Rolf Nyfeler, CEO Bachem: «Mit dem zytotoxischen Labor haben wir eine Diversifikation in einen wichtigen Zukunftsmarkt»


Von André Schäppi


Moneycab: Herr Nyfeler, der Neubau in den USA ist im Juli in Betrieb gegangen und es besteht eine grosse Nachfrage nach einem Wirkstoff, der in den USA in einem neu zugelassenen Präparat eingesetzt wird. Besteht auch bei der nunmehr gesteigerten Nachfrage genügend Kapazität für neue Projekte?


Rolf Nyfeler: Sicher haben wir noch etwas freie Kapazitäten, weil wir mit der Erweiterung einen grossen Schritt vorwärts gemacht haben. Wir erwarten ja noch zusätzliches Wachstum in den USA, da wir weitere aussichtsreiche Projekte haben. Die entsprechenden Substanzen stehen zwar noch nicht direkt vor der Zulassung, sind aber in der klinischen Prüfung. Konkret haben wir für das kommende Jahr noch Reserve, müssen aber, wenn sich die Entwicklung weiterhin so erfreulich fortsetzt, bereits für das übernächste Jahr wieder investieren. Nächstes Jahr werden Investitionen vor allem in Bubendorf getätigt, damit wir auch hier die entsprechenden Vorkehrungen für die gesteigerte Nachfrage treffen. Gruppenweit werden sich die Investitionen auf ähnlichem Niveau wie in diesem Jahr bewegen, d.h. bei etwa 25 Millionen CHF.


Wie entwickeln sich die Nachfragen in den beiden für Sie wichtigen Märkten USA und Europa?


USA ist dynamischer, da hier ein besseres Umfeld für Biotech-Firmen besteht. Und die sind für uns wichtig, weil die Pharmafirmen erst in einem zweiten Schritt an die Biotech-Firmen herantreten und ein Präparat kaufen oder lizenzieren. Aber Europa holt auf: Neben den skandinavischen Ländern, die sehr innovative Firmen haben, bei denen eine kontinuierliche Nachfrage nach unseren Substanzen besteht, haben wir auch wichtige Impulse aus Deutschland. In diesem Markt, der für uns sehr interessant ist, läuft einiges.


In Asien, speziell in Japan, würden Sie gerne noch zulegen. Ein Hinderungsgrund waren bisher allerdings Restriktionen durch den Gesetzgeber, denen Sie als Hersteller ausgesetzt sind. Hat sich hier etwas geändert?


Es ist zwar einfacher geworden, weil jetzt nicht mehr jede Firma eine eigene Importlizenz haben muss, sondern diese Funktion von einem Agenten für mehrere Firmen wahrgenommen werden kann. Trotzdem bestehen nach wie vor Restriktionen. Allerdings betrifft uns das momentan weniger, weil wir mit einigen Geschäften in Japan gut etabliert sind und im Moment keinen spezifischen Fokus in dieser Region haben. Interessanter für uns ist jedoch Australien geworden, da hier recht viele Biotech-Firmen angesiedelt sind. Insofern birgt dieses Land doch noch einiges an Potenzial.


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Mit dem zytotoxischen Labor im Wallis will man in ein neues Business-Segment einsteigen. Wo stehen Sie damit aktuell?


Wir haben das Labor in Betrieb genommen, die notwendigen Zertifizierungen erhalten und auch bereits erste Aufträge. Das trägt zwar noch nicht in grossem Umfang zum Umsatz bei, aber ein erfolgsversprechender Anfang ist gemacht. Wichtig ist ja, dass wir Erfahrungen sammeln, die wir wieder bei neuen Projekten einsetzen können.


Welcher Umsatz soll damit mittelfristig generiert werden?


Mit dieser ersten Ausbaustufe werden wir in den nächsten Jahren ein paar Millionen Franken pro Jahr generieren können. Wenn wir aber erfolgreich sind, dann können wir einen weiteren Ausbau machen. Damit haben wir eine Diversifikation in einen attraktiven Zukunftsmarkt, denn einige zytotoxische Verbindungen könnten ein grosses Potenzial bei Krebstherapien haben. Natürlich ist mit ein paar Millionen der Anteil am Gesamtumsatz von Bachem vorerst gering. Was aber wichtiger ist, kundenseitig ist das Interesse gross.


Bachem hat mit der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen von Wirkstoffen für klinische Studien begonnen. Was für Vorteile ergeben sich dadurch für den Kunden, respektive, was steckt dahinter?


Wir werden ganz klar attraktiver für unsere Kunden, denn sie können alles, den Wirkstoff ? in unserem Fall werden das oft Peptide sein ? und die Abfüllung, aus einer Hand bekommen. Damit kann er den Wirkstoff direkt im Spital für klinische Prüfungen einsetzen, ohne einen weiteren Zwischenschritt über einen Abfüller machen zu müssen. Für uns bedeutet das eine Verlängerung der Wertschöpfungskette. Wir bieten dieses Angebot deshalb an, weil wir schon derartige Anfragen hatten und damit unsere Position als Full-Service-Provider stärken. Im Moment beschränken wir die Entwicklung und Herstellung von Formulierungen von Wirkstoffen für klinische Studien auf Europa, zu einem späteren Zeitpunkt könnten wir das aber auch ausdehnen.


In welchem Umfang profitieren Sie von der gesteigerten Nachfrage bei Generika, respektive, wie lange denken Sie, wird dieser Trend anhalten?


Dazu möchte ich folgendes präzisieren: Bei nicht peptidischen Generika ist der Preisdruck recht gross, bei peptidischen Generika haben wir diesen Effekt nicht. Peptidische Generika sind wegen ihrer Komplexität auch nicht so leicht herzustellen, weshalb wir hier in einer komfortableren Position sind. Und nach dem Ablauf eines Patents sind es ja manchmal zusätzliche Darreichungsformen oder zusätzliche Kunden, die durchwegs eine Nachfragesteigerung erzeugen. Deshalb werden die generischen Peptide weiterhin zulegen.


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Im Kundensynthesegeschäft sind die Margen nicht sehr gross. Weshalb trennt man sich nicht von dieser Aktivität?


Das stimmt, die Margen sind nicht so hoch wie in anderen Bereichen, aber letztlich verdienen wir auch hier etwas. Viel wichtiger ist, dass wir damit den Fuss in der Türe haben für spätere, grössere Geschäfte. Einige Projekte, die heute einen grösseren Umsatz generieren, hatten ihren Anfang in einem Forschungsprojekt, das ein paar hundert Euro brachte. Andererseits können wir mit Kundensynthesen Prozess-Know-how entwickeln und kontinuierlich ausbauen. Dadurch können wir zu einem späteren Zeitpunkt bei der Wirkstoff-Herstellung die Prozesse sehr effizient gestalten.


Im März haben Mondobiotech und Bachem eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der patentfreien Bachem-Peptid-Bibliothek bekannt gegeben. Was ist seither in diesem Bereich gelaufen?


Der Hintergrund dazu ist folgender: Mondobiotech forscht nicht nach neuen Wirkstoffen, sondern versucht, für bereits bekannte Wirksubstanzen neue Anwendungen zu finden. Das hat den Vorteil, dass diese Substanzen einfacher und schneller auf den Markt kommen können. Ein erfolgreiches Beispiel dazu stellt das Medikament Aviptadil dar, das als Alternativprodukt zu Actelions Tracleer auf den Markt kommen könnte. Bachem produziert den peptidischen Wirkstoff dafür und wir haben auch das entsprechende Prozess-Know-how. Nun gibt es natürlich eine ganze Anzahl von Verbindungen, für die wir das Prozess-Know-how haben, und die Mondobiotech jetzt durchscreent, um mögliche Wirkstoffe zu finden. Neben Thymopentin wurde eine weitere Substanz identifiziert, für die wir eine Bestellung haben. Für uns sind das interessante Projekte, denn bei Erfolg können sich daraus durchaus grössere Aufträge ergeben.


Trotz guter Zahlen im ersten Halbjahr ist man beim organischen Wachstum recht konservativ und erhöht die Spanne von 7.5 bis 10% nicht. Weshalb so zurückhaltend?


Obwohl wir seit letztem Semester bessere Zahlen haben, wollen wir zuerst über ein paar Perioden belegen, dass diese Entwicklung nachhaltig ist. Wir sind zwar breiter diversifiziert als vor einigen Jahren. Jetzt bearbeiten wir über hundert Projekte, vor fünf Jahren waren es erst etwa dreissig. Aber als Hersteller sind wir in vielen Projekten vom Erfolg unserer Kunden abhängig. Doch wir können uns durchaus vorstellen, dass wir diese Spanne nach ein bis zwei weiteren erfolgreichen Halbjahresperioden höher ansetzen.


Wie sieht aufgrund der aktuellen Situation der Ausblick für 2006 aus und welche Erwartungen haben Sie für 2007?


Aktuell können wir die Guidance für das Gesamtjahr 2006 bestätigen: Der Umsatz wird deutlich stärker wachsen als im Vorjahr. Wir erwarten ein überproportionales Wachstum des EBIT und die EBIT-Marge wird zwischen 30 und 35% liegen. Für 2007 erwarten wir eine Fortsetzung dieser Dynamik, die auch in den kommenden Jahren anhalten sollte.


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Anfangs Jahr hat Lonza vom belgischen Pharmakonzern UCB dessen Division Bioproducts Manufacturing übernommen und ist dadurch zur Nummer 2 im Peptidgeschäft aufgestiegen. Welche Auswirkungen haben sich durch diesen Schritt bis jetzt für Bachem ergeben?


Bis jetzt keine. Wir sehen es so: Es kommt darauf an, wie sich Lonza jetzt im Markt positioniert, denn das Unternehmen ist traditionell auf die Herstellung grösserer Mengen ausgerichtet. Im Gegensatz dazu beliefern wir Kunden bereits in den Entwicklungsphasen sowie mit marktzugelassenen Wirkstoffen. UCB peilte ebenfalls grössere oder reifere Projekte an, aber so viele Aufträge im Bereich 50 bis 100 Kilogramm Wirkstoff pro Jahr gibt es nicht und wenn man an andere interessante Wirkstoffentwicklungen kommen will, muss man schon früher, im Forschungsstadium, einsteigen. Und in diesem Bereich fehlt beiden die Erfahrung, die Bachem traditionell hat. Insofern haben wir sicher gute Karten und sind optimal positioniert.





Das Unternehmen
Bachem AG ist eine unabhängige, technologieorientierte Firma, die auf dem Gebiet der Biochemikalien und pharmazeutischen Wirkstoffe innovative Produkte herstellt und Verfahren entwickelt. Vom Hauptsitz in Bubendorf, Schweiz, und Niederlassungen in Europa und USA aus arbeitet das Unternehmen weltweit und nimmt in seinem Tätigkeitsgebiet eine führende Marktstellung ein. Bachem beschäftigte 2005 575 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von rund CHF 154 Mio.


Zur Person
Der Schweizer Rolf Nyfeler wurde 1950 geboren. Nyfeler schloss seine Ausbildung als Chemiker an den Universitäten Basel, San Diego sowie am Max Planck-Institut in Martinsried ab. Er trat 1982 in die Bachem ein und durchlief verschiedene Positionen: Zuerst verantwortlich für Forschung und Entwicklung, wurde er 1998 zum COO ernannt. Der promovierte Dr. phil. II war seit 2000 Mitglied der Geschäftsleitung und übernahm auf den ersten Mai 2002 die Funktion des CEOs der Bachem-Gruppe und wurde zur gleichen Zeit Vorsitzender der Konzernleitung.

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