Kunsthaus Bregenz – Rachel Whiteread: Walls, Doors, Floors and Stairs
1993 erhielt sie den renommierten Turner-Preis, und 1997 wurde ihr für ihren Beitrag zur Biennale in Venedig eine Medaille verliehen. Sie hat ihre Arbeiten weltweit in zahlreichen Einzelausstellungen präsentiert und bedeutende Werke für den öffentlichen Raum geschaffen, u. a. das »Holocaust-Mahnmal« (2000) in Wien, »Monument« (2001) in London und »Water Tower« (1998) in New York. Überstülpte Räume Spricht man von einer bestimmten Atmosphäre im Raum, sagt man metaphorisch, er sei von Angst, Trauer, Anspannung oder dergleichen erfüllt. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die vorausgesetzte Leere des Raums, die einem erlaubt, ihn mit etwas zu füllen. Kaum jemand hat diesen Vorgang des Füllens so wörtlich genommen wie die britische Künstlerin Rachel Whiteread, die Räume ausfüllt ? mit Industriematerialien wie Gips, Beton, Gummi, Polyesterharzen und anderen Substanzen. Sobald das Material hart geworden ist, wird die äussere »Hülle« entfernt. Die entstandene Skulptur weist an ihrer Oberfläche die Abdrücke des sie vormals umschliessenden Materials auf. Mit ihrem Negativabgussverfahren verwandelt die Künstlerin Leerraum in Volumen. Whitereads Werke sind meist Abgüsse von Innenräumen von Möbeln oder Gebrauchsgegenständen wie z. B. Matratzen, Schränken oder Badewannen. Seit 1990 wendet sie sich auch grösseren Dimensionen zu: ganzen Wohnräumen und sogar einem Haus sowie einzelnen Architekturelementen wie Böden, Türen und Treppen. Fast alle ihre Werke zeichnen sich durch eine gewisse Monumentalität aus. Material und Form der Objekte verleihen den Arbeiten mitunter eine überwältigende Kompaktheit. Ihre massiven Kolosse lösen eine Kette von emotionalen, symbolischen, metaphorischen, persönlichen oder gar moralisch-politischen Reflexionen aus. |
Rachel Whiteread |
»Ghost« (National Gallery, Washington D.C.),1990, | Ghost, 1990 Gips und Stahlgerüst 270 x 318 x 365 cm |
»House« | |
Im Mittelpunkt steht das Haus | «Walls, Doors, Floors and Stairs» |
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Büro im Broadcasting House der Londoner BBC-Zentrale Der ursprüngliche Raum 101 der in Bregenz ausgestellten Arbeit »Untitled (Room 101)«, 2003, war ein Büro im Broadcasting House der Londoner BBC-Zentrale, in der George Orwell während des Zweiten Weltkriegs eine Zeit lang in der Indian Section des Eastern Service arbeitete. Der Raum lieferte Orwell die Inspiration für die Folterkammer in seinem Roman »1984«. Auf Einladung des BBC nahm Whiteread einen kompletten Abguss des Zimmers. Wenngleich der ursprüngliche Raum zu Orwells Zeiten vermutlich anders aussah, wird durch dessen Abformung die Skulptur über die bloße Form hinaus mit Erinnerung aufgeladen. | «Walls, Doors, Floors and Stairs» |
Den Boden «gekehrt» Seit den frühen 1990er-Jahren macht Rachel Whiteread Bodenabdrücke: »Ich habe schon früher im Atelier Bodenabgüsse gemacht. Ich dachte immer, die sind wie die Eingeweide eines Hauses, wie die versteckten Winkel, die sonst niemand zu Gesicht bekommt.« (Rachel Whiteread in einem Interview mit Andrea Rose) Die Künstlerin betrachtet ihre Boden-Arbeiten als niemals abgeschlossen, da sie von den Schritten der Besucher verändert werden können. Die Spuren der Schritte aus der Vergangenheit überlagern und vermischen sich mit den Schritten der Gegenwart. Im Fall von »Untitled (Bronze Floor)«, 1999?2000, handelt es sich um einen Abguss des Bodens aus dem Haus der Kunst München, der auf die Mitte der 1930er-Jahre zurückgeht, in der in Deutschland der Nationalsozialismus an der Macht war. Die Überführung von einem Zeugnis desselben in ein zeitgenössisches Gebäude löst unausweichlich Erinnerungen an die Vergangenheit aus, was den Gehalt der Skulptur verdichtet. | Untitled (Bronze floor), 1999-2000 Patinierte Bronze Untitled (Cast Iron Floor), 2001 Gusseisen und schwarze Patina, 99 Einheiten |
Ein Element des eigenen Lebens Whitereads Treppen entfernen uns in doppelter Hinsicht von der Realität. Der leere Raum unter der Treppe wird zunächst dadurch negiert, dass er in eine undurchdringliche geschlossene Form verwandelt und dann um seine eigene Achse gedreht wird, wodurch die Gesetze von Orientierungssinn und Schwerkraft aufgehoben erscheinen. Solche gleichermaßen fremdartigen wie vertrauten Konfigurationen zwingen einen dazu, sich selbst auf dem Weg nach oben oder nach unten vorzustellen. Rachel Whitereads Treppen stellen so die Glaubwürdigkeit unserer Wahrnehmung in Frage und verkörpern Absurdität und Unmöglichkeit.(khb/mc/th) | «Walls, Doors, Floors and Stairs» |