Camille Corot: Lesendes Mädchen

Ebenso wie seine kleinen, vor der Natur entstandenen Landschaftsstudien pflegte Corot auch seine Figurenbilder nicht der Öffentlichkeit preiszugeben. Sie waren für ihn etwas Privates, was er den Blicken anderer vorenthielt. Das erstreckt sich nicht nur auf die kleinen, etwas biederen Porträts seiner Neffen und Nichten, sondern auch auf die Bilder, zu denen er meist im Anonymen verbleibende Modelle benutzte, überwiegend junge, weibliche Modelle aus dem einfachen Volk, immer allein, in ruhigen Posen, träumend, lesend, mit einer Mandoline, deren Lied verklungen ist, oder im Atelier, ein Bild auf der Staffelei betrachtend.









Weitere Bilder Corots aus der Sammlung Bührle.


Einsetzend mit den Studien der ersten italienischen Reise, erhalten diese Bilder in seinem ?uvre eine wachsende Bedeutung bis zu den alles überstrahlenden Werken seiner letzten Jahre, von der leonardesken «Frau mit der Perle» ? die keine Perle ist (Robaut 1507) ?, der monumentalen «Italienerin» (Robaut 1583) und der «Dame in Blau» (Robaut 2180), die schon ganz der Welt des Impressionismus angehört.



Lesendes Mädchen, Öl auf Leinwand. 42.5 x 32.5 cm, entstanden 1845-1850.

Sie tauchen auf in den Nachlassauktionen des Künstlers, um im Salon d?Automne von 1909 erstmals einer breiteren Öffentlichkeit in ihrer Bedeutung bewusst zu werden, und sind in jüngerer Zeit, 1962, in der Ausstellung des Louvre «Figures de Corot» erneut gewürdigt worden. Da diese Figurenbilder keinen Traditionen oder Konventionen verpflichtet sind, gehen sie in der Kühnheit der Farben und der Freiheit des pastosen Pinselvortrags weit über den Corot des Salons hinaus, hier in dem dominierenden Ziegelrot der Jacke, das sich kontrastreich von der weissen Bluse abhebt und in sanfte braune und graue Töne eingebettet ist.


Ein Bild von Feinheiten geleitet
Wenn die seit Robaut geltende frühe Datierung für das Bild richtig ist, so kündigt es doch ? auch in dem Äusserlichen der Atelierrequisiten ? die Atelierbilder der späteren Zeit schon an, zumal das weibliche Modell mit seinem Haarschmuck dasselbe zu sein scheint wie in dem «Atelier» des Louvre (Robaut 1559) und seinen Varianten. Dagegen gehört das «Lesende Mädchen» des Louvre von 1845 mehr einer klassizistisch-traditionellen Welt an. (sb/mc/th)






Sammlung Bührle , Zollikerstrasse 172
Dienstag, Mittwoch, Freitag, Sonntag, 14 – 17 Uhr

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