie auch in den Fachbereichen Abteilungen zusammengelegt, die Reaktionszeiten erhöht und die Qualität gesteigert werden. Ein Indiz hierfür ist die Rezertifizierung der ZKB Produktion nach ISO 9001, 9004 sowie die «Business Excellence»-Auszeichnung der EFQM (European Foundation for Quality Management).
«Mitarbeitende möchten den gewonnenen Komfort nicht mehr missen.»
Auf dieser Basis konnten für die Wertschriftenabwicklung die Voraussetzungen für das weitere Wachstum geschaffen werden: Die Skalierung von durchschnittlich 40’000 Transaktionen/Tag (Spitze bei über 200’000 Transaktionen/Tag) mit 38’000 erfassten Valoren kann mit dem Avaloq Banking System auf die fünffache Menge gesteigert werden.
Welche Erfahrungen konnten im Betrieb mit dem System bis anhin gewonnen werden?
Nach anfänglichem Widerstand herrscht heute seitens der Benutzer Begeisterung für das neue System. Die Lernkurve war enorm. Mitarbeitende möchten den gewonnenen Komfort nicht mehr missen. Die Versetzbarkeit hat sich dank der Einheitlichkeit erhöht und die Einarbeitungszeiten konnten bei internen Wechseln massiv verkürzt werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der IT, auch dort können und wollen die Mitarbeitenden in verschiedenen Fachrichtungen eingesetzt werden.
Das System lief von Anfang an extrem stabil. Selbst in der Zeit unmittelbar nach der Einführung mussten nur wenige Mitarbeitende Sondereinsätze leisten. Spätestens nach zwei Monaten konnte in allen Bereichen von einem Normalbetrieb gesprochen werden.
Rückblickend auf bereits über 20 Monate produktiven Betrieb kann festgehalten werden, dass kaum grössere Probleme und Ausfälle zu beklagen waren. Dafür konnten die Kosten im IT-Betrieb dank dem Wegfall der 23 Altapplikationen, der Eliminierung von Batch-Läufen und dem fast lückenlosen 24-Stunden-Betrieb signifikant gesenkt werden.
Einziger Wermutstropfen bildet der zur Zeit sehr dünne Markt für Avaloq-Spezialisten Dies spüren wir vor allem bei der Weiterentwicklung des Systems. Wir versuchen dem insofern zu begegnen, indem wir sukzessiv entsprechende Mitarbeitende intern ausbilden bzw. umschulen.
Wie wird sich der Einsatz des Avaloq Banking Systems innerhalb der ZKB entwickeln?
Das Avaloq Banking System ist eine unserer zentralen Plattformen, deren Nutzung wir auch in Zukunft auszubauen beabsichtigen. Vorgesehen sind dieses Jahr noch die endgültige Ausserbetriebnahme der letzten Altsysteme, im nächsten Jahr die Ablösung der Devisen- und Geldmarktapplikationen auf Avaloq und im Jahr 2009 die Ablösung der Traded Options und Financial Futures. Damit können wir wiederum eine Anzahl von betreuungsintensiven Applikationen durch eine integrierte Plattform ersetzen.
Der Gesprächspartner:
Roland Buri, Jg. 1958, Mitglied der Direktion der Zürcher Kantonalbank, Leiter Abwicklung Anlageprodukte.
Bei der ZKB seit 1977 in verschiedenen Funktionen.
Eidg. dipl. Bankfachmann, Absolvent der Swiss Banking School
Die Zürcher Kantonalbank (ZKB):
Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ist eine führende Finanzdienstleisterin im Wirtschaftsraum Zürich. Gemessen an der Bilanzsumme von CHF 95.2 Mrd. ist sie die grösste Kantonalbank und drittgrösste Schweizer Bank. Aufbauend auf der umfassenden Kompetenz im Hypothekar- und Kreditgeschäft hat sie sich sehr erfolgreich im Anlage- und Vorsorgebereich weiterentwickelt und zählt heute mit Kundenvermögen von CHF 116 Mrd. zu den grössten Vermögensverwaltern der Schweiz. Als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons Zürich geniesst sie Staatsgarantie. Ihre Anleihen und Kassenobligationen werden von Standard & Poor’s und Moody’s mit der Bestnote (Triple-A) bewertet.