EU erfolgreich: Deutsche Schwerverkehrs- Abgabe kommt später
Nach einem Veto aus Brüssel hat Deutschland die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe um zwei Monate verschoben. Das gibt dem schweizerischen Transportgewerbe, aber auch den Behörden etwas Luft. Am Nadelöhr Basel werden dennoch Staus befürchtet.
Von David Strohm
Staugefahr: Schwerverkehr vor der Basler Grenze (pd)
Ursprünglich wollte Deutschland ab dem 31. August von den Lenkern schwerer Lastwagen eine Abgabe kassieren, womit auf der Europakarte ein weiteres Land, in dem «Freie Fahrt» auch kostenfrei bedeutet, verschwunden wäre. Was in Italien und Frankreich seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, die Kostenpflicht für die Benützung der Autobahnen, sollte für das Transportgewerbe auch im grössten EU-Land Realität werden.
Proteste des Transportgewerbes
Nach einem Veto der EU-Kommission und scharfen Protesten seitens des Transportgewerbes hat Deutschland nun die Einführung um zwei Monate verschoben. Bis dahin soll die neuartige Technik getestet werden. Das von einem Konsortium aus Deutscher Telekom, DaimlerChrysler Services und dem französischen Autobahnbetreiber Cofiroute in weniger als einem Jahr entwickelte System basiert auf der Kombination aus Mobilfunk und dem satellitengestützten Global Positioning System (GPS), das auch zur Ortung von Schiffen oder für das Navigationssystem im Auto verwendet wird.
350 mobile Kontrolleure Lastwagen werden den Plänen zufolge ab dem 2. November auf allen deutschen Autobahnen durchschnittlich 12,4 Cent Maut pro Kilometer zahlen. Anders als in der Schweiz, wo die LSVA bereits ab 3,5 Tonnen gilt, zahlen «Brummis» in Deutschland erst ab 12 Tonnen. Reisecars sind von der Maut ausgenommen. Die genaue Gebühr ist abhängig von Achszahl und Schadstoffausstoss. Berechnet wird die Maut über ein satellitengestütztes Erfassungssystem. 350 Mobile Eingreifteams kontrollieren die Einhaltung der Mautpflicht.Lieferschwierigkeiten
Mit einem Gerät in der Grösse eines Autoradios im Lastwagen kann die Abgabe auf den Kilometer genau abgerechnet werden. Allerdings hat Toll Collect Lieferschwierigkeiten mit dem Gerät, das den Fuhrhaltern gratis abgegeben wird. Auch in der Schweiz verfügen noch bei weitem nicht alle Fahrzeuge, die in Deutschland zirkulieren, über den High-tech-Kasten. 3500 Terminals
Alternativ lässt sich die Gebühr zwar auch via Internet abbuchen, sowie über Call-Center oder an Billetautomaten, die der Betreiber des Systems, das Gemeinschaftsunternehmen Toll Collect, derzeit an den Landesgrenzen, auf Raststätten und anderen Verkehrsknoten installiert. Mehr als 3500 Mautstellen-Terminals in Deutschland und in den Grenzgebieten der Nachbarstaaten wollen die Betreiber noch aufstellen. Zwar versichert Toll-Collect-Geschäftsführer Michael Rummel: «Wir sind im Plan und schaffen es.» Doch ob die Technik funktioniert und tatsächlich genügend Geräte vorhanden sind, muss ich erst noch weisen.Toll Collect ist für das System in ganz Europa auf Werbetour gegangen. Kürzlich legten Vertrter des Konsortiums in Bern Details für die Umsetzung an den Grenzen zur Schweiz vor. Fachleute aus der Verwaltung und der Speditionsbranche zeigten sich überrascht.Sorgen beim Astag
Der Nutzfahrzeugverband Astag hat umgehend begonnen, seine Mitglieder zu instruieren. Astag-Sprecher Beat Keiser kritisiert die späte und ungenügende Kommunikation des Betreiberkonsortiums. «Wir befürchten unschöne Szenen an der Basler Grenze», sagt Keiser. Die Gebühr selbst schreckt die Branche nicht – die in der Schweiz flächendeckend gültige LSVA ist bedeutend höher. Experten in Eile
Alarmiert reagierten auch die Behörden. In einer eilends gebildeten Expertenrunde setzen sich in den kommenden Tagen Vertreter der Oberzolldirektion, des Bundesamts für Strassen (astra), der Tiefbauämter und Kantonspolizeien Basel-Stadt und Schaffhausen sowie der deutschen Kollegen erstmals zusammen, um Massnahmen gegen einen mögliche Lastwagen-Blockade auf Schweizer Seite zu diskutieren. Zu verhindern gilt es den Ernstfall, wenn nämlich Chauffeure in grosser Zahl an den Automaten versuchen, ihren Lastwagen registrieren zu lassen. Milliardeneinnahmen aus Wegzoll
Deutschland erhofft sich von dem Wegezoll jährliche Einnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro, wovon stolze 650 Millionen Euro an das Toll-Collect-Konsortium fliessen. Gedacht sind die Mittel für den Ausbau des Schienennetzes und ein so genanntes Antistauprogramm. Zu Beginn dürfte die Maut wohl erst einmal das Gegenteil bewirken. David Strohm (swisscontent)