Julius Bär: Globale Konjunkturdynamik schwächt sich ab

Die Wachstums-perspektiven der Weltwirtschaft sind nach der kräftigen Expansion des Vorjahres für das laufende Jahr zurückhaltender einzuschätzen. Die unverändert hohen Rohöl- und Rohstoffpreise sowie der schwache Dollar belasten die globale Konjunkturdynamik. Die Frühindikatoren der OECD weisen für die wichtigsten Wirtschaftsregionen auf eine Konjunkturverlangsamung hin, was sich gemäss den Prognosen von Julius Bär in den einzelnen Regionen unterschiedlich auswirkt.

In den USA wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) nach 4.4 Prozent im Jahr 2004 voraussichtlich um immer noch robuste 3.3 Prozent zunehmen. Demgegenüber wird sich das Wachstum in Japan deutlich auf 1.1 Prozent (2004: 2.9 Prozent) abkühlen. Die Expansionsrate in den Euro-Ländern wird sich mit einem Plus von 1.6 Prozent etwa auf Vorjahresniveau bewegen, ebenso die Schweiz mit einer erwarteten Steigerung des BIP von 1.5 Prozent. Relativ am dynamischsten werden sich auch weiterhin die grossen Schwellenländer wie Russland, China und Indien entwickeln. Die Industrieländer sehen sich unverändert mit einem Beschäftigungsproblem konfrontiert: Die prognostizierten Zuwachsraten bleiben auch im Jahr 2005 ohne nennenswerten positiven Einfluss auf die nationalen Arbeitsmärkte. Der global wenig synchrone Konjunkturverlauf wird für eine anhaltend volatile, in den einzelnen Regionen durchaus unterschiedliche Entwicklung der Finanzmärkte sorgen. Insgesamt sind bis auf weiteres Aktien festverzinslichen Anlagen vorzuziehen.

Gemäss Janwillem Acket ist die konjunkturelle Abkühlung der Weltwirtschaft nur vorübergehender Natur und wird, eine unveränderte geopolitische Lage vorausgesetzt, bereits im Jahr 2006 von zunehmenden Steigerungsraten abgelöst sein. Der Preisanstieg des Rohöls im Jahr 2004 um knapp 40 Prozent und der industriellen Rohmaterialien um rund 20 Prozent hinterlassen zusammen mit der Dollarschwäche im laufenden Jahr noch deutliche ? faktische und stimmungsmässige ? Bremsspuren. Diese «Schocks» müssen verdaut und die makro- und mikroökonomischen Prozesse entsprechend adjustiert werden. In den kommenden Monaten rechnet die Bank aber mit einem leichten Rückgang der Rohölpreise, verbunden mit den entsprechend positiven Auswirkungen auf die globale Konjunkturentwicklung. Nach wie vor angespannt ist die Beschäftigungslage. In verschiedenen Wirtschaftsregionen stehen die Arbeitsmärkte unter anhaltendem konjunkturellem, strukturellem oder auch demographischem Druck. Die global moderaten Wachstumsaussichten können nur geringe Beschäftigungsimpulse in den OECD-Ländern geben.

USA: Asiaten finanzieren Staatsschuld
Auch nach der Wiederwahl von Präsident Bush sind bisher keine spürbaren Signale für eine signifikante Korrektur des doppelten Defizits von Staatshaushalt und Aussenhandel zu erkennen. Zwar wurde in verschiedenen Bereichen des US-Haushalts Einsparpotenzial identifiziert, allerdings nicht in den anteilsmässig grössten Bereichen Militär und Sicherheit. Die zur Finanzierung begebenen öffentlichen Anleihen werden mehrheitlich von ausländischen Investoren, namentlich asiatischen Notenbanken, gezeichnet. Dadurch blieben die Finanzierungsmöglichkeiten in den USA günstig, was wesentlich zum kräftigen Wachstum des privaten Konsums und der Investitionen beigetragen hat. Die kräftige Inlandsnachfrage in den USA ging einher mit einem stärkeren Importsog. In der Folge ist das US-Handelsbilanzdefizit in den vergangenen Monaten nicht gesunken, sondern auf neue Höchststände gestiegen, wobei sich der Negativsaldo mit Asien besonders ausgeweitet hat. Die US-Notenbank wird, so Janwillem Acket, die 2004 begonnene Zinswende in moderaten Schritten fortsetzen und die Leitzinsen von aktuell 2.5 Prozent auf 3.5 Prozent anheben. Die Zinsentwicklung und die durch die Defizite induzierten Kapitalströme in Richtung US-Markt werden im Laufe des Jahres zu einer Stärkung des Dollars führen. Die konjunkturelle Dynamik wird sich zwar auch in den USA abschwächen, mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 3.3 Prozent die Erwartungen für den Euro-Raum und die Schweiz aber deutlich übertreffen. Der Anstieg des BIP wird jedoch in naher Zukunft nicht zu einer Entspannung am Arbeitsmarkt führen: Dem demographisch bedingten Anstieg der Stellensuchenden wird erst ab Mitte des Jahres ein ausreichend grosses Angebot neuer Stellen gegenüber stehen. Angesichts der insgesamt guten Beschäftigungslage in den USA werden vom privaten Konsum aber dennoch anhaltend positive Wachstumssignale ausgehen.

Euro-Zone: Konsumenten wollen auch 2005 nicht konsumieren
In Europa wird die konjunkturelle Entwicklung besonders durch eine unflexible Arbeitsmarktpolitik und einen Reformstau behindert. Im Vergleich zu den USA ist gemäss Janwillem Acket die Arbeitsmarktlage im Euro-Raum, besonders in Deutschland, durch Stagnation und den entsprechend negativen Auswirkungen auf das Konsumklima gekennzeichnet. Trotz einer leicht nachlassenden Teuerung und tendenziell eher weiter sinkenden Zinsen sind die Verbraucher verunsichert und werden der Wirtschaft weiterhin dringend benötigte Impulse aus dem Privatkonsum vorenthalten. Für das Gesamtjahr wird mit einem Anstieg des BIP von 1.6 Prozent gerechnet. Das Wachstum wird trotz des weiterhin zur Stärke neigenden Euros vom Exportsektor getragen. Erst zu Beginn der zweiten Jahreshälfte erscheint eine nachhaltige Festigung des Dollars möglich.

Schweiz: Hang zum Sparen
Die Schweizer Wirtschaft wird im laufenden Jahr mit 1.5 Prozent ein leicht schwächeres Wachstum aufweisen als im Vorjahr. Wesentliche Impulse gehen dabei von Ausrüstungsinvestitionen aus, deren Zunahme voraussichtlich die Vorjahreswerte übertreffen wird. Dagegen wird sich der private Konsum abschwächen, so Janwillem Acket. Insbesondere langlebige Konsumgüter werden weniger nachgefragt, wie der Teil-Indikator der Autozulassungen bestätigt. Auch in der Schweiz hat sich die Beschäftigungslage in den vergangenen Jahren nicht wesentlich gebessert. Obwohl sich die Wirtschaft seit fünf Quartalen auf einem mehr oder weniger eindeutigen Wachstumspfad befindet, stagniert die Beschäftigtenzahl. Eine Ursache liegt darin, dass die relevanten Branchen wie Chemie, Pharma, Banken, Versicherungen, Bau- und Gastgewerbe aufgrund des grossen internationalen Konkurrenzdrucks den Mitarbeiterbestand abgebaut haben. Neue Arbeitsplätze wurden in weniger produktiven Bereichen wie Gesundheits- und Sozialwesen, Bildung oder öffentliche Verwaltung geschaffen. Deren Beitrag zum BIP-Wachstum ist bescheiden und aus Finanzierungsgründen kaum mehr ausbaufähig. Im laufenden Jahr wird der Schweizer Franken sowohl gegenüber dem Euro als auch dem US-Dollar schwächer notieren, was der Exportwirtschaft zusätzliche Impulse geben könnte. Das prognostizierte Wachstumsszenario wird es der Schweizerischen Nationalbank erlauben, den bisherigen expansiven Kurs weiter einzuschränken und das geldpolitische Zielband schrittweise auf 1.5 Prozent zu
erhöhen.

China: ungebrochene Dynamik
Die chinesische Wirtschaft wird auch 2005 weiter expandieren. Mit einem Plus von 9.5 Prozent weist das Land derzeit weltweit eine der höchsten Wachstumsrate aus. Die Industrieproduktion bleibt gemäss Einschätzung von Gérard Piasko auch in den kommenden Monaten robust, wird aber im Vergleich zu den Vorjahren weniger kräftig zunehmen. Ungebrochen dynamisch und zur Genugtuung der globalen Handelspartner wird sich dagegen der Privatkonsum entwickeln. Darüber hinaus ist China in den letzten Jahren ein wichtiger Akteur an den internationalen Kapitalmärkten
geworden, mit entsprechendem Einfluss auf die Wechselkurse. Das Land zählt zu den bedeutendsten Käufern von nicht in US-Dollar denominierten Anlagen, was sich u.a. in der Euro-Stärke widerspiegelt. Der diesjährige Wachstumstrend in China wird sich auch 2006 fortsetzen und damit der globalen Konjunktur wesentliche Wachstumsimpulse verleihen. Eine Aufwertung der chinesischen Währung steht auch nach dem G-7-Treffen vom vergangenen Wochenende kurzfristig nicht an. Aufgrund der hohen Zahlungsbilanzüberschüsse und der steigenden Währungsreserven nimmt der Aufwertungsdruck auf andere asiatische Währungen zu.

Anlagepolitik: Aktien weiterhin übergewichten
Der starke Rückgang der langfristigen Zinsen in den letzten drei Monaten macht Obligationen gegenüber den hohen Dividendenrenditen europäischer Blue Chips teuer: Daher sind Aktien aus Sicht von Gérard Piasko gegenüber festverzinslichen Anlagen vorderhand unverändert leicht überzugewichten. Diese Einschätzung würde bei Gefahr einer Rezession hinfällig, wovon Julius Bär derzeit aber nicht ausgeht. Darüber hinaus rät Gérard Piasko zu ergänzenden Investitionen in alternative Anlagen wie Rohstoffe und Gold, nicht zuletzt auch als Absicherung gegen geopolitische Risiken. Innerhalb des Aktienuniversums argumentieren die Experten der Bank neutral sowohl in Bezug auf zyklische Werte als auch gegenüber den weniger konjunkturabhängigen Sektoren. Der tiefe Dollarkurs spricht gemäss Gérard Piasko temporär für Anlagen in US-Dollars, was sich bereits in den Musterportfolios von Julius Bär seit Dezember 2004 widerspiegelt. Um von den überdurchschnittlichen Wachstumsraten in Asien und den Emerging Markets inkl. Osteuropa zu profitieren, raten die Experten von Julius Bär zu Investitionen in bereits breit diversifizierten Anlagen. Bei einem China-Engagement über Direktanlagen ist Vorsicht angebracht.

(Julius Bär, MC hfu)

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