Dieter Scheiff, CEO Adecco: «Unser mittelfristiges Ziel ist es, das Professional Staffing organisch zu einem Umsatzanteil von 21% auszubauen»
Von André Schäppi
Moneycab: Herr Scheiff, die europäische Wirtschaft boomt, Es herrscht ein Mangel an Arbeitskräften. Rennen Ihnen da die Firmen nicht förmlich die Türen ein, um zu Leuten zu kommen?
Dieter Scheiff: Ja, das ist in gewissen Bereichen so. Wir sehen in diesen Bereichen auch so, dass wir eine grosse Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt weltweit sehen; so zum Beispiel in Japan, Indien oder auch in den neuen Europäischen Ländern, wie Polen.
In welchen Bereichen sehen Sie die grössten Wachstumschancen für Adecco?
Adecco hat grundsätzlich zwei Geschäftsbereiche: General Staffing macht rund 82% unseres Umsatzes aus und Professional Staffing rund18%. Im Bereich Professional Staffing vermitteln wir Fachkräfte wie Finanzfachleute, Ingenieure oder beispielsweise IT Spezialisten. In beiden Bereichen sehe ich gute Wachstumschancen für uns. Zum Beispiel in Deutschland, wo das General Staffing heute nur 1% der arbeitstätigen Bevölkerung ausmacht. im Vergleich dazu erreicht die Niederlande bereits rund 4%. Europa liegt im Durchschnitt bei rund 2 und mehr Prozent. Da liegt noch einiges drin. Auf der anderen Seite können wir auch intern Potentiale ausschöpfen und noch effizienter werden. So ist etwa die Entwicklung im Internet etwas an uns vorbei gegangen. Da müssen wir klar besser werden.
Die Umsatzentwicklung von Adecco im 2. Quartal fiel mit einem Plus von 5 % in Lokalwährungen relativ bescheiden aus. Verantwortlich dafür war insbesondere der Hauptmarkt Frankreich, wo sich das Umsatzwachstum von 8 % im 1. Quartal auf 3 % abschwächte, was unter dem Marktwachstum liegt. Wie entwickelt sich dieser Markt für das restliche 2007 und welche Aussichten haben Sie für 2008?
Generell halten wir an unserem langfristigen Ziel mit einem Wachstum von 7 bis 9 % bis 2009 fest. In Bezug auf Frankreich kann man sagen, dass wir in der in der Vergangenheit Umsatz um jeden Preis machen wollten. Hier hat ein Wechsel zugunsten von Profitabilität stattgefunden. Wir konnten unsere operative Marge deutlich steigern. Dann haben wir auch im Detail analysiert, wie sich unsere Kosten pro Kunden zusammensetzen. Dadurch können wir heute anders mit unseren Kunden verhandeln. Ich gehe davon aus, dass wir in 12 Monaten mit all unseren Massnahmen eine «neue» Adecco in Frankreich sehen werden und dadurch mittelfristig auch wieder zum Marktwachstum zurückkehren.
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Wie entwickelt sich die Nachfrage in den anderen Regionen?
Amerika verzeichnet seit dem letzten Jahr einen leichten Rückgang. Wir haben frühzeitig unsere Kosten angepasst und konnten dadurch die Profitabilität verbessern – was mich ganz besonders freut. Wenn man unseren Mix und unsere Kostenverbesserungen betrachtet, kann man durchaus sehen, dass wir sehr schnell auf derartige Marktveränderungen reagieren. Erfreulicherweise gibt es aber auch boomende Märkte wie Deutschland, in denen wir zweistellig wachsen und die auch eine sehr gute Profitabilität ausweisen. Ich könnte mir vorstellen, dass Deutschland nächstes Jahr der Profitträger Nummer zwei wird und die USA nach Frankreich ablöst.
Akquisitionen stehen hoch im Kurs: Time & More im April in Deutschland, im Juni die Tuja Gruppe ebenfalls in Deutschland, die TalentTrack im August in USA, Anfang September die vollständige Übernahme der Peopleone Consulting in Indien. Wann kommt der nächste Deal und was steht als nächstes auf Ihrer Wunschliste für Übernahmen?
Unsere Wachstumsstrategie ist primär organisch. Wenn wir jedoch akquirieren, muss der Partner auch zu uns passen, denn wir übernehmen ja im Wesentlichen Leute. Aber wie bei einer Hochzeit braucht es immer zwei Partner. Jedoch können wir erst darüber berichten, wenn es soweit ist.
Und in welchen Bereichen möchten Sie akquirieren?
In den höhermargigen Bereichen, das heisst im Professional Staffing, würden wir uns die eine oder andere Akquisition wüschen, also in der IT, im Engineering oder im Finanzbereich. Solche Firmen gibt es in Mitteleuropa, aber auch in Japan.
Die Düsseldorfer DIS spielt in Adeccos Europa-Strategie eine wichtige Rolle. Vor drei Monaten hat Adecco den deutschen Arbeitsvermittler Tuja übernommen. Jetzt will Adecco die beiden Unternehmen integrieren und die Strukturen in Deutschland «optimieren». Wird es zum Abbau von Stellen kommen?
Nein. Deutschland wächst sehr stark und deshalb sind wir auf die vielen guten Mitarbeitenden angewiesen. Dazu kommt, dass es nicht so grosse Synergien gibt, wie das in anderen Branchen der Fall ist. Wir werden auch alle drei Firmen, also Adecco, DIS und Tuja unter deren Namen weiterführen, da sie ja auch in unterschiedlichen Bereichen tätig sind.
In Deutschland dürfte Adecco zwischenzeitlich mit den Akquisitionen den Mitbewerber Randstad, die bisherige Nummer eins, überflügelt haben. Welchen Anteil streben Sie mittelfristig an?
Umsatzmässig werden wir Randstad noch nicht überholt haben, aber wir sind ganz nah dran. Unser Fokus liegt jedoch auf der Profitabilität der drei Unternehmen. Und wir wollen ja nicht wieder in den alten Fehler verfallen und Wachstum um jeden Preis erreichen. Deshalb ist Marktführerschaft für uns kein erklärtes Ziel.
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Allerdings hat Randstad kürzlich das deutsche Team BS übernommen. Rechnen Sie mit einer weiteren Konsolidierung des deutschen Marktes?
Doch ich gehe schon davon aus, dass eine weitere Konsolidierung stattfinden wird. Allerdings ist der Markt mit mehreren tausend Zeitarbeitsfirmen in Deutschland sehr fragmentiert, weshalb das Ausmass doch eher bescheiden sein wird.
Wo liegen die Vorteile eines grossen Unternehmens wie Adecco?
Wir stellen fest, dass grosse nationale oder global tätige Firmen wie beispielsweise Siemens darauf hin tendieren, mit einem international tätigen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Der zweite Punkt liegt darin, dass es für Firmen interessant ist, die Vielzahl der Zeitarbeitsfirmen zu reduzieren, weil dadurch die Schnittstellen reduziert und damit auch Kosten eingespart werden können
Der Markt für die Vermittlung von medizinischem Fachpersonal scheint besonders interessant zu sein, sind doch drei der Akquisitionen (Time & More, Tuja sowie TalentTrack) schwergewichtig in diesem Sektor tätig. Soll Adecco hier in Zukunft weiter zulegen?
Medical und Science liegen im höhermargigen Bereich des Proffesional Staffing. Unser mittelfristiges Ziel ist es, das Professional Staffing organisch zu einem Umsatzanteil von 21% auszubauen. Heute sind wir in diesem Bereich bei 18%.
Zur Person
Dieter Scheiff, 54, wurde 2006 CEO der Adecco Gruppe.Vor seinem Wechsel zu Adecco war Scheiff fünf Jahre lang CEO des Fachkräftevermittlers Deutscher Industrie Service, DIS AG. Vor seinem Einstieg in die Zeitarbeitsbranche arbeitete Dieter Scheiff in führenden Positionen bei Johnson & Johnson als Vice President Europa und war vorher 11 Jahre in verschiedensten leitenden Positionen bei 3M im Bereich Marketing und Verkauf.
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