Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz: Fred Sandback

Die häufig augenblickshaften, flüchtigen, aber stets ganz realen minimalistischen Skulpturen von Fred Sandback bilden eine komplexe Mischung aus Linien, Flächen und Volumen, die erstaunlich gegenwärtig und zugleich völlig illusorisch erscheinen. Farbenprächtige Acrylgarne werden zwischen der Decke, dem Boden, den Wänden und Ecken eines Ausstellungsraumes aufgespannt und geben dem Betrachter Gelegenheit, einen Moment innezuhalten, indem sie magische Grenzen und Volumen erzeugen, die man durchqueren kann.







Linie und Fläche bilden den Raum
Scharf gezeichnete Linien wirken wie Kanten von Glasscheiben oder versetzen den Raum in Schwingung wie die Saiten eines Instruments. Sandback selbst sprach davon, seine Skulpturen würden in einem «fussgängerischen-prosaischen» Raum in Erscheinung treten, womit sowohl die Bewegung des Betrachters im Raum berücksichtigt wird als auch die Tatsache, dass man mit diesen Skulpturen aktiv umgehen muss.


«Die Linie ist eine Ganzheit, und sie ist identisch mit einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit.» (Fred Sandback)


Sandbacks Kunstwerke wurden zu Recht als «nomadische» beschrieben, seine Raumkonstruktionen ereignen sich im Hier und Jetzt und zwingen den Betrachter, einen körperlichen und geistigen Standpunkt zu beziehen. Das Museum in Vaduz widmet dem Künstler als erste Station einer Ausstellungstournee eine grosse Überblicksausstellung, die sich dezidiert mit dem Skulpturenbegriff auseinandersetzt. Den Kern der Schau, die in enger Kooperation mit Amy Sandback entstanden ist, bildet eine Auswahl von über 50 Werken aus den Jahren 1966 bis 2003. In Vaduz werden 32 Skulpturen und Reliefs und über 70 Zeichnungen zu sehen sein.


«Die Skulpturen wenden sich an den speziellen Raum und die spezielle Zeit, worin sie sich befinden, aber es kann sein, dass sich der vollkommnere Zustand, nach dem ich suche, erst mit der Zeit und allmählich herausbildet – mit den einzelnen Skulpturen als seinen wesentlichen Elementen.» (Fred Sandback)

Die hisorische Einordnung
«Fred Sandback» ist die erste grosse Schau, in der Fred Sandback nicht mehr selbst die Arbeiten vor Ort realisiert. Diese Situation verändert das Verhältnis dieser Ausstellung zu den bis dato realisierten Werkpräsentationen entscheidend. Die Schau folgt dem gesamten Schaffen von Fred Sandbacks Anfängen 1966 bis in das Jahr 2003 und umfasst alle Werkgruppen: frühe Metallskulpturen, Arbeiten mit elastischen Schnüren und mit Acrylgarn, das er seit 1973 als Material einsetzte, die Reliefs sowie eine grosse Anzahl Zeichnungen. Das umfangreiche druckgrafische Werk wird beispielhaft gezeigt. Die Ausstellung wird in veränderter Form in vier Ländern zu sehen sein: in The Fruitmarket Gallery Edinburgh; in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz und im capcMusée d’art contemporain, Bordeaux). Ziel ist es, dass, mit dieser ersten umfangreichen Ausstellung das Werk von Fred Sandback neu und in seiner historischen Position und Bedeutung erlebt wird.


Das leise Vortasten entlang dem Lebenswerk
Die Ausstellung geht umgekehrt vor als es bei den noch von Fred Sandback selbst realisierten Ausstellungen üblich war, auch wenn es retrospektive Elemente in seinen Präsentationen immer wieder gab. Erstmalig musste einzig aus dem immensen Werk, dessen Fülle noch längst nicht erfasst werden kann, im Vorfeld eine Auswahl für die speziellen Räume getroffen werden. Als Basis dafür entstanden Leitfäden, die dem Werk inhärent sind, und an denen entlang sich die Auswahl gesponnen hat. Es sind Denkfiguren, die der Orientierung und der Taktung der Ausstellung dienen, in der Ausstellung vernetzen sich diese Leitgedanken wieder untereinander und ergeben ein komplexes Gefüge. (kml/mc/th)

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