Eine Bundesrätin auf den Spuren ihrer Tragik
Über Elisabeth Kopp scheint politisch alles gesagt und geschrieben. Nun kommt ein Film mit ihr in die Kinos. Die 70-jährige Politikerin liess sich von Andres Brütsch, Autor von Dokumentar- und Auftragsfilmen, für eine winterliche Reise in ihrem Auto zu den wichtigsten Schauplätzen ihres Lebens gewinnen. Leicht fiel es ihr nicht, «die Verletzung, Verzweiflung, Einsamkeit, Enttäuschung, Ohnmacht und den Verlust der Aufgabe» noch einmal zu durchleben, wie sie dem Autor auf seine Bitte hin schrieb. Doch die Chance, ihre Sicht der Dinge aus der Distanz zweier Jahrzehnte mit eigenen Worten, ohne Widerspruch, ohne tagespolitisches Stakkato der Medien, darlegen zu können, überwog ihre Bedenken, und sie trat – für einmal ohne ihren Gatten – die «therapeutische» Reise in die Höhen und Tiefen ihrer Vergangenheit an.
Traumwandlerischer Aufstieg
Der Film zeigt zunächst eine Gymnasiastin, die als Eiskunstläuferin ihre Figuren ebenso sicher aufs Eis zeichnet, wie sie in den siebziger Jahren als junge und protegierte Frau auf dem glatten Parkett der Politik fast traumwandlerisch vorankommt. Als sie 1983, an der Seite ihres Gatten, in einer TV-Homestory von Heiner Gautschy gefragt wird, ob der Bundesrat für sie ein Thema sei, meinte sie, es müsste «wahnsinnig viel passieren». Schon im Jahr darauf zog sie als erste Frau in die Landesregierung ein. Das Parlament hatte sich über Parteigrenzen hinweg mit ihr solidarisiert, nachdem einzelne Politiker und Journalisten ihre Kandidatur wegen der Rolle und der Verfehlungen ihres Gatten Hans Werner Kopp in Frage gestellt hatten.
Bedignungslose Loyalität zum Ehemann
So bedingungslos, wie sich die Bundesratskandidatin 1984 vor ihren Gatten stellte («Erstens ist mein Mann menschlich unanfechtbar . . .»), steht sie im Film auch nach zwei Jahrzehnten aus «moralischen Grundsätzen» loyal zu ihm. Der Entzug eines militärischen Kommandos wegen der Büroaffäre ihres Mannes wird für sie zur «Verschiebung» innerhalb der Armee, geahndetes Wirken ihres Mannes (etwa im Verwaltungsrat der Trans-K-B) bleibt unerwähnt. Und nicht gefragt wird auch, ob jemand rechtzeitig hätte dafür sorgen können, dass sich der Anwalt Kopp von heiklen Verwaltungsratsmandaten trennt und sich und seiner Frau so viel Ungemach erspart hätte. Die starke Bindung Elisabeth Kopps an ihren Mann hat alle Verletzungen und Verluste der letzten Jahrzehnte überstanden: «Geschieden sind wir noch nicht», hält sie dazu gegen Ende des Films in einer Mischung aus Stolz und Trotz fest.
Einsam im Auge des Sturms
Zum Telefon der Bundesrätin im Herbst 1988 an ihren Gatten und zum Versuch, diese menschlich nachvollziehbare Warnung ihres Gatten und dessen Leugnen dieses Anrufes zu decken, vermittelt der Film keine neuen Einsichten. Kopp ist sich heute bewusst, dass sie ihr Umfeld früher hätte informieren sollen und dem Fraktionschef ihrer Partei spätestens vor ihrer umstrittenen Wahl zur Vizepräsidentin des Bundesrates reinen Wein hätte einschenken müssen. Subjektive, unbewusste Mechanismen der Verdrängung nennt sie als Ursache für ihr einsames und stummes Verharren im Auge des Sturms. Und es war wohl auch Angst, mit einem Eingeständnis selber jenen Funken zu erzeugen, der die aufgeladene Stimmung um das Geschäftsgebaren ihres Mannes und um ihr Amt zur Explosion gebracht hätte.
Von den Bundesräten im Stich gelassen
Im Film werden solche Einsichten immer wieder von Vorwürfen Elisabeth Kopps durchkreuzt: an die damaligen Bundesräte, die sie unter unmenschlichem Druck allein gelassen hätten; an ihren engen Stab im Departement und an die ihr fremd gewordene FDP-Fraktion, die unter ihrem Ausschluss über ihr Schicksal beraten habe. Der Film zeigt Elisabeth Kopp als willensstarke, über weite Strecken gefasste, aber von Kränkung und Krankheit gezeichnete Frau, die in ihrem Leben oft die erste und die einzige Frau war und sich an der Spitze einsam fühlte. So steht sie wenige Tage vor ihrem Fall in ihrem Büro allein in einem Meer von Blumen. Weil im Film nur Kopp zu Wort kommt, bleibt offen, ob sie sich selber zunehmend abgekapselt hat oder ob Bundesrat, Verwaltung und Partei unter dem Druck der Medien auf Distanz zu ihr gegangen sind, wie sie selber glaubt.
Schuld und Sühne
Schuld und Sühne stehen bei Elisabeth Kopp jedenfalls aus heutiger Sicht in keinem nachvollziehbaren Verhältnis mehr. Sie hat zwar aus Loyalität zu ihrem Mann ihre Glaubwürdigkeit im Bundesrat, im Parlament, in ihrer Partei und in der Bevölkerung verspielt und dafür mit dem Verlust ihres Amtes gebüsst. Doch eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) und das Bundesgericht bescheinigten ihr danach korrekte Amtsführung und sahen in ihrem Verhalten keine Verletzung von Amtsgeheimnissen. Selbst schwierige Geschäfte (etwa im Asylwesen) hat Elisabeth Kopp genauso gut, wenn nicht besser besorgt als einige ihrer damaligen Kollegen in der Landesregierung.
Illegale Telefonüberwachung durch die PUK, falsche Vorwürfe von Medien
Kopp hat zwar unterdessen ihren Rücktritt überwunden, nicht aber die Aussagen des vom Bundesrat eingesetzten Vertreters der Bundesanwaltschaft. Bittere Worte findet sie auch für die PUK und deren Präsidenten, Moritz Leuenberger, die gemäss einem späteren Urteil des Europäischen Gerichtshofs illegal die Telefone der Kopps überwachen liessen. Dieser Fehler hat den Aufstieg des nachmaligen «Fichenjägers» in den Bundesrat nicht verhindert. Und auch jene Journalisten, die 1988 im «Tages-Anzeiger» die Firma Shakarchi Trading zu Unrecht in den Zusammenhang mit Geldwäscherei gerückt hatten und damit eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen auslösten, wurden letztlich belohnt statt bestraft: Der «Tages-Anzeiger» musste die Vorwürfe gegen das Unternehmen zwar nach zehn Jahren endlich öffentlich zurücknehmen, seine drei fehlbaren Journalisten wurden aber schon 1989 mit einem Medienpreis für ihre Arbeit belohnt. Einer von ihnen leitet heute das TV-Nachrichtenmagazin «10 vor 10», ein anderer bildet heute im Medienausbildungszentrum der Verleger Journalisten aus. So ist der Fall Kopp auch ein Lehrstück zweifelhafter Wechselwirkungen zwischen Politik und Medien.
(NZZ/mc/hfu)