CentrePasquArt RELAX (chiarenza & hauser & co)

Unter dem Titel «die belege / les quittances / the receipts» hat RELAX für die Ausstellung im CentrePasquArt eine neue, alle Ausstellungsräume (Salle Poma und Parkett 2) umfassende, mehrteilige Installation erarbeitet. Ausgehend von ihrer eigenen Belegsarchivierung und einzelner Erlebnisse zum Thema der «Belege» in den vergangen zwanzig Jahren, dreht sich die Gesamtinstallation nicht um das Geld per se aber um Menschen und Werte im Umgang mit Geld.











RELAX (chiarenza & hauser & co) nutzen wie andere konzeptuell arbeitende Kunstschaffende alle denkbaren Medien. Marie-Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser arbeiten seit 1983 zusammen und sind mit Aussagen wie «alleine denken ist kriminell» (1991) und «we save what you give» (2004) bekannt geworden.

YOU PAY. RELAX cup 2002
YOU PAY. RELAX cup 2002
»die belege, les quittances, the receipts«
RELAX präsentiert im langen Korridor des alten Gebäudeteiles sämtliche Belege ihrer Buchhaltung, die die KünstlerInnen zwischen 1984 und 2004 gesammelt haben. Kassenbelege wurden gehortet, aufgehäuft, danach die Haufen wieder abgetragen, die Belege geordnet, in Hefte übertragen und archiviert. Was in der Vitrine nicht Platz fand, steht in Ordnern und Archivschachteln auf einem Regal der Wand entlang.


Der harte Boden der Realität
Der Raumbezug des Eintretenden zur Salle Poma wird durch eine im Zugangskorridor beginnende Holzwand verändert, die zwei separate Zugänge zum grossen Saal formt. Die BesucherInnen müssen sich für den einen oder anderen Eingang entscheiden. Je nach Wahl treten sie zuerst in den grösseren dunklen Teil und müssen polternd über die auf dem Fussboden ausgelegten Holzplatten ? die geradezu den harten Boden der Realität versinnbildlichen ? schreiten, um zum zweiten kleineren zu gelangen. Als ob man sich hinter einer Kulisse befinden würde, ist hier das rohe Gerüst der eingeschobenen Holzwand als Konstruktion sichtbar. Ein darin eingelassener Ventilator bringt etwas Wind in den dunklen Raum. Oder die BesucherInnen gehen zuerst durch den schmalen kleineren


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Raum mit der weiss gestrichenen Vorderseite der Trennwand, um zum grösseren zu gelangen. In diesem gangartigen Teil beleuchtet eine von der Decke herunterhängende Glühbirne einen Tisch, auf welchem ein Plan der aktuellen Ausstellung mit dem beabsichtigen Ausstellungsprojekt ausgelegt ist. Die am rechten oberen Ende der Holzwand angebrachte Neonschrift «WHO PAYS?» ist die zweite Lichtquelle der Salle Poma. Selbstkritisch analysiert RELAX damit die gesamte Ausstellung und der eigene Umgang mit den vorhandenen Mitteln und sowie der Institution, die die Ausstellung finanziert.


Ein Notar, der seine Honorarrechnung an RELAX vorliest
In den fünf aufeinander folgenden zunehmend helleren Räumen des alten Gebäudeteils folgt mit den neuen Videoinstallationen der narrative Part. In nachgestellten Szenen mit den KünstlerInnen zeigen die Videos erlebte Geschichten von RELAX zum Ausstellungsthema. So eine Kinderkrippe, die sie bei der Arbeit beobachtet und auslacht. Eine Restaurantszene mit drei Personen, in der selbstverständlich der anwesende Mann die Rechnung erhält. Oder ein Notar, der seine Honorarrechnung an RELAX vorliest und schliesslich ein Obdachloser in New York, der sie zurückruft, um ihnen für ihre Spende eine Quittung auszustellen.


Belege, die viel belegen
Eine weitere Verarbeitung ihres Buchhaltungsarchivs bilden die Videocollage mit sechs sich überschneidenden Projektionen, die für die Ausstellung realisierte KünstlerInnen-Publikation mit Reprints der Seiten aus ihren Belegsheften und die Sonderedition mit fünf Originalquittungen. Belege, die nicht nur buchhalterische Belege sind sondern auch Beweise unzähliger weiterer Geschichten. Eine Analogie der KünstlerInnenbuchhaltung zu derjenigen der Wirtschaft und zum Wertesystem der heutigen Gesellschaft überhaupt wird geschaffen mit den über die Räume hinweg verteilten Kassenbelege, die von den Kunden in Supermärkten, Warenhäusern und Geschäften nicht mitgenommen wurden. RELAX hat diese 2005 während einer bestimmten Zeit im Wirtschaftsraum Biel gesammelt.


Die Kosten als Existenzbeweis
RELAX antwortet mit ihrer Ausstellung allen, die denken, dass Kunst keinen Preis hat oder die glauben, dass Kunst vor allem eine Freizeitbeschäftigung sei. Sind die Zahlen der ultimative Existenzbeweis einer/s KünstlerIn oder Basis eines jeden Kunstwerks? Sicher ist, dass Geldfragen seit Jahrhunderten ein wesentlicher Bestandteil der Kunst sind. Also zeigt RELAX die Finanzen in ihrer kruden Form: als Belege. Diese könnten womöglich den «objektivsten» Wert der Kunstarbeit repräsentieren. In der Erörterung der Antwort auf die immer wieder gestellte Frage nach dem ?echten? Kunstwerk präsentiert RELAX im letzten Raum Bilder zur Utopie, Sinnbilder des Kunstwerkes schlechthin. (cpa/mc/th)





Kunsthaus CentrePasquArt
Öffnungszeiten Mi-Fr: 14h-18h / Sa-So: 11h-18h
Adresse Kunsthaus Centre d’Art
Seevorstadt 71-75
CH-2502 Biel

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