Urs Sträuli, Vice President Sales Southern, Eastern and Central Europe Open Text: «Der Gesamtmarkt befindet sich in einer Konsolidierungsphase und weitere Übernahmen zeichnen sich ab. Auch bei Open Text»
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Sträuli, als passionierter Privatpilot sind Sie auch Turbulenzen gewohnt. Nachdem Sie schon die Integration von Obtree in IXOS (2001), die Übernahme von IXOS durch Open Text (2004) und jetzt die Integration von Hummingbird (2006) miterlebt haben, wo steht Open Text heute in der Konsolidierung der verschiedenen Firmen und welche nächsten Übernahmen zeichnen sich ab?
Urs Sträuli: Als Pilot weicht man grösseren Turbulenzen nach Möglichkeit aus, indem man sie sicher umfliegt. Kleinere Turbulenzen jedoch können durchaus Spass machen und fordern das Geschick und Können. Die von Ihnen erwähnten Integrationen waren kleinere Turbulenzen und nicht zu vergleichen mit der Übernahme der Winterthur Versicherung durch die CS, die ich selbst miterlebte.
IXOS ist komplett integriert und die Frage der Markenstrategie gelöst: Heisst, alle IXOS Komponenten wurden in Livelink integriert. Die Übernahme von Hummingbird war in drei Monaten abgeschlossen, die Teams und Niederlassungen konsolidiert sowie die Produkte-Roadmap definiert. Die schnelle Integration ermöglichte uns schon nach kurzer Zeit, auch in der Schweiz ein erweitertes Lösungsportfolio für eine Vielzahl von Unternehmen in vertikalen Märkten anzubieten. Dazu zählen Rechtsabteilungen grosser Unternehmen, Finanzdienstleister, Energiewirtschaft, Pharmaindustrie, Einzelhandel, Fertigung sowie Medien und Unterhaltungsindustrie. Die Konzentration auf ganzheitliche ECM-Lösungen entspricht auch den strategischen Partnerschaften, die wir seit Jahren mit Microsoft, SAP und Oracle pflegen. Dadurch sind wir in der einzigartigen Position, das Angebot der drei grössten Anbieter von Unternehmenssoftware zu erweitern und zu ergänzen.
Was zukünftige Übernahmen angeht: Der Gesamtmarkt befindet sich in einer Konsolidierungsphase und weitere Übernahmen zeichnen sich ab. Auch bei Open Text. Mehr kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht dazu sagen.
«Wir sind in Bezug auf die Profitabilität auf gutem Weg, die Erwartungen der Analysten zu erfüllen.» Urs Sträuli, VP Sales Open Text
Die IXOS-Übernahme hat die Kassen von Open Text mit etwa 260 Millionen Dollar belastet und die Zahlen (Umsatz, Umsatz pro Aktie, Lizenzeinnahmen) zwischen 2005 und 2006 gingen in der Folge zuerst einmal nach unten. In welchem Zeitraum soll sich die Investition auszahlen?
Ein Blick auf die Zahlen in Europa: Hier läuft das Geschäft hervorragend. Die Investitionen zahlen sich bereits aus. Seit gut einem Jahr sehen wir den Benefit durch Cross Selling, denn die Kunden beider Unternehmen profitieren von den sich ergänzenden Technologien. Bei jeder Akquisition muss der Anbieter zuerst beweisen, dass sich dieser Mehrwert positiv auf die gesamte Wertschöpfungskette des Kunden auswirkt und dies verzögerte das Cross Selling.
Der Umsatz von Open Text ging im Jahr 2006 auf 409,5 Millionen USD zurück (Vorjahr 414, 8 Millionen USD). Welche Zielsetzungen hat Open Text für die kommenden Jahre bezüglich des Umsatzes?
Nach dem Kauf und der Integration von Hummingbird: Ohne Gewähr zwischen 630 und 650 Millionen US Dollar. Wir sind in Bezug auf die Profitabilität auf gutem Weg, die Erwartungen der Analysten zu erfüllen.
Während Obtree in der Schweiz eine klare Positionierung als Web Content Management Anbieter hatte, ist Open Text in der Aussenwahrnehmung sehr viel unklarer (Business Intelligence, Archivierung, Web Content Management, e-Mail, Document Management, Project Management etc.), Wo setzen Sie für das Schweizer Geschäft die Schwerpunkte bezüglich Produkte und Marktsegmente?
Sprechen wir von Enterprise Content Management (ECM) und nicht von Web Content Management (WCM), dann ist die Positionierung klar. Open Text bietet ein umfassendes und vollständiges Produktportfolio an, um unternehmensweite ECM Lösungen zu realisieren. Das heisst Informationen (Content) abteilungs- und länderübergreifend über den gesamten Lebenszyklus zu managen. Und zwar rechtskonform. Dazu zählen E-Mailarchivierung genauso wie Records-, Information-, Business-Process-Management etc.
Durch die vertikal organisierte Struktur konzentrieren wir uns nicht auf Produkte, sondern auf die Gesamtstrategie und die ECM Bedürfnisse unserer Kunden. Diese Flexibilität in Kombination mit der Vollständigkeit unseres ECM Lösungsangebots ermöglicht es uns, Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen sowohl in technologischer als auch beratender Sicht zu unterstützen. In Bezug auf die Marktsegmente spüren wir, dass vor allem die Finanzindustrie durch verschärfte Regulatorien – Stichwort Mifid, Sarban Oxley etc. – vermehrt in rechtskonforme ECM Lösungen investiert. Doch auch Unternehmen aus der Industrie und Pharma, die international tätig sind, suchen Gesamtlösungen für eine effizientere Informationsverwaltung und kommen von Insellösungen weg. Unsere Technologie ermöglicht ihnen, auch internationale Standards einzuhalten.
In vielen internationalen Software-Firmen beträgt der Umsatzanteil des Schweizer Geschäftes zwischen 1 bis 2 Prozent. Welchen Anteil hat das Schweizer Geschäft innerhalb von Open Text und welchen Marktanteil in der Schweiz?
Bei uns ist er einiges höher, da wir in der Schweiz in unserem Bereich Marktführer sind. Gemäss verschiedenen Studien haben wir in der Schweiz einen Marktanteil von über 30 Prozent.
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Enterprise Content Management (ECM) ist ein komplexes Thema, das tendenziell beratungsintensiv ist. Während der Anteil der Softwarelizenzen am Gesamtumsatz zwischen 2004 und 2006 von knapp 42% auf 30% sank, stieg derjenige der Services von knapp 21% auf 23%. Wer macht das grosse Geschäft mit Ihrem Serviceanteil?
Die Partner. Und wir bauen das Partnergeschäft noch massiv aus. Doch die erwähnte Zahl ist in meinen Augen nicht aussagekräftig und verfälscht das Gesamtbild. Der Lizenzumsatz steigt bereits wieder.
«Als ECM Spezialist arbeiten wir sehr eng und aktiv mit den weltweit grössten Anbietern von Unternehmenssoftware – also Microsoft, SAP und Oracle – zusammen und bauen diese Partnerschaften kontinuierlich aus.»
Nach einer ersten Popularitätsphase um das Jahre 2000 und einigen Aufsehen erregenden Flops kommt das Thema Enterprise Content Management jetzt in einem höheren Reifegrad zurück. Das ruft aber auch ernster zu nehmende Konkurrenz wie IBM (Filenet), Documentum, SAP (Content Server) oder Microsoft (Sharepoint) auf den Plan. Wie positionieren Sie sich gegenüber diesen Konkurrenten, die teilweise ja auch strategische Allianzpartner von Ihnen sind, wo sehen Sie die Vorteile von Open Text, wo müssen Sie noch zulegen?
Der grösste Vorteil ist sicher unsere Unabhängigkeit von Hardwarelieferanten. Open Text ist der einzige unabhängige ECM Anbieter. Dies ermöglicht uns, die flexibelsten Lösungen anzubieten, was uns eine gute Position verschafft. Die meisten Unternehmen haben Hardware verschiedener Hersteller im Einsatz und suchen nach ECM Lösungen, die nahtlos integriert werden können.
Unsere Positionierung gegenüber den strategischen Allianzpartnern ist klar. Als ECM Spezialist arbeiten wir sehr eng und aktiv mit den weltweit grössten Anbietern von Unternehmenssoftware – also Microsoft, SAP und Oracle – zusammen und bauen diese Partnerschaften kontinuierlich aus. Dies hat bereits im vergangenen Geschäftsjahr Früchte getragen. SAP zum Beispiel tritt auch als Open Text Reseller am Markt auf. Mehr als 2’500 SAP Kunden setzen bereits auf die Open Text ECM Suite für SAP Anwendungen. In Bezug auf Microsoft haben wir im Februar 2007 die Vorreiterrolle bei der Bereitstellung von Lösungen für ihre Umgebungen übernommen, wofür uns Microsoft mit dem Award «Partner of the Year» ausgezeichnet hat. Die enge Zusammenarbeit führen wir selbstverständlich weiter, um die Livelink ECM-Integration mit dem Office SharePoint Server auszubauen.
Nebst der Verantwortung für das Schweizer Geschäft sind Sie auch für Deutschland, Österreich, Osteuropa und Italien zuständig. Gibt es für diese Einheiten eine gemeinsame Strategie, welche Sie in den kommenden Jahren umsetzen möchten, oder gehen Sie alle Märkte individuell an?
Wir fahren eine gemeinsame Strategie, die mit landesspezifischen Komponenten ergänzt wird. Das ist unabdingbar, denn in den meisten Ländern sehen sich die Unternehmen – allen voran Finanzinstitute – verschiedenen Regulatorien gegenübergestellt. Die gemeinsame Strategie beinhaltet die Vertikalisierung der Branchen, die Fokussierung auf die Top Unternehmen und den Ausbau lokaler Partner (gemischtes Vertriebskonzept). In allen Ländern haben wir Branchenkenner an Bord, welche die Märkte und entsprechende Regulatorien kennen und verstehen, um die Kunden in der Planung und Umsetzung ihrer ECM Strategie zu unterstützen.
Experten sagen dem Enterprise Content Management Markt in den kommenden Jahren ein Wachstum von zwischen 8 und 11 Prozent voraus. Welches Wachstum sehen Sie für Open Text?
Open Text wird überdurchschnittlich wachsen. Sowohl über die geschickte Positionierung des Portfolios als auch durch strategische Partnerschaften.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
– Die Work-Life-Balance im Griff zu haben. Für mich steht die Gesundheit über allem.
– Die guten Kundenverhältnisse weiterhin aufrecht zu erhalten und auszubauen. Und zwar nicht zahlenorientiert. Es ist ein gutes Gefühl, auf der Anbieterseite zu stehen, gute Kundenbeziehungen zu pflegen und seinem Gegenüber einen echten Mehrwert zu verschaffen.
Der Gesprächspartner
Urs Sträuli (37) zeichnet bei Open Text als Vice President Sales Southern, Eastern and Central Europe für die Strategie, den Verkauf und den Vertrieb der Open Text Lösungen verantwortlich. Er ist in dieser Funktion für die Regionen DACH, Ost-, Zentral- und Südeuropa verantwortlich.
Sträuli studierte an der Fachhochschule Zürich in Winterthur Elektrotechnik mit Vertiefung in Microcomputersystemen und Software Engineering. Nach seinem Abschluss absolvierte er bei der Schweizerischen Luftwaffe eine Miliz-Ausbildung zum Offizier sowie zum Bordoperateur für die FA-18. Seine Karriere in der IT-Branche begann er 1995 bei den Winterthur Versicherungen, wo er als Software Developer und Projektmanager tätig war. Während dieses Engagements entwickelte er verschiedenste Versicherungslösungen mit und leitete diverse Projekte.
Zwei Jahre später fand Sträuli im Key Account Management der Parametric Technology in Dübendorf (CAD- sowie Product Lifecycle Management-Lösungen) eine neue Herausforderung. Schwerpunkte seiner Tätigkeit bildeten die Projektleitung und der Verkauf von Gesamtlösungen an Grosskonzerne. 1999 führte ihn ein weiterer Karriereschritt als Key Account Manager im Bereich Retail, Industrie und Telecom in die Schweizer Niederlassung der IXOS Software (International) AG, wo er 2001 das Amt des Managing Directors übernahm. Während dieser Zeit fand auch die Integration des Schweizer Web-Content Management Anbieters Obtree statt. Dank der grossen Erfolge, die Sträuli in den vergangenen Jahren in der Region D,A,CH und Südeuropa erlangte, übertrug Open Text ihm 2006 zusätzlich die Gesamtverantwortung für die Schlüsselmärkte Zentral- und Osteuropa.
Energie tankt der passionierte Privatpilot beim Fliegen, Biken, Joggen und Wandern. Dane-ben ist Urs Sträuli ein erfahrener Globetrotter, der sich intensiv mit fremden Ländern und deren Kulturen auseinandersetzt.