Alberto Alessi: «Eine Art Forschungslabor für Design und angewandte Kunst»
Moneycab: Herr Alessi, Sie haben einmal gesagt, es wäre Ihr grösster Traum, eines Tages ein Alessimobil zu produzieren. Haben Sie sich diesen Traum mit dem im letzten Jahr vorgestellten Fiat Panda Alessi erfüllt?
Alberto Aless: Teilweise ja. Das Projekt ist zwar nur ein Neudesign des bestehenden Panda und nichts völlig Neuartiges, aber für uns war es eine schöne Aufgabe, die uns meiner Meinung nach auch ausgezeichnet gelungen ist. ? Ich betrachte es als eine Art Propädeutikum, Vorstudien für ein ganz und gar neues Auto, das sie uns hoffentlich schon bald entwerfen lassen?
Wo hat Ihr Designer Stefano Giovannoni Hand angelegt, wo liegen die Unterschiede zum Panda-Serienmodell? Haben Sie sich nie überlegt, ein vom Design her grundsätzlich neues Auto zu kreieren?
Beim Entwurf des Panda Alessi versuchte ich, ein Restyling zu planen, das im Wesentlichen das ursprüngliche Design des Fahrzeugs beachtet, gleichzeitig aber durch die Farbgebung mit starker kommunikativer Wirkung ein junges, frisches, extrovertiertes und farbenfreudiges Bild schaffen sollte. Ich entwarf ad hoc nur jene Elemente, die auf kleinen innovativen Ideen basierten und vor allem bei der Innenausstattung des Fahrzeugs aus praktischen Bedürfnissen entstanden. Da ich mir bewusst war, dass jedes veränderte Element beachtliche Investitionen erfordert, versuchte ich, ein originelles Aussehen zu schaffen, dabei aber eine möglichst geringe Anzahl von Teilen zu verändern. Während sich der glorreiche alte Panda mit seinen strengen geometrischen Formen vorwiegend an eine männliche Kundschaft richtete, hat der neue Panda und insbesondere der Panda Alessi aufgrund seines freundlichen Charakters ein junges und vor allem weibliches Publikum als Zielgruppe.
Die Uhrenserie zeigt ebenso wie das «Alessimobil» ein neues Konzept: In diesen Objekten versteht sich Design nicht mehr als hübsche Draufgabe für den Konsumenten, sondern als selbstverständlicher Anspruch. Sie arbeiten dabei auch mit anderen Unternehmen zusammen. Was verlangen Sie von diesen? Wie lautet die Alessi-Philosophie, die man verstehen muss, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
Für mich ist Alessi eine Art Forschungslabor für Design und angewandte Kunst.
Unsere Arbeit erscheint mir als kontinuierliche Vermittlungstätigkeit zwischen internationaler Kreativität auf höchstem Niveau im Produktdesign einerseits und den Träumen der Öffentlichkeit (ich spreche vom so genannten «Markt») andererseits.
In unserem originären Tätigkeitsfeld betreiben wir eine Forschung, die ich bezüglich ihrer expressiven Sprache als wirklich einzigartig bezeichnen kann: Wie wir an stilistische Fragen und Trends herangehen, so dass sich die Suche und Zusammenarbeit mit den grössten internationalen Talenten des Designs wie von selbst ergibt. Von unseren Partnern verlangen wir vor allem, dass sie nachdenken und klar entscheiden, ob sie wirklich die Absicht haben, exklusives Design zu produzieren, und dann muss es sich natürlich um führende Vertreter ihrer Branche handeln.
Wie gehen Sie mit Kritik um? So wirft Ihnen ein Kritiker der Uhrenserie unter dem Label Alessi vor, sie demonstriere nicht mehr gestalterische Auffassungsvielfalt, sondern Beliebigkeit ? in der Hoffnung auf schnelles Geld.
Die Behauptung, ich hätte irgendetwas in meinem Leben in der Hoffnung auf schnelles Geld gemacht, weise ich mit aller Entschiedenheit zurück! Damit will ich natürlich nicht sagen, alles, was wir jemals hervorgebracht haben, sei perfekt, und ich höre Kritikern auch aufmerksam zu. Ihre Einwände helfen enorm, unsere Arbeit zu verbessern.
Alessi versteht sich nicht als industrieller Massenproduzent, will aber trotzdem mit aussergewöhnlichen Designs den Geschmack der Masse treffen. Was ist das Erfolgsrezept hinter einer solchen Gratwanderung?
Nun, etwa die Umsetzung der Formel Raymond Loewys: «MAYA» ? das steht für «most advanced yet acceptable», also Avantgarde ja, aber akzeptabel muss sie sein. Es war schon immer das Ziel guten Industriedesigns, nicht so sehr «exklusiv» als «inklusiv» zu sein. In der Praxis heisst das, maximale Qualität einem grösstmöglichen Publikum näher zu bringen? Es stimmt schon, es ist eine Gratwanderung, den Ausgleich zwischen Kultur und Markt zu finden!
Sie arbeiten ja selbst nicht als Designer, sondern sehen Ihre Funktion darin, Designer wie Giovannoni zu finden und ihnen bei der Verwirklichung ihrer Inspirationen zu helfen. Wie gross ist der Freiraum der Designer und wo lassen Sie Ihren Rat einfliessen?
In heiteren Momenten sehe ich mich als «designers› designer» ? meine Designer haben jedenfalls per definitionem in ihren kreativen Momenten grösstmögliche Freiheit. Natürlich müssen wir auch den komplexen Prozess der technischen Machbarkeit berücksichtigen, doch das ändert nichts am Grundkonzept der kreativen Freiheit, das meiner Ansicht nach zur Schaffung kleiner poetischer Meisterwerke einfach unabdingbar ist.
Alessi ist eine aussergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Ihr Name steht für praktische, formschöne Accessoires und Produkte. Was unterscheidet Alessi von der Konkurrenz – oder anders gefragt – woran mangelt es der weniger erfolgreichen Konkurrenz?
Von einem Mangel würde ich da nicht sprechen, vielleicht sind die anderen sogar besser an die Konsumgesellschaft angepasst… Manchmal glaube ich, dass diese Mühe, die wir uns geben, um wirklich gute Kreationen hervorzubringen, eigentlich gar nicht gerechtfertigt ist… ein bisschen wie die Geschichte von Don Quichotte und den Windmühlen?
Zum Abschluss eine persönliche Frage: Die Produktpalette von Alessi umfasst mittlerweile über 2500 Objekte. Welche sind Ihnen davon besonders ans Herz gewachsen, und welche Rolle spielen Alessi-Objekte in Ihrem privaten Alltag?
Eigentlich verwende ich sie alle, aber tatsächlich schätze ich einige ganz besonders: Da ist einmal der Espressokocher 9090 von Richard Sapper, aber auch sein Kochgeschirr, die Conica von Rossi, ebenfalls eine Espressomaschine, das Besteck Dry von Castiglioni und die Besteckgarnitur Nuovo Milano von Sottsass, die neue Wanduhr von Mendini, der Weinflaschenkühler von Ron Arad … Genügt Ihnen das?
Vollkommen! Herr Alessi – besten Dank für das Gespräch