MiFID verändert den Markt
Von Achim Berger, Geschäftsführer, Innovations Softwaretechnologie GmbH
Die Strategen der Branche nutzen MiFID um sich neu zu positionieren. Viele Experten sehen gar eine Industrialisierung der Branche und einen Konzentrationsprozess voraus. In gut einem halben Jahr soll MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) umgesetzt sein. Doch die Vorbereitungen der Finanzinstitute auf die MiFID-Anforderungen sind noch nicht allzu weit gediehen: Zwar halten 85 Prozent der deutschen Wertpapierfirmen die Umsetzung für innerhalb von 18 Monaten realisierbar, so eine aktuelle Umfrage der Frankfurter Forschungsgruppe E-Finance Lab, doch sehr konkret sind diese Planungen noch nicht. Nur etwa ein Drittel der Unternehmen hat die MiFID-Umsetzung in ihrer Budgetplanung berücksichtigt.
Warnung, noch länger zuzuwarten mit der Umsetzung
Sie berufen sich darauf, dass der endgültige Gesetzesentwurf für Deutschland erst im März 2007 fertig gestellt wurde. Henriette Peucker, Head of European Public Affairs der Deutschen Börse in Frankfurt warnt jedoch eindringlich davor, noch länger mit der Umsetzung zu warten. 95 Prozent des Gesetzes seien bekannt, genug, um augenblicklich loszulegen. Das Hauptrisiko der Institute liege darin, nicht rechtzeitig fertig zu werden und in teuere Verfahren bei verspäteter MiFID-Implementierung verwickelt zu werden. Best Execution für Kunden – mehr Transparenz für Banken Im Kern erfordert die Umsetzung der MiFID unter anderem eine umfassende Information insbesondere der Retailkunden über Wertpapiertransaktionen, einschliesslich aller entlang der Prozesskette entstandenen Kosten für Handel und Abwicklung.
Kosten zwischen einigen hunderttausend Euro und zweistelligen Millionenbeträgen
Aufträge müssen zu den für den Kunden günstigsten Bedingungen ausgeführt (Best Execution) und Transaktionsdaten bis zu fünf Jahren archiviert werden. Allein die erforderlichen Umstellungen der IT-Infrastruktur sollen die deutschen Finanzdienstleister nach Schätzungen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) rund fünf Milliarden Euro kosten. Die Wertpapierfirmen selbst revidieren diese Prognose jedoch nach unten: Ihre Einschätzung der zu erwartenden Gesamtkosten schwankt, je nach Unternehmensgröße zwischen einigen hunderttausend Euro und zweistelligen Millionenbeträgen. 58 Prozent der befragten Unternehmen rechnen mit Investitionen unter 500.000 Euro, 22 Prozent mit Investitionen von unter einer Million Euro und etwa 16 Prozentmit Investitionen von einer bis fünf Millionen Euro. Nur vier Prozent planen ein Budget von über 20 Millionen Euro für die Umsetzung der neuen MiFID-Richtlinie ein, so eine aktuelle Umfrage des Frankfurter E-Finance Lab.
MiFID und ihre Konsequenzen weitreichender als die der Euro-Einführung oder Basel II
Indirekt spiegelt diese Aufteilung wider, dass viele, gerade kleinere Banken, die strategische Relevanz von MiFID stark unterschätzen. Bernd Stiehl, MiFID Projektleiter bei der UBS Global Wealth Management in Luxemburg hält MiFID für die wichtigste Veränderung der EU-Finanzmärkte, und ihre Konsequenzen für weitreichender als die der Euro-Einführung oder Basel II. Er hat sich intensiv mit MiFID befasst und sieht gerade auf die kleinen und mittleren Banken große Probleme zukommen. Für ihn und andere Experten sind die großen Banken die Gewinner der neuen Regelungen, tun sie sich doch aufgrund ihrer Volumina leichter, Prozesse auszulagern und zu standardisieren. Die neue Transparenz wird zu einer Veränderungen der Bankenlandschaft, manche meinen zu einer Industrialisierung im Finanzsektor führen. Nachvollziehbarkeit und Dokumentation erfordern eine neue Gestaltung der Produkte und der Beratungsprozesse. In Zukunft wird weniger Augenmerk auf eine kreative Produktgestaltung, als auf eine analytische Prozessoptimierung gelegt werden.
Neugestaltung der Wertkette
Die Institute müssen sich auf ihre jeweiligen Stärken besinnen: Verringerte Differenzierungsmöglichkeiten bei den Finanzprodukten werden andere Wettbewerbsfaktoren in den Vordergrund rücken und zu einer Auslagerung und Neugestaltung der Wertkette führen. Diejenigen Banken, denen es am besten gelingt, ihre Prozesse effizient zu gestalten, werden von der Einführung von MiFID profitieren. MiFID betrifft fast alle Prozesse, quer durch die Bank. Die Beratung, die den neuen Bestimmungen des Anlegerschutzes folgen muss, ebenso wie den Wertpapierhandel und nicht zuletzt die IT, schafft sie doch die Voraussetzungen für die geforderte Transparenz und für eine lückenlose Dokumentation. Um den Anlegerschutz angemessen umzusetzen, müssen die Kunden nach ihrer Schutzwürdigkeit klassifiziert werden. Der Kontoeröffnungsprozess ist schon heute der Dreh- und Angelpunkt für eine korrekte und vollständige Datenerfassung zu Geschäftsbeziehung und KYC-Profi l (Know Your Customer). Mit MiFID kommen hier noch eine Reihe weiterer Kundenmerkmale hinzu, die ebenfalls Auswirkungen auf die nachgelagerten Verarbeitungsprozesse haben.
MiFID verändert auch den Wertpapierhandel
Relationship Management erhält völlig neue Ausrichtung Schon heute setzen einzelne Banken auf eine geführte Eröffnung von Geschäftsbeziehungen. Diese betrifft das Customer Relationship Management, Legacy und Compliance gleichermaßen. Ein geführter Prozess dient der vollständigen Erfassung aller aus rechtlicher, vertrieblicher und Sorgfaltssicht benötigten Datenmerkmale in einer Form, die ohne manuelles Zutun im Rahmen der Kontoeröffnung auf den Host übernommen werden kann. Hier schlummert ein immenses Optimierungspotenzial – in qualitativer wie auch ökonomischer Hinsicht, das durch MiFID in den Blickpunkt gerückt wird. So gesehen kann MiFID den Anstoß geben, den Kontoeröffnungsprozess von Grund auf zu optimieren. MiFID verändert auch den Wertpapierhandel. Banken können zukünftig Aktien ihrer kaufenden und verkaufenden Kunden verschieben. Der börsenunabhängige Handel eröffnet neue Verdienstmöglichkeiten – den Banken und auch den Börsen. Die Düsseldorfer Börse beispielsweise nutzt die Unsicherheit der MiFID-Muffel für eine Neu-Positionierung und bietet unter dem Namen Quality Trading eine zertifizierte Erfüllung der Best-Execution-Kriterien. MiFID ist ein strategisches Thema. Es handelt von der Überprüfung des Geschäftsmodells auf Profi tabilität, von der Optimierung des Leistungsangebotes für Wertpapiergeschäfte und von einer EU-weiten Handelsausdehnung. Was wird die Branche aus MiFID machen? Welche Finanzinstitute erkennen MiFID als Chance und arbeiten daran neue, profi tablere Geschäfte zu machen? Und welche warten ab, mangels Eigeninitiative oder in der trügerischen Hoffnung, dass alles bleibt wie es ist? Hier ist kompetentes Risk Management gefragt. Und eine Unternehmensführung, die sich bewusst ist, was es zu gewinnen und was es zu verlieren gibt.
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