WEF: Schweizer Banken kritisieren Aids-Initiative von Jacques Chirac
Wenig Verständnis hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) für Jacques Chiracs Idee, dass Länder, die am Bankgeheimnis festhalten, Teile der Kapitalgewinne für einen Aids-Fonds abzweigen sollen.
Bankgeheimnis nich für Kapitalflucht verantwortlich
Chiracs Vorschlag, der darauf abzielt, die negativen Auswirkungen der Steuerflucht zu kompensieren, sei «seltsam», erklärte SBVg-Sprecher Thomas Sutter am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Sutter glaubt nicht, dass das Bankgeheimnis für Kapitalflucht verantwortlich ist.
Privatbankiers: «Chirac täuscht sich»
Ähnlich tönt es bei den Schweizer Privatbankiers. Chirac täusche sich, sagte Generalsekretär Michel Dérobert. Hier würden Dinge vermischt, die nichts miteinander zu tun hätten.
Eidgenössisches Finanzdepartment kommentiert nicht
Das Eidgenössische Finanzdepartment nimmt den Vorschlag derweil zur Kenntnis, ohne ihn zu kommentieren.
Nichtregierungsorganisationen erfreut Besteuerungs-Vorschläge
Erfreut über Chiracs Besteuerungs-Vorschläge zeigten sich hingegen die Schweizer Nichtregierungsorganisationen (NGO). Diese Ideen für Steuern auf Finanztransaktionen oder auf dem Bankgeheimnis entsprächen den Vorstellungen der NGO, sagte Andreas Missbach von der Erklärung von Bern (EvB). Staaten mit Bankgeheimnis, wie etwa die Schweiz, saugten die Steuern anderer Länder ab. Es sei äusserst sinnvoll, sie im Gegenzug mit einer Sondersteuer zu belegen, erklärte Missbach. Eine internationale Steuerbehörde fordert Bruno Gurtner von der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke. Deren Aufgabe wäre es, die Schlupflöcher für Steuerflüchtlinge zu stopfen.
Schweiz sabotiere verbindliche Absprachen gegen schädlichen Steuerwettbewerb
Die Schweiz sabotiere gemeinsam mit anderen Staaten wie Österreich oder Luxemburg die Versuche, verbindliche Absprachen gegen schädlichen Steuerwettbewerb zu treffen, sagte John Christensen, der internationale Koordinator des Netzwerks für Steuergerechtigkeit. In Deutschland spricht die Regierung gar von einem sympathischen Ansatz. Der Vorschlag müsse nicht unbedingt nur auf die Aids- Bekämpfung abzielen, sondern könnte auch dem Ziel einer Erhöhung der Entwicklungshilfe dienen, sagte ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums in Berlin.
Premierminister Tony Blair zurückhaltend
Eher zurückhaltend gab sich der britische Premierminister Tony Blair. «Darüber muss diskutiert werden», sagte Blair am WEF in Davos. Die Vorschläge gingen jedoch in die richtige Richtung, nämlich das Engagement der reichen für die armen Länder zu verstärken, sagte der britische Regierungschef.
Konkrete Vorschläge für die Armutsbekämpfung
Chirac hatte am Mittwoch im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos konkrete Vorschläge für die Armutsbekämpfung unterbreitet. Dazu gehört auch das Szenario einer Besteuerung von Ländern mit einem Bankgeheimnis. Für Chirac wäre auch eine allgemeine Besteuerung der Finanztransaktionen in allen Finanzplätzen denkbar. Weiter könnte die Steuer nach seinen Worten auf Treibstoff für Luft- und Seetransporte oder in Form einer Erhöhung der Preise für Flugtickets erhoben werden. Damit könnten jährlich 10 Mrd. Dollar aufgebracht werden.
Leiter des Globalen Fonds begrüsst Vorschlag
Der Leiter des Globalen Fonds zum Kampf gegen Aids, Richard Feachem, begrüsste den Vorschlag. Weltweit sind 38 Mio Menschen an Aids erkrankt oder mit dem HI-Virus infiziert. (awp/mc/gh)