«Oil for Food»: Ermittlungen gegen 22 Firmen und Personen

Im Februar war noch von 5 Strafverfahren die Rede gewesen, nun befassen sich die schweizerischen Justizbehörden bereits mit 22 Verfahren im Zusammenhang mit dem Oil-for-Food- Programm der Uno. Die Bundesanwaltschaft (BA) führe zum «jetzigen Zeitpunkt 17 gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren gegen Firmen oder Personen, die der schweizerischen Strafverfolgung unterliegen», sagt BA- Sprecherin Jeannette Balmer. Die Eröffnung weiterer Ermittlungsverfahren bleibe vorbehalten. Hinzu komme ein Fall, der an einen Kanton abgetreten worden sei, weil die dortigen Behörden in gleicher Sache bereits ermittelten.


Voruntersuchung gegen Schweizer und Ausländer eröffnet
Ein weiterer Fall ist bereits zur Voruntersuchung an das Eidgenössische Untersuchungsrichteramt überwiesen worden. Dieses hat am 9. August eine Voruntersuchung gegen einen Schweizer und einen Ausländer eröffnet, die als Vermittler im Ölgeschäft mit dem Irak Saddams tätig gewesen waren. Wie es im Untersuchungsrichteramt heisst, liege der Verfahrensschwerpunkt in der Romandie. Weitere Angaben sind nicht erhältlich.


Seco behandelt kleine Zahl weniger komplexer Fälle
Die BA hat die Untersuchungen zum Oil-for-Food-Skandal im November letzten Jahres vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) übernommen. Im Rahmen einer kürzlich erfolgten Übereinkunft behandelt das Seco nun aber doch eine kleine Zahl weniger komplexer Fälle weiter. Laut Seco-Sprecherin Rita Baldegger wird in drei Fällen die Eröffnung eines Verwaltungsstrafverfahrens geprüft.


Zuwiderhandlung gegen wirtschaftliche Sanktionen, Geldwäscherei und Bestechung
Bei den Ermittlungen der Schweizer Justizbehörden geht es in erster Linie um Widerhandlungen gegen die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Irak unter Saddam, wie sie in einer Bundesverordnung aus dem Jahr 1990 festgelegt sind. Die Verordnung wurde 2003 durch das Embargogesetz abgelöst. Geprüft wird in den Strafuntersuchungen laut BA-Sprecherin Balmer zudem der Verdacht der Geldwäscherei sowie der Bestechung fremder Amtsträger.


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Bestechungsgelder bei Lieferverträgen für humanitäre Güter
Im Oil-for-Food-Programm hatte die Uno dem Irak den Export von Erdöl erlaubt, um damit den Einkauf von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen humanitären Gütern zu finanzieren. Das Programm war 1997 in Kraft gesetzt worden und endete kurz vor dem Beginn des Irak-Krieges 2003. Nach den Regeln des Programms hatten die Käufer des irakischen Öls den Kaufpreis auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Die Mittel wurden dann für Reparationsleistungen an Kuwait, für den Betrieb von Uno-Aktivitäten im Irak sowie für den Kauf humanitärer Güter eingesetzt. Um an die lukrativen Ölhandelsverträge mit dem Irak zu kommen, haben Rohstoffhändler allerdings Mitgliedern des irakischen Regimes Kommissionen gezahlt; auch für Lieferverträge für humanitäre Güter sind erhebliche Bestechungsgelder in den Irak geflossen.


Rohstoffhändler Trafigura in den USA zu knapp 20 Millionen Dollar Busse verurteilt
Die Missbräuche des Oil-for-Food- Programms sind 2004 von einer unabhängigen Kommission unter der Leitung des ehemaligen US-Notenbankchefs Paul Volcker untersucht worden. Der Ausschuss, dem auch der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth angehörte, kam zum Schluss, dass 2400 der 4000 am Programm beteiligten Firmen Saddam Hussein und seiner Entourage illegal Hunderte von Millionen Dollar haben zukommen lassen. Die Schweiz mit ihrem Rohwarenhandels-Zentrum Zug und dem Finanzplatz Genf spielte dabei eine zentrale Rolle. Der Volcker- Bericht nannte über 40 Schweizer Firmen und Personen. Ein US-Gericht hat im Mai bereits den in Luzern domizilierten Rohstoffhändler Trafigura zu einer Busse von knapp 20 Millionen Dollar verurteilt. Laut Balmer basieren die Ermittlungsverfahren der BA massgeblich auf den Erkenntnissen der Untersuchungskommission. Andere Verfahren gingen auf Hinweise der Meldestelle für Geldwäscherei oder auf Rechtshilfeersuchen zurück. Der grössere Teil der Ermittlungen in der Schweiz betreffe Firmen, die humanitäre Güter geliefert hätten, während die Volcker-Kommission schwergewichtig Rohstoffhändler unter die Lupe genommen habe.


Schwierige Beweismittelerhebung
Die BA messe dem Verfahrenskomplex «grosse Priorität bei», die Ermittlungen seien jedoch sehr zeit- und arbeitsintensiv, fügt Balmer an. Beweismittel müssten häufig auf dem Rechtshilfeweg aus dem Nahen Osten beigebracht werden: «Die Beweismittelerhebung in diesen Ländern kann viel Zeit in Anspruch nehmen, sofern sie überhaupt möglich sein wird», sagt Balmer. Konkret auf den Irak angesprochen, sagt der Sprecher des Bundesamts für Justiz, Folco Galli, Rechtshilfeverfahren mit den dortigen Behörden seien «schwierig».


Risiko der Verjährung
Damit dürfte für die BA insbesondere der Zeitfaktor kritisch werden. Die mutmasslichen illegalen Zahlungen erfolgten bis 2003. Die damalige Rechtslage sah bei Verstössen gegen die Embargo-Vorschriften eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vor.

(NZZ/mc/hfu)

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