Jürg Rämi, CEO EuroAirport:«Bei Veränderungen gibt es immer Chancen»
Moneycab: Herr Rämi, der EuroAirport hat bewegte Zeiten hinter sich. Zuerst die schlechten Nachrichten über die Abbau-Pläne der Swiss, dann die «good news», dass easyJet drei Flugzeuge am EuroAirport stationieren wird. Was überwiegt, die Enttäuschung oder die Freude?
Herr Rämi: «Good news» machen immer Freude. Bewegte Zeiten sind aber auch spannend und fordern heraus. In den letzten paar Jahren hat der EuroAirport gezeigt, dass er auch bei unsicheren Zeiten innovativ sein kann und damit Erfolg erzielt.
Die neusten Restrukturierungen bei der Swiss kamen für Sie sicher nicht überraschend. Aber hätten Sie einen kompletten Rückzug der Swiss aus Basel resp. die geplante Übergabe der Verbindungen ab Basel an andere Airlines erwartet?
Die Swiss steht unter Kostendruck und sucht natürlich nach entsprechenden Lösungen. Die neuesten Restrukturierungspläne haben uns daher nicht überrascht. Ob die Swiss sich aus Basel komplett zurückzieht, steht aber heute noch nicht fest. Sollte sie einen guten Netzbetreiber finden, der die bestehenden Swiss-Linien wirtschaftlich und profitabel operiert, könnte dies sogar positiv für den EuroAirport und die Region sein.
Was für Auswirkungen erwarten Sie für den EuroAirport durch den Swiss-Entscheid? Wo sehen Sie durch die Veränderungen auch Chancen?
Bei Veränderungen gibt es immer Chancen. Heute stehen wir in Kontakt mit vielen Airlines und sind zuversichtlich, dass einige bereit sind, die Swiss-Linien zu übernehmen, sollte Swiss keinen alternativen Betreiber finden. Wir gehen davon aus, dass wir etwa 80% der Linien mit anderen Airlines ersetzen könnten.
Erfreulich ist für den EuroAirport der Ausbau der Geschäfte von easyJet in Basel-Mülhausen. Die Billig-Fluggesellschaft wird ab Juni drei Maschinen am EuroAirport stationieren. Was für Auswirkungen vor allem auch punkto Arbeitsplätzen wird der Entscheid von easyJet haben?
Durch die neue Betriebsbasis von easyJet am EuroAirport werden am Standort ungefähr 180 direkte Arbeitsplätze geschaffen. Zusätzlich entstehen in der Bodenabfertigung weitere 200 Stellen. Der easyJet-Entscheid bedeutet eine grössere Auswahl an Destinationen ab dem EuroAirport und 1,5 Millionen zusätzliche Passagiere ab Juni 2005 über einen Zeitraum von 12 Monaten. Wir rechnen damit, dass ungefähr 50% dieser Passagiere Incoming-Passagiere sind, d.h. dass die Hotels und andere touristische Angebote in der Region das auch sehr positiv spüren werden.
EasyJet ist schon heute einer der wichtigsten Carrier auf dem EuroAirport. Von was für einem Marktanteil, wie vielen Flügen und wie vielen transportierten Passagieren bei easyJet gehen Sie nach der Eröffnung der neuen Betriebsbasis in Basel-Mülhausen aus?
Nach Beginn der Operationen am 28. März 2004 hat easyJet Ende 2004 10% Marktanteil, und bedient vier Destinationen (London Luton, London Stansted, Liverpool und Berlin Schönefeld) mit 6 täglichen Flügen. Die bestehenden easyJet-Linien plus die Betriebsbasis ab Juni sollten 1,5 Millionen Passagiere über 12 Monate generieren. Somit wird easyJet 2006 einen Marktanteil von ungefähr 40% erreichen.
Der EuroAirport hat ein erfolgreiches Jahr 2004 hinter sich. Mit knapp 2,5 Mio. Passagieren wurde eine Zunahme von 2,4 % erreicht. Im Budget war man von einem Minus von 5 % ausgegangen. Welche Gründe führen Sie für diese Trendwende an?
Die Trendwende ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen : gezielte Investitionen ins Marketing mit dem Ergebnis der Erweiterung des Flugangebots im Passagierbereich auch mit «Low-Cost»-Flügen, und innovative Massnahmen, wie z.B. eine differenzierte Gebührenordnung. 2004 haben wir insgesamt 7 neue Fluggesellschaften am EuroAirport begrüsst, nämlich ARIA, British Airways, easyJet, Hello, JAT Airways und Twin Jet, nicht zu vergessen Malaysian Cargo Airlines. Wir haben unser Passagierangebot um 8 neue Destinationen erweitert : Belgrad, Bordeaux, Liverpool, London City, London Luton, London Stansted, Toulouse, La Romana. Es gibt viele verschiedene Airlines mit unterschiedlichen Angeboten und mehr Wettbewerb auf einzelnen Strecken. Das belebt das Geschäft.
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«Unser Ziel im Charterbereich ist wettzumachen was wir verloren haben, und die Passagierzahlen von 2003 sogar zu übertreffen. »
Während der Linienverkehr ein deutliches Plus von 8 % verzeichnete, ging im Charterverkehr die Zahl der Passagiere um 13 % zurück. Werden sich diese Bewegungen in diesem Jahr fortsetzen?
Die Erweiterung des Charterangebots ist eine unserer Prioritäten für 2005. In diesem Jahr gibt es ein grösseres Sitzangebot ab dem EuroAirport offeriert durch über 40 verschiedene Reiseveranstalter inkl. TUI, Thomas Cook, Starter, FTI und Marmara. Neue Destinationen sind Dubrovnik und Splitt, sowie Chania in Nord-Griechenland. Es wird mehrmals täglich in die Türkei geflogen und Antalya erscheint erstmals als Liniendestination zweimal pro Woche mit Sun Express. Darüber hinaus wird die Präsenz von Schweizer Reiseveranstalter z.B. Castell Reisen und Bentours verstärkt, und wir möchten das Angebot von sogenannten Heimatflügen erweitern. Unser Ziel im Charterbereich ist wettzumachen was wir verloren haben, und die Passagierzahlen von 2003 sogar zu übertreffen.
Wie sieht es im Frachtbereich aus?
2004 nahm das Frachtaufkommen insgesamt um 8% zu. Geflogene Fracht ist dank der Fortsetzung der Flüge von Korean Air und der Aufnahme von Flügen von Malaysia Airlines Cargo um 54% gestiegen. Mit 2,7% Zunahme bleibt die Entwicklung der Expressfracht positiv. Der EuroAirport bleibt somit der drittgrösste regionale Frachtflughafen Frankreichs.
Nach einem Betriebsverlust im Jahre 2003 wird der EuroAirport 2004 wieder schwarze Zahlen schreiben. Der Cashflow reicht jedoch vorderhand nicht aus, um die Schulden in der Höhe von rund 165 Mio. Euro abzubauen. Wann erwarten Sie, dass die Schuldenlast gesenkt werden kann?
Nebst den Investitionen im Marketingbereich haben wir unsere Betriebskosten substantiell sinken können. Auch in Zukunft werden wir ein konsequentes Kostenmanagement betreiben und uns auf die notwendigsten Investitionen beschränken. Unsere Überschuldungssituation wird aber über die nächsten Jahre noch andauern. Positiv ist, dass wir die Finanzierungskosten im mittelfristigen Bereich auf max. 3,5% limitieren können.
Letzte Frage: Den Turbulenzen im internationalen Fluggeschäft und der vielen kaum kalkulierbaren Risiken zum Trotz ? in welche Richtung entwickelt sich der EuroAirport bis ins Jahr 2010?
Wir wollen das regionale Netz verbessern, gezielt Langstrecken im Charterbereich einführen und die Expressfracht weiterentwickeln. Unsere Infrastrukturen sind auf 6 bis 7 Millionen Passagiere ausgelegt und wir möchten möglichst viel von unserer Anlage auslasten. Langfristige Ziele sind der Bahnanschluss und die Trinationalisierung unseres Flughafens. Wir wünschen uns einen echten trinationalen Flughafen mit einer formellen Beteiligung Deutschlands.
Der Gesprächspartner
Direktor Flughafen Basel-Mulhouse
Jahrgang: 1955
Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder
Jürg Rämi, Absolvent der Swissair Luftfverkehrschule (Diplom 1976), hat sich konsequent weitergebildet, u.a. mit Kursen an der Universität St-Gallen und der Harvard Business School (AMP 1995). Er verfügt über 28 Jahre Erfahrung in der Luftfahrtbranche, zehn davon war er mit internationalen Aufgaben betraut. Seit September 2002 amtiert er als Direktor des Flughafens Basel-Mulhouse.
Rämi arbeitete acht Jahre lang am Flughafen Basel-Mulhouse für Swissair. Er bekleidete eine Reihe anderer wichtiger Posten bei Swissair, und zwar in der Schweiz (Basel und Zürich), in Spanien (Barcelona) und Schweden (Stockholm). Er war unter anderem General Manager der Swissair in Stockholm (1992-1993. Von Genf aus leitete er von 1993 bis 1996 die Bodendienste der Swissair (110 Auslandsvertretungen). Von Zürich aus verantwortete er von 1997 bis 2001 als Vice-President Sourcing and Quality Flugplanung, Einkauf vom Unterhalt der Flotte und der Bodendienste, Flughafengebühren sowie die Swissair-Mitsprache bei der Planung der Flughafeninfrastrukturen.