Calvin Grieder, CEO Bühler: «Wir sind noch nicht am Ziel»
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Herr Grieder, Sie sind der erste ausserfamiliäre CEO der Firma Bühler. Diese Tradition wurde erst nach 140 Jahren durchbrochen. Was denken Sie, hat den Ausschlag dazu gegeben?
Calvin Grieder:
(Lacht) Das müssten Sie eigentlich Herrn Bühler fragen. Ich denke aber, dass ich einen guten Leistungsausweis mitgebracht habe. Herr Bühler war selbst lange Jahre an der Spitze des Unternehmens und konzentriert sich jetzt seit 2001 auf die Aufgaben des Verwaltungsratspräsidenten. Eine familieninterne Nachfolge für die CEO-Aufgaben war nicht in Sicht.Das diesjährige Konzernergebnis hat sich mit einer Steigerung von 72,9% auf 70,2 Millionen überdurchschnittlich erhöht. Sind Sie damit zufrieden?
Für dieses Jahr sind wir zufrieden, denn wir haben ein gutes Resultat erzielt. Allerdings sind wir noch nicht am Ziel.
Das wäre?
Ein EBIT von 8%. Immerhin haben wir uns im Vergleich zum Vorjahr bei der EBIT-Marge von 3,9% auf 5,5 % verbessert. Die 8%-Grenze haben wir noch nicht erreicht. Aber wir sind auf gutem Weg dahin.
Die 8% stehen im Zusammenhang mit der Kapitalmarktfähigkeit. Man hat sich ja bereits vor ein paar Jahren darauf ausgerichtet, für diesen Schritt bereit zu sein. Was sind die Gründe dazu?
Nun gibt es aber Firmen, die gar nicht an die Börse wollen, weil man dadurch ja auch eingeschränkt wird und sich primär an den Finanzresultaten orientieren muss. Weshalb also trotzdem diese Absicht?
Das ist auch der Grund, dass wir darauf verzichten an die Börse zu gehen, solange wir nicht darauf angewiesen sind. Denn dieser Schritt bedeutet ja einen beträchtlichen Zusatzaufwand. Zudem können wir im Moment viel freier funktionieren. Trotzdem haben wir unsere Rechnungslegung vollständig auf IAS/IFRS ausgerichtet, geben einen detaillierten Geschäftsbericht heraus und unterrichten die Presse intensiv. Wir fahren also bereits wie ein öffentliches Unternehmen.
Als Unternehmen in Familienbesitz kann Bühler anders arbeiten als eine börsenkotierte Firma. Was bietet das für einen CEO für Vorteile?
Ich kann mich auf das Geschäft und die Mitarbeiter konzentrieren und muss mich nicht um börsenrelevante Angelegenheiten kümmern. Das ist sehr wertvoll.
«Wir sind nicht einfach eine grosse Maschinenfabrik, sondern wir wollen für unsere Kunden ganz klar der beste Anlagenentwickler, Technologie-Lieferant und Prozessberater sein.» Calvin Grieder, CEO Bühler
Wann erwarten Sie, dass die neuen Produkte, also z. B. Nanotechnologie (zum Beispiel kratzfeste Beschichtungen) und Panatura (ein Halbfabrikat, das die Produktionszeit von Hefegebäcken und Broten wesentlich verkürzt) etwas zur Erfolgsrechnung beitragen?
Beide Geschäfte haben schon Umsätze im Bereich Engineering generiert. Wir erwarten aber schon für 2005 einige Millionen und haben bereits konkrete Aufträge.
Wohin soll sich der Bereich Nanotechnologie bewegen?
Nanotechnologie muss man als einen Teil unseres Geschäft im Nonfood-Bereich sehen. Wir betreiben ja sehr viele Entwicklungen für Farben und Beschichtungen. Hier geht es beispielsweise darum, die Farben sehr viel feiner zu mahlen für Ink-Jet-Anwendungen, oder Beschichtungen zu verfeinern, damit Feuchtigkeit abperlt oder die Oberfläche kratzfest wird. Damit stellt die Nanotechnologie eine Erweiterung unseres Geschäfts dar. Es ist deshalb nicht so, dass Nanotechnologie ein neuer Geschäftszweig wird. Vielmehr setzen wir sie in unseren bestehenden Applikationsfeldern ein.
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Im vergangenen Jahr ist Bühler mit Veripan ein Joint Venture im Bereich Food-Technologie eingegangen. Damit bewegt man sich weg vom reinen Anlagenbauer zum Technologie-Entwickler. Wie wird sich dieser Trend weiter fortsetzen?
Jawohl, das ist der Weg, den wir gehen werden. Wir sind nicht einfach eine grosse Maschinenfabrik, sondern wir wollen für unsere Kunden ganz klar der beste Anlagenentwickler, Technologie-Lieferant und Prozessberater sein.
Die Entwicklung in den Märkten von Bühler ist geprägt von Rohstoffpreisen: Wird Getreide oder Öl teurer, investieren die Mühlen respektive die Kunststoffindustrie weniger in neue Anlagen, was Bühler als Hersteller zu spüren bekommt. Steigen die Stahlpreise, schmälert dies wiederum die Margen von Bühler im Anlagenbau. Wie wichtig sind für Sie die Rohstoffpreise, zum Beispiel Stahl?
Stahl ist für uns ein wichtiges Rohmaterial und die Preise sind im letzten Jahr um 50 und mehr Prozent gestiegen. Diese Preise können wir nur zum Teil an die Kunden weitergeben, denn er kauft bei uns ja eine Technologie. Letztlich wäre ohne diesen Faktor unser eigentlich glänzendes Resultat noch besser gewesen.
Hat sich für Sie die Konkurrenz verstärkt und spüren Sie einen stärkeren Preisdruck?
Ja, das ist so, unsere Konkurrenten schlafen nicht. Auf der anderen Seite wirken Preiserhöhungen bei Stahl für unsere Mitbewerber genauso. Wir versuchen aber, uns durch neue und innovative Produkte und Technologien von unseren Konkurrenten zu differenzieren und dadurch den Marktvorsprung zu erhalten.
Viele Kunden von Bühler sind in gesättigten Märkten aktiv, z. B. Bierbrauer oder Teigwarenhersteller. Dazu kommt, dass gewisse Märkte Umsatzeinbrüche verschmerzen mussten. In USA z.B. wegen spezieller Diäten. Was tut man, damit die Kunden sich in einem schwierigen Umfeld behaupten können?
In gesättigten Märkten kann man nur mit einer hohen Innovationsfähigkeit bestehen. Wir müssen also quasi für unsere Kunden neue Märkte entwickeln. Dazu haben wir auch ein Geschäftsmodell, bei dem wir unsere Kunden direkt in ihrem Geschäftsprozess unterstützen und ihnen die Möglichkeit zur besseren Differenzierung geben. Ein Beispiel dazu ist die Entwicklung unserer Low-Carb-Pasta, die sich in den USA als wahrer Verkaufsschlager entwickelt haben. Damit konnte einer unserer Kunden in einem Teil des Teigwarenmarkts, der durch einen Gesundheitstrend eingebrochen war, wieder Terrain gut machen.
Birgt das denn keine Risiken?
Doch, hier müssen wir darauf achten, dass Technologie-Know how von uns und von unseren Kunden nicht an Dritte fliesst. Vertraulichkeit steht also an oberster Stelle. Wir geniessen aber grosses Vertrauen bei unseren Kunden, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass viele namhafte Unternehmen wie Nestlé oder Kraft seit vielen Jahrzehnte zu unseren Kunden gehören.
Das lukrative Servicegeschäft soll von heute 16% auf 25% des Gesamtumsatzes ausgebaut werden. Haben Sie da nicht zu starke Konkurrenz von kleinen und agilen Piraten, sodass dieser Schritt schwer fallen dürfte?
Das haben wir in der Vergangenheit vielleicht ein wenig zu stark zugelassen. Wir wehren uns aber dagegen, denn wir haben ja oftmals lokal Niederlassungen mit einer Produktion, die diese Funktion übernehmen können und die ebenso agil sind wie reine lokale Anbieter.
Unsere Strategie ist es deshalb, die Technologie zentral anzubieten und das Servicegeschäft lokal ausweiten.
Was unternimmt man als Anlagenbauer, um sich gegenüber Billiganbietern aus Asien behaupten zu können?
Zuerst müssen wir schauen, dass unser Know-how nicht abfliesst. Dann müssen wir aber auch vermehrt rechtliche Schritte einleiten. Aber Billigkonkurrenten können wir nicht von der Schweiz aus schlagen. Deshalb sind wir mit unseren Aktivitäten eben vor Ort und produzieren dort auch. Diesen Weg werden wir mehr und mehr einschlagen müssen.
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Unternehmen wie ABB verlegen grosse Teile der Forschung nach Asien oder könnten sich sogar vorstellen, den Firmensitz nach China zu verlegen. Wäre das auch für Bühler denkbar?
Bühler ist bereits seit 80 Jahren in Asien präsent und heute arbeiten dort schon rund 1/6 unserer Belegschaft, also etwa 700 Mitarbeitende in China und weitere 300 Leute in der restlichen asiatischen Region. Wenn der asiatische Markt zunimmt, werden wir das weiter ausbauen. Der Engineering-Anteil ist dort jedoch gering; das heisst, die Entwicklung findet vor allem in der Schweiz, Europa und den USA statt. Das ist auch der Grund, weshalb wir in den Standort Schweiz investieren.
Wie entwickelt sich der asiatische Markt im Bereich Druckguss?
Bisher haben wir Erfolg gehabt mit unseren Druckguss-Anlagen. Wir sehen, dass sehr viele Automobilzulieferanten nach Asien gehen und die ziehen ihre Zulieferer mit. Das gilt auch für uns. deswegen haben wir begonnen, unsere Produktion in Wuxi (China) für die Endmontage von Druckgussanlagen in Asien zu nutzen. Wir passen die Fabrik weiter an und produzieren dort seit kurzem auch Komponenten, die weniger komplex sind wie Maschinen-Grundplatten oder Gusseisenteile. Dieser Trend wird sich fortsetzen.
Wie ist die Geschäftsentwicklung in den einzelnen Regionen?
Asien ist ganz klar stärker gewachsen und Europa am langsamsten. Das deshalb, weil wir hier eine gewisse Sättigung haben. In Afrika haben wir ein grosses Potenzial an Produktionsanlagen für Nahrungsmittel. Die Investitionsfreudigkeit hängt aber von der politischen und finanziellen Entwicklung ab. Das gleiche gilt für den Nahen Osten oder Südamerika.
Profitiert Bühler vom Renommee der guten Schweizer Qualität, zum Beispiel in Asien?
Absolut. Das ist sogar ein ganz wichtiger Faktor, denn Schweizer Qualität und Seriosität sind heute immer noch ein Gütesiegel.
Sie haben gesagt, dass man das Portfolio 2006 anpassen will. Heisst das durch Übernahmen oder durch Desinvestitionen?
Das ist eine Frage, die wir uns ständig stellen müssen. Wir denken aber primär an Erweiterungen. Wir wollen unsere bestehenden Geschäfte ja weiterentwickeln. Der Markt bestimmt jedoch, in welche Richtungen wir uns entwickeln und da kann ich nicht ausschliessen, dass wir für eines unserer Geschäfte einen besseren Partner finden.
Das zielt auf die Konzern-Strategie. Ende 2001 hat man eine neue Konzern-Strategie eingeschlagen, welche sich konsequent auf das bestehende Kerngeschäft in attraktiven Wachstumsmärkten ausrichtet und sich dabei an den profitablen Elementen der Wertschöpfungskette orientiert. Neben den Standbeinen der Bühler-Gruppe in den Bereichen Grund- und Spezialnahrungsmittel sollten die Aktivitäten in den Wachstumsmärkten Extrusions-, Mikro- und Nano- sowie Druckgusstechnologie gezielt ausgebaut werden. Besondere Bedeutung hat man den speziellen Kernfähigkeiten zugemessen, zum Beispiel der Automation und der Sortiertechnik. Wo steht man jetzt? Sind Korrekturen notwendig?
Tatsächlich sind wir in diesen Bereichen erfolgreich. Im Moment gibt es keinen Bedarf, uns hier anders zu orientieren. Es sei denn, es ergäbe sich eine sehr attraktive Gelegenheit, die würden wir natürlich nutzen.
Wie beurteilen Sie die Aussichten für 2005?
Wir sind gut gestartet. Die Ausgangslage ist also vergleichbar mit der des Vorjahres. Es gibt aber Unsicherheiten wie die Entwicklung der Wechselkurse oder der Rohstoffpreise. Diese Faktoren haben sehr schnell einen gewichtigen Einfluss auf das Resultat. Aber auch politische Entwicklungen beeinflussen unser Geschäft. Hätten wir beispielsweise den Einbruch wegen des Irak-Krieges nicht gehabt, bei dem unser Geschäft im Mittleren Osten auf weniger als die Hälfte geschrumpft ist, hätte 2004 unser Wachstum anstelle der +9,3 Prozent rund +14 Prozent betragen.
Herr Grieder, Bühler-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, das die Verdaubarkeit von Kohlenhydraten vermindert. Dies soll beim Pastaverzehr zu verringerter Kalorienaufnahme führen. Die sogenannte Low-Carb-Pasta wird gemeinsam mit einer Firma in den USA hergestellt. Essen Sie gerne Low-Carb-Pasta?
(Lacht) Ich habe die Teigwaren probiert und keinen Unterschied im Geschmack zu herkömmlicher Pasta festgestellt.
Calvin Grieder
Calvin Grieder wurde am 17. Mai 1955 in Washington, D.C. (USA), geboren. Im Rahmen leitender Tätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen aus den Bereichen Automation und Anlagenbau (Georg Fischer AG, Bürkert-Contromatic AG, Mikron AG, bei der SIG Schweizerische Industrie Gesellschaft sowie bei der Swisscom AG), hat der gelernte Diplom-Ingenieur, der an der ETH Zürich Verfahrenstechnik studiert hat, seine Kompetenz beim Auf- und Ausbau von Geschäftsfeldern im In- und Ausland bewiesen. Seit dem 1. Januar 2001 steht er der Bühler AG als CEO vor.
Kurzportrait Bühler
Bühler ist der weltweite Spezialist für Anlagenbau und Services zur Wandlung von nachwachsenden Rohstoffen und synthetischen Materialien in hochwertige funktionale Produkte und Wertstoffe. Bühler beschäftigt weltweit rund 6000 Personen.
Das Unternehmen ist führend in den Grundtechnologien Mahlen, Mischen, Fördern, thermische Behandlung und Formen für die Verarbeitung von Getreide und Nahrungsmitteln, Herstellung und Veredelung von technischen Materialien und für den Druckguss.
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