Kunsthaus Zürich: Thomas Müllenbach- Graphit – Die grossen Zeichnungen
Vom 2. Februar bis 22. April 2007 zeigt das Kunsthaus Zürich «Thomas Müllenbach. Graphit – Die grossen Zeichnungen». Als erstes Museum führt es die wandfüllenden jüngsten Graphit-Zeichnungen des 1949 in Koblenz geborenen Künstlers zusammen. Sie entstanden zwischen 1999 und 2006 und führen uns an die Schaltstellen der modernen Technik – vom Küchenherd, über Apparaturen des Operationssaals und den Navigationsinstrumenten im Cockpit einer MD11, bis ins Atomkraftwerk Tschernobyl.
Müllenbach lebt seit 1972 in Zürich und lehrt an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. Als Maler und Zeichner gehört er zu einer Generation von bildenden Künstlern, die in der Auseinandersetzung mit der Alltagskultur und im Dialog mit der Kunstgeschichte eine eigenständige Handschrift erarbeitet haben. So geht Müllenbach nicht an den Ort, wo sich seine Bildgegenstände befinden, sondern nimmt Abbildungen aus der Presse als Inspirationsquelle. Seine Zeichnungen sind bis zu 200 cm hoch. In Abbildungen wirken sie fragil, aber die Originale strotzen vor Kraft. Das Graphit ist mit kräftigem Druck auf das Spezialpapier aufgebracht und der Strich kann bis zu einer Breite von drei Millimeter anschwellen.
Die Navigation des Blicks
Müllenbach beobachtet die Dinge weder aus der Distanz, noch begnügt er sich mit der Wiedergabe ihrer Oberfläche. Was seinen Blick fesselt, lässt sich eher an der Unbestimmbarkeit der Zwischenräume festmachen, z.B. an den weissen, ausgesparten Flächen in den Kabinenfenstern eines Flugzeuges oder zwischen den Navigationsinstrumenten und Bildschirmen im Cockpit jener Swissair-Maschine, die 1998 vor der kanadischen Küste bei Halifax abstürzte. Normalerweise haben Passagiere, Künstler und Museumsbesucher dort nichts zu suchen. Aber würden Sie erkennen, dass die Katastrophe kurz bevor steht?
Ähnlich kann es einem vor seinen Spitalzeichnungen ergehen. Die Verkabelung des Blicks mit den lebensrettenden Massnahmen in einem Operationssaal lässt dem Betrachter unerwartet viel Raum für kontemplatives Schauen. Der Offenheit in Müllenbachs Formverläufen steht der geschärfte Blick für ornamentale «patterns» gegenüber. Müllenbach navigiert seinen Stift (und damit unseren Blick) mit sicherem Gespür. Es geht ihm nicht darum, die Metaphysik der Dingwelt künstlich am Leben zu erhalten.
Graphit prägt die Welt
Müllenbachs neuste Zeichnungen nehmen die Schaltzentralen von symbolträchtigen Atomkraftwerken ins Visier. Beim Reaktorbrand im AKW von Tschernobyl im April 1986, hat brennendes Graphit zur weiträumigen Verseuchung durch Radioaktivität beigetragen. Die Kontroverse um die Folgen von Tschernobyl wird durch wissenschaftliche und technische Erkenntnisse immer neu genährt. Sie wirft ein Licht auf unseren Umgang mit einem Material, das wir soeben noch unter Kontrolle zu haben glaubten – gebannt auf Papier und ausgestellt inmitten einer kostbaren Kunstsammlung, deren Sicherheit und Erhalt für eine zivilisierte Gesellschaft hohe Priorität besitzt. (kh/mc/th)