Siemens schafft Ziele trotz Korruptionsaffäre – Umbau vor Abschluss

Das gelte auch für die im Frühjahr 2007 angepeilten Margenziele der Bereiche. Die Schmiergeldaffäre belaste das operative Geschäft nicht. Allerdings sei ein Ende der Untersuchungen nicht abzusehen. Auch müsse abgewartet werden, ob Schadenersatz- und Strafzahlungen auf den Konzern zukommen könnten.


Operative Fortschritte von Negativschlagzeilen überdeckt
Die Affäre und andere Negativschlagzeilen überdeckten die grossen operativen Fortschritte, die der Konzern mit Hilfe des Umbaus gemacht habe, sagte Kleinfeld. Mit dem Programm «Fit4More» seien alle Sparten auf Kurs gebracht worden. Diese gelte auch für das jahrelang defizitäre IT-Geschäft. Es dürfe nun keinen Stillstand geben. «Es kommt auf jeden Fall ein neues Programm», kündigte Kleinfeld an. Dieses werde im April vorgestellt.


Renditeziele erreichen
Kleinfeld hatte vor knapp zwei Jahren versprochen, dass spätestens im Frühjahr 2007 alle Bereiche die Renditeziele erreichen, die ursprünglich schon sein Vorgänger Heinrich von Pierer den Sparten verordnet hatte. Kleinfeld hatte auch sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel verknüpft. Sein Vertrag als Vorstandschef läuft im Herbst aus. Zu einer möglichen Verlängerung, die laut Branchenspekulationen im April anstehen könnte, wollte sich Kleinfeld nicht äussern. «Das ist Sache des Aufsichtsrats.»


Radikaler Umbau des Konzerns
Der radikale Umbau des Konzerns ist nach Einschätzung Kleinfelds nun weitgehend abgeschlossen. Die nächsten grossen Schritte sind noch das Telekom-Gemeinschaftsunternehmen mit der finnischen Nokia sowie der geplante Börsengang des Autozulieferers Siemens VDO. Kleinfeld äusserte sich nicht zu Spekulationen, ob auch ein Komplettverkauf des Autozulieferers mit rund zehn Milliarden Euro Umsatz vorstellbar sei. Siemens verfolge weiter das Ziel des Börsengangs und wolle die Mehrheit behalten. «VDO ist gut für die Börse gerüstet.» Allerdings hätten sich seit Verkündung der Pläne zahlreiche Investoren gemeldet. «Das Telefon stand nicht mehr still.» Grosses Interesse an VDO hat bereits der Autozulieferkonzern Continental angekündigt.


Schmiergeldaffäre beschäftigt noch Monate
Die Schmiergeldaffäre werde den Konzern auch in den kommenden Monaten beschäftigen. Der Korruptionsskandal schade dem operativen Geschäft aber nicht, sagte Kleinfeld. Zwar werde der Konzern in Problemregionen notfalls auch einmal auf Aufträge verzichten. «Doch besteht die gute Chance, das an anderer Stelle auszugleichen.» Siemens geht gegenwärtig davon aus, dass möglicherweise bis zu 420 Millionen Euro in schwarze Kassen geflossen seien. In welchem Umfang mit dem Geld im Ausland Schmiergelder gezahlt worden seien, müsse geprüft werden. Der Konzern habe bereits viel unternommen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern, sagte Kleinfeld. «Wir warten nicht, bis endgültig alles auf dem Tisch liegt.» Das Unternehmen tue alles für eine umfassende Aufklärung der Vorfälle.


Zusammenhänge nicht erkannt
Der Siemens-Chef wies Vorwürfe zurück, der Konzern habe erst nach der Grossrazzia im November entschieden reagiert und die einzelnen Hinweise zuvor nicht ernst genug genommen. Der frühere Oberstaatsanwalt Daniel Noa, der seit kurzem die interne Kontroll-Abteilung (Compliance) des Unternehmens leitet, sehe keine Versäumnisse. «Selbst erfahrene Wirtschafts-Strafrechtler hätten diese Zusammenhänge, die mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München seit November 2006 sichtbar wurden, nicht unbedingt erkennen können.» Siemens habe eigentlich schon gute Kontrollsysteme gehabt. «Letztlich steht dem aber immer die mitunter kriminelle Kreativität von Mitarbeitern entgegen.»


Auch erfolgreich ohne Schmiergeld
Auslandsgeschäft lasse sich auch erfolgreich ohne Schmiergeld machen, sagte Kleinfeld. «Es ist falsch, dass es in manchen Ländern nicht ohne gehen soll.» Viel mehr seien externen Un tersuchungen zufolge saubere Geschäfte sogar deutlich profitabler. Kleinfeld: «Grundsätzlich kann und muss überall korrekt gearbeitet werden – das ist nicht verhandelbar.» Jedem Mitarbeiter müsse in den vergangenen Jahren klar geworden sein, dass Auslandskorruption strafbar und auch intern unzulässig sei. Es sei auch eine «Dolchstoss-Legende», dass Siemens nur Pech gehabt haben könnte, und in Wahrheit alle vergleichbaren Unternehmen schmierten.


China ist einer der wichtigsten Auslandsmärkte
Einer der wichtigsten Auslandsmärkte für Siemens ist China. Dabei sieht Kleinfeld die Gefahr der Produktpiraterie mittlerweile weitgehend gebannt. «Wir unterliegen da einer hochgefährlichen Illusion. Zumindest im technischen Bereich ist diese Gefahr praktisch nicht mehr existent.» Die westliche Industrie stehe vor einer weit grösseren Herausforderung durch die Volksrepublik: «Der im vergangenen Jahr veröffentlichte neue Fünf-Jahres-Plan der chinesischen Regierung sieht vor, in Kernindustrien Innovationsführer zu werden.» So sei China bereits in der Telekommunikation hochinnovativ und bringe selbstentwickelte Produkte mit schnellem Tempo auf den Markt. Die Chinesen wollen den Patentschutz daher selbst im internationalen Wettbewerb zum eigenen Vorteil nutzen. Der Aufholprozess von Ländern wie China spiegele sich auch in der grossen Zahl der ausgebildeten Ingenieure wider. Während China jährlich 400 000 Ingenieure ausbilde, seien es hier zu Lande 40 0 00.


Wettbewerb wird noch härter
«Der Wettbewerb wird noch härter und die Geschwindigkeit weiter steigen», erwartet Kleinfeld. Siemens sei dafür aber gut aufgestellt. Der Konzern habe seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung allein im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent auf 5,7 Milliarden Euro aufgestockt und sei auf vielen Feldern Technologieführer. Dies gelte für die Automatisierungstechnik sowie die Energie- und Umwelttechnik, auch in der Medizintechnik habe Siemens nach milliardenschweren Übernahmen die Nase vorn. Speziell im Bereich Energie und Umwelt erarbeite Siemens Lösungen im Zeitalter des Klimawandels. Dabei würden alle Energiearten an Bedeutung gewinnen – auch die Kernkraft. Siemens sehe auf dem Feld der Kernenergie Wachstumschancen. Der Konzern beschränke sich dabei auf den konventionellen Turbinenbau und die Anlagensteuerung. (awp/mc/gh)

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