John Peter Strebel, Direktor Promarca: «Die Marke muss auch in Zukunft ihr Versprechen beim Konsumenten einlösen»

Moneycab: Herr Strebel, der Umsatz mit Schweizer Markenartikeln konnte dank einem verbesserten Auslandsgeschäft leicht um 0,5 % gesteigert werden, in der Schweiz war der Umsatz aber um 1 % rückläufig, er sank auf 6,6 Mrd. Franken. 40 % der einzelnen Promarca-Mitglieder verzeichneten Umsatzrückgänge. Worauf ist der Rückgang zurückzuführen?

Die Umsätze lagen im Inland tatsächlich leicht unter Vorjahresniveau. Hauptursache dafür sind neben rückläufigen Absatzmengen vor allem sinkende Preise. Die für die Promarca-Mitglieder relevanten Absatzkanäle im Schweizer Detailhandel haben ihre Preise teilweise  massiv gesenkt.

Immerhin 60 % der Unternehmen konnten im gleichen Zeitraum zulegen. Was machten diese Unternehmen besser als die anderen?

Sicher haben alle ihr Bestes gegeben. Unternehmen, welche auf Innovationen setzen, sind in der Regel immer im Vorteil: sie haben dem Konsumenten stets Neues zu bieten und sind daher auch für den Handel  interessant. Marken wie Gillette, Elmex oder Nivea sind dazu schöne Beispiele. Ein weiterer Faktor ist die Kontinuität: auf einer starken Marke aufbauen und diesen Wert nachhaltig stärken bildet Vertrauen, nicht nur beim Konsumenten, sondern auch beim Handelspartner. Das beweisen Marken wie Lindt und Kambly seit Jahren.

Da bei Aldi das Sortiment fast ausschliesslich aus Eigenmarken besteht, dürften dort Markenartikel – mit einigen wenigen Ausnahmen – keine Rolle spielen. Bei Lidl ist die Situation anders: je nach Warenkategorie beträgt der Anteil von Markenartikeln zwischen 30 und 60%. Hier kann die Markenartikelindustrie mit neuen Absatzmöglichkeiten rechnen. John Strebel, Direktor Promarca


Bei welchen Produkten achten Herr und Frau Schweizer besonders auf Markenqualität?

Promarca ist dieser Frage in Form einer Studie kürzlich nachgegangen: besonders stark achten die Konsumenten in der Schweiz  beim Kauf von Körperpflege und Kosmetik auf die Markenqualität. Auch bei Nahrungsmitteln und Getränken ist die Marke beim Einkauf sehr wichtig. Entgegen vieler Spekulationen spielen die Faktoren Sicherheit und Vertrauen nach wie vor eine zentrale Rolle: für diese Werte stehen vor allem die Marken.

Die Herstellern von Markenartikeln haben es derzeit nicht leicht. Allerorten wird über die hohen Preise gejammert, «Hochpreisinsel» ist zum geflügelten Wort geworden, Eigenmarken bekommen gerade im Detailhandel einen immer höheren Stellenwert. Wo liegen aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderun-gen Ihrer Organisation in den kommenden Jahren?

Die zentrale Rolle dabei spielt der Konsument. Die Marke muss auch in Zukunft ihr Versprechen beim Konsumenten einlösen. Diese Versprechen heissen: Orientierung, Sicherheit, Vertrauen – aber auch Innovation und Attraktivität. Dazu braucht es klare Botschaften. Auf der Ebene der Markenkommunikation ist das Sache jedes einzelnen Unternehmens. Auf der Ebene Markenartikel-Organisation wird unsere Herausforderung sein, die Rahmenbedingungen für die Markenartikelindustrie in der Schweiz weiter zu verbessern. Unabdingbar sind eine permanente, klare Kommunikation seitens Promarca gegenüber unseren Anspruchsgruppen und der konstruktive Dialog zwischen Politik und Wirtschaft.

Mehr denn je sind partnerschaftliche Beziehungen zwischen Industrie und Handel überlebensnotwendig. In diesem Bereich kann Promarca – als nicht direkt betroffene Partei – eine Mittlerrolle einnehmen. Wir  gehen davon aus, dass dieser Bedarf auch eher zunehmen wird.

Kommen wir nochmals auf die «Hochpreisinsel» zu reden. Dort steht die Politik in der Kritik, die nur zögernd Importschranken für Waren aus Europa abschaffen will, aber natürlich wird auch die Markenartikelindustrie respektive deren Preispolitik kritisiert. Wie sieht Ihre Stellungnahme dazu aus?

Alle Impulse, welche der  Schweizer Wirtschaft zu mehr Wachstum verhelfen sind willkommen, da sind wir uns einig. Allerdings müssen diese Impulse und Massnahmen wohlüberlegt und auch effizient sein. Grundsätzlich können ja bereits heute eine Mehrzahl von Konsumgütern wie jene von Promarca-Mitgliedern problemlos die Grenzen passieren. Es gibt jedoch immer noch eine Vielzahl von Gesetzen, welche eine vollumfängliche Liberalisierung behindern. Unser föderalistisches System ist in diesem Bereich auch nicht gerade förderlich. Konkrete Verbesserungsmassnahmen, wie eine Einführung des Cassis de Dijon-Prinzips in der Schweiz begrüsst Promarca – allerdings erwarten wir, dass bei der Umsetzung eine gegenseitige Anerkennung der Vorschriften zwischen der Schweiz und der EU berücksichtigt wird.

Nicht nur die Kunden kritisieren zu hohe Preise, auch Discounter wie Denner-Chef Philippe Gaydoul greifen die Markenartikelhersteller immer wieder vehement an und fordert ein Umdenken. Was entgegnen Sie Kritikern wie Gaydoul?

Denner-Discount ist für die Markenartikelindustrie ein wichtiger und guter Partner. Wie das Geschäftsprinzip sagt, setzt Denner auf «Markenartikel zu Discountpreisen» – insofern ist der Ruf nach immer tieferen Preisen und besseren Konditionen nachvollziehbar. Die Markenartikelhersteller sind nahe genug beim Konsumenten um zu verstehen, dass ihre Leistungen tagtäglich gemessen werden. Die Hersteller arbeiten permanent an der Verbesserung dieser Leistungen und suchen nach Effizienzvorteilen, welchen sie den Konsumenten und auch dem Handel weitergeben können.


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Hintergrund von Aussagen wie denjenigen von Herrn Gaydoul ist ja auch die grosse Nervosität vor dem Markteintritt von Aldi und Lidl in der Schweiz. Noch hat kein Geschäft der deutschen Discounter in der Schweiz eröffnet und trotzdem sind die Preise ins Rutschen geraten und der Druck auf die Markenartikelhersteller ist gestiegen. Wie sehr macht Ihrer Branche die Discounter-Idee und deren Erfolg quer durch alle Bereiche zu schaffen?

Auch hier gilt: Konkurrenz belebt das Geschäft! Für die Promarca-Mitglieder ist der Eintritt von neuen Retailern in die Schweiz keine negative Nachricht. Immerhin sind die Chancen intakt, dass einige der Markenartikelanbieter bei zumindest einem der angekündigten neuen Anbieter Waren liefern können. Da die Wirtschaft in der Schweiz seit der Abschwächung vor fünf Jahren nicht mehr so richtig auf Touren gekommen ist, hat sich ein Preisdruck – übrigens nicht nur bei den klassischen Konsumgütern – abgezeichnet. Die geschickt inszenierte Ankündigung der beiden Harddiscounter – unterstützt durch eine tolle Gratiskampagne in den Medien – hat die Spirale sicher noch beschleunigt. Einigen Herstellern, aber auch Retailern, macht das in der ohnehin angespannten Lage im Schweizer Markt zu schaffen, und das wird sich in naher Zukunft nicht ändern.

Einerseits werden Aldi und Lidl in der Schweiz die Situation der Handelskonzentration etwas entschärfen, auf der anderen Seite setzt gerade Aldi sehr stark auf Eigenmarken. Wie sehr wird dies die Markenartikel- hersteller in der Schweiz, wo die Migros den für Markenartikel bearbeitbaren Markt eh schon einschränkt, beeinflussen?

Tatsächlich  werden die neuen Anbieter das Angebot beleben. Da bei Aldi das Sortiment aber fast ausschliesslich aus Eigenmarken besteht, dürften dort Markenartikel – mit einigen wenigen Ausnahmen – keine Rolle spielen. Bei Lidl ist die Situation anders: je nach Warenkategorie beträgt der Anteil von Markenartikeln zwischen 30 und 60%. Hier kann die Markenartikelindustrie schon mit neuen Absatzmöglichkeiten rechnen. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass die beiden Wettbewerber den Markt kurzfristig völlig verändern werden – mittelfristig ist aber ein spürbarer Einfluss möglich.

Migros hat zwar sein Sortiment punktuell mit Leader-Marken ergänzt, wird aber auch künftig auf ihre Eigenmarken setzen. Denner hat viele Eigenmarken in den Regalen, ebenso Coop und nun auch noch Aldi. Der Migros ist in der Schweiz das gleiche gelungen wie Aldi an mittlerweile vielen Orten auf dieser Welt: Die Eigenmarken haben das Vertrauen der Kunden mit guter Qualität und fairem Preis gewonnen. Das sind schwer zu bekämpfende Argumente, oder?

Das Beispiel der Migros zeigt deutlich, dass die Konsumenten in vielen Produktekategorien der Marke klar den Vorzug geben, anders ist die Aufnahme von Markenartikeln in der Migros nicht zu erklären. Denner führt in seinem Sortiment 75% Markenartikel und ist damit sehr erfolgreich, wie die Zahlen zeigen. Aber tatsächlich gibt es einige Länder in Europa, in welchen Eigenmarken auf dem Vormarsch sind. Dies ist vor allem in Ländern mit einem tiefen Preisniveau der Fall, wie das Beispiel Deutschland zeigt. In der Schweiz ist der Markenartikelanteil mit rund 60% seit Jahren stabil – das ist ein hervorragender Wert für ein Land in welchem der grösste Retailer mit einem Eigenmarkenanteil von über 90% arbeitet! Mit auch ein eindrücklicher Beweis, dass Konsumenten den Marken nach wie vor vertrauen.

Gemäss einer Umfrage Ihres Verbandes letzten Jahres erfolgt die Eigen-markenprofilierung vor allem über den Preis. Kurz zusammengefasst ergab die Umfrage: Je höher die Kaufkraft, desto grösser die Wahrscheinlichkeit des Kaufs von Markenartikeln. Die wirtschaftliche Druck auf Herr und Frau Schweizer steigt und von steigender Kaufkraft sind viele Menschen weit entfernt. Was können die Markenartikelhersteller tun, damit die Konsumenten das grundsätzlich grössere Vertrauen in Markenartikel höher bewerten als den Preis?

Wie die erwähnte Studie auch zeigt, sehen mehr Konsumenten einen Mehrwert bei der Marke als dies bei Eigenmarken der Fall ist. Die Marke geniesst bei den Konsumenten also nach wie vor ein sehr hohes Vertrauen und Ansehen. Allerdings muss heute aufgrund des hartumkämpften Wettbewerbs mehr denn je für den Erhalt dieses Vertrauens unternommen werden. Die Ansprüche der Konsumenten an die Marke sind hoch. Auch hier gilt: nur die Besten in ihrer Kategorie werden überleben. Nebst dem Trend zu globaler Präsenz von Marken stellen wir aber auch einen Trend in Richtung Authentizität von Marken fest: der Konsument liebt «Marken-Geschichten», die nachvollziehbar, echt und lokal sind, und solche gibt es in der Schweizer Markenartikel-Landschaft zum Glück noch einige!





John Peter Strebel
Direktor Promarca

Jahrgang: 1957
Lebt mit Partnerin und zwei Kindern in Solothurn


Ausbildung:
Eidg. Dipl. Marketingleiter, Harvard USA, IMD Lausanne


Berufliche Stationen:
1986-1994: Alimarca (Valora), Leiter Division Ferrero
1994-2001: Genossenschaft Migros Aare, GL-Mitglied, Direktion Fachmärkte
2001-2003: CEO Intersport Schweiz AG
Seit 2003&Direktor Promarca, Bern

Promarca
Promarca ist die schweizerische Verbundorganisation von Markenartikelherstellern im Konsumgüterbereich (Food/Near Food).
Der Verband vertritt die Interessen von 80 Mitgliedsunternehmen, die einen Gesamtumsatz von 8,8 Mrd. Franken erzielen und ca. 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz beschäftigen.

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