Hans Peter Baumgartner, CEO Sunrise:»Die Unternehmenskultur ist sehr ausgeprägt»
Hans Peter Baumgartner amtiert seit etwas über drei Monaten als CEO von sunrise. Im Interview mit Moneycab zieht er eine erste Bilanz und äussert sich zum Geschäftsverlauf, UMTS und der Entbündelung der letzten Meile.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Baumgartner, sunrise TDC Switzerland AG hat im 3. Quartal ihr Wachstum fortgesetzt und Betriebsergebnis sowie Reingewinn gesteigert. Worauf führen Sie dieses Resultat zurück?
Hans Peter Baumgartner: Alle Geschäftseinheiten haben zu diesem positiven Ergebnis beigetragen, was einmal mehr bestätigt, dass unsere Vollservice-Strategie aufgeht. Das Ergebnis ist umso erfreulicher, als dass der Schweizer Telekommunikationsmarkt härter denn je umkämpft ist.
«Die Entbündelung der letzten Meile wird es sunrise erlauben, mehr Einfluss auf die Produktegestaltung zu nehmen, als dies heute möglich ist.» Hans Peter Baumgartner, CEO sunrise
Der Umsatz hat sich zwar in den ersten neun Monaten um 6,2 % verbessert, hingegen verharrte er im 3. Quartal auf Vorjahresniveau. Wo liegen hier die Gründe?
In zwei Bereichen gingen die Umsätze zurück. Zum einen im Verkauf von neuen Handys, was sicher auf eine gewisse Sättigung im Mobilfunkmarkt hinweist. Zum anderen im sogenannten Transit Datenverkehr (Anmerkung der Redaktion. Transit Datenverkehr sind Daten, die sunrise von einem Provider zu einem anderen – Schweiz oder Ausland – routet.) Beide Bereiche stellen für sunrise keine Kerngeschäfte dar, in unseren angestammten Geschäftsfeldern waren wir erfolgreich.
Geradezu einen Einbruch erlebte der Festnetzbereich. 8,3 % weniger Umsatz und 4 % weniger Kunden lauten hier die Zahlen, und dies trotz Einführung einer „flatrate“ im August. Wie sehen Sie in diesem Bereich die weitere Entwicklung?
Die Nutzung der traditionellen Festnetztelefonie wird wohl langfristig weiter abnehmen, das entspricht einem globalen Trend, mit dem nicht nur sunrise konfrontiert ist. Das Festnetz dürfte aber auch in Zukunft erste Wahl sein, wenn es darum geht, Breitband-Internetdienste zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten.
Sunrise lanciert nun als erster Schweizer Betreiber ein Angebot zur sogenannten Konvergenz, also der Verschmelzung der Mobil- und Festnetztelefonie. Wie funktioniert „sunrise family“?
sunrise family ist ein neues Angebot für private Kundinnen und Kunden, die ihre Festnetz- und Mobilanschlüsse bei sunrise über eine gemeinsame Rechnung angemeldet haben. sunrise family ermöglicht innerhalb einer Gruppe Gespräche zum günstigen Einheitstarif von 29 Rappen pro Minute.
In Grossbritannien soll in einem Jahr eine weitere Entwicklung auf den Markt kommen, das sogenannte Bluephone. Unterwegs telefoniert der Benutzer über das GSM-Netz, ist er zu Hause, telefoniert er mit dem gleichen Apparat über das billigere Breitband-Internet. Wie sieht Sunrise diese Entwicklung?
Dieses Verfahren erfordert beträchtliche Aufwendungen in neue Hardware und auch der unterbruchsfreie Übergang zwischen den Netzen ist noch nicht sichergestellt. Der Ansatz ist sicher interessant und sunrise wird die Entwicklung in diesem Zusammenhang genau verfolgen.
Am 15. November startet die Swisscom die dritte Mobilfunkgeneration UMTS für das breite Publikum. Auch Sunrise muss gemäss den Lizenz- bestimmungen Ende Jahr mit einem UMTS-Dienst starten und dabei eine Mindestabdeckung von 50 % der Bevölkerung erreichen. Wie weit ist Sunrise hier?
Unser UMTS-Netz steht, zum Jahreswechsel wird sunrise ihren Geschäftskunden eine UMTS-fähige Datenkarte anbieten. Den Zeitpunkt für die Einführung von Privatkundenprodukten wie Videotelefonie und Video Content hingegen sehen wir noch nicht gekommen, zumal die Möglichkeiten, die GPRS in diesem Bereich bietet, noch nicht ausgeschöpft sind.
Swisscom begleitet die UMTS-Einführung mit einer riesigen Werbe- kampagne, ausserdem sollen einzelne Geräte mit bis zu 500 Franken subventioniert werden.Haben Sie keine Angst, dass Ihnen ein Teil Ihrer Kunden abwandert?
sunrise orientiert sich bei der Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen kompromisslos an bestehenden Kundenbedürfnissen – und ein solches sehen wir zur Zeit nicht bei Privatkunden. Anders sieht es im Geschäftsbereich aus, wo wir wie gesagt den mobilen Zugang zum Internet bzw. Intranet über eine UMTS-fähige Datenkarte anbieten werden.
Vor rund einem Monat hat der Nationalrat die Öffnung der letzten Meile beschlossen. Die Swisscom muss damit das Monopol-Anschlussnetzwerk auch für neue Anbieter öffen. Was für Auswirkungen hat dieser Schritt auf das Geschäft von sunrise?
Die Entbündelung der letzten Meile wird es sunrise erlauben, mehr Einfluss auf die Produktegestaltung zu nehmen, als dies heute möglich ist. Dies wiederum wird uns die Möglichkeit geben, die Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden noch besser abzudecken. Mit dem Entscheid des Nationalrats sind wir deshalb zufrieden, unsere
Anliegen wurden weitgehend berücksichtigt. Einzig die auf zwei Jahre beschränkte Verfügbarkeit des schnellen Internetzugangs (Bitstream) wird uns die Arbeit in den
Randregionen, wo heute die KMU die höchsten Preise bezahlen, erschweren. Hier hoffen wir auf Nachbesserung durch den Ständerat.
Da es für die Kunden immer schwieriger wird, den Überblick über alle Angebote und Neuerungen bewahren zu können, wird der Kundendienst immer wichtiger. Wo sehen Sie hier bei Sunrise die Stärken im Vergleich zur Konkurrenz?
sunrise hat 2004 mehr Ressourcen eingesetzt und die Anstrengungen in der Schulung ihrer Mitarbeitenden verstärkt. Dadurch haben wir die Wartezeiten deutlich senken können. Heute liegt die durchschnittliche Wartezeit im sunrise Call Center bei rund 30 Sekunden. Gerade im Kundendienst wollen wir einen Top Service bieten.
Wie sieht Ihre Wachstumsplanung in den nächsten beiden Jahren für die Schweiz aus bezüglich Mitarbeiter, Umsatz und Investition in Technologie?
Wir sind eine Vollservice-Anbieterin und möchten in allen Kerngeschäfte, also Mobilfunk, Festnetz und Internet, wachsen. Wir erwarten Innovation und somit auch Wachstum aus dieser Position, jüngstes Beispiel ist hierzu ist sunrise family, das erste konvergente Produkt der Schweiz. Des weiteren sehen wir im Geschäftskunden-segment noch grosses Wachstumpotential.
Letzte Frage: Sie haben am 5. August die Verantwortung als neuer CEO von Sunrise (TDC Switzerland AG) übernommen. Ziehen Sie für uns doch bitte eine Bilanz Ihrer ersten 100 Tage im Amt.
Nach meinem Wechsel zu sunrise sind mir als erstes der enorme Team-Geist, der bei sunrise herrscht und die hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgefallen. Die Unternehmenskultur ist sehr ausgeprägt, ich habe mich deshalb schnell eingelebt. Meine Erfahrungen aus meiner Zeit bei Sony in verschiedenen Führungspositionen kann ich hier sehr gut einbringen. Ich schätze zudem Flexibilität und bin ein Freund schneller, transparenter Entscheide. Das sind Eigenschaften die im harten, sich schnell verändernden Telekommunikationsmarkt sicher von Nutzen sind.
Moneycab Interviews
Hans Peter Baumgartner
Geboren: 18. Februar 1958
Bürgerort: Zürich und Altstätten (SG)
Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung:
1977-1978: Studium der Mathematik an der Uni Zürich
1978-1979: Diverse Militärdienste, Weiterbildung zum Offizier
1979-1984: Studium der Betriebswirtschaft an der Uni Zürich
1984: Lizentiat in Betriebswirtschaft (magna cum laude)
1990/1991: Sony-interne Management Seminare in Köln und Tokio
1995: Sony-internes Senior Executive Seminar am IMD Lausanne
Berufliche Laufbahn:
Okt. 1998-Dez. 2000:
Sony Broadcast & Professional Europe Director Projection & Presentation Business Group
Member of the European Executive Board
Member of the Global Business Strategy Committee
Gesamtverantwortung (P&L) für die Business Unit ‹Displays &
Projection› Europa
Jan. 2001-April 2004:
Sony Overseas SA, Schlieren
Vorsitzender der Geschäftsleitung (Managing Director)
Delegierter des Verwaltungsrates
Gesamtverantwortung für Sony in der Schweiz (P&L) sowie für das Operations-Center für Ost-Europa (in Schlieren)
Seit Mai 2004: Sunrise
TDC Switzerland AG, COO sunrise mobile
Seit Aug. 2004:TDC Switzerland AG, CEO