Interview Roman Boutellier: «Wir richten uns bei SIG auf den Double Dip ein»
Der Verpackungs-Konzern SIG legt ansprechende Halbjahreszahlen vor, die Maschinenindustrie aber jammert. CEO Roman Boutellier erklärt im Interview, weshalb es SIG besser geht als der Branche.
Von Markus Schär
Moneycab: Herr Boutellier, Sie scherzten vorher an der Medienkonferenz, dass SIG als typische Schweizer Firma auf hohem Niveau jammere. Bei der Schweizer Maschinenindustrie tönte es heute Morgen aber Besorgnis erregend. Warum geht es Ihnen besser?
Roman Boutellier: Ich glaube, wir sind in einer vernünftigen Branche. Der Ausstoss von Nahrungsmitteln ist viel konstanter als die Autoproduktion oder der Bau von Grossanlagen. Gegessen und getrunken wird ja immer. Und die Grossen in unserer Branche, wie Nestlé, haben auch die Kraft, in schlechteren Zeiten weiter zu investieren.
Andere multinationale Schweizer Konzerne mussten jetzt beim Halbjahresabschluss erhebliche Abstriche wegen der Währungsumrechnung machen. Sie nicht?
Doch, doch. In Lokalwährungen lag der Umsatz um 3 Prozent und der Ebita um 4 Prozent höher. Wir werden deshalb den Jahresabschluss mit allergrösster Wahrscheinlichkeit in Euro vorlegen. Wir haben eine Umfrage bei den Analysten gemacht, und niemand hatte etwas dagegen.
Sie leiden also nicht stark unter der Schwäche von Dollar und Euro?
Wir produzieren zum grossen Teil im Euroraum, mit 8000 Mitarbeitern gegenüber noch 1400 in der Schweiz. Viel kann uns also nicht mehr passieren. Und dazu achten wir darauf, dass wir dort produzieren, wo wir verkaufen. Wenn allerdings der Dollar absacken würde, bekämen wir ein Problem.
Wie gross ist denn für Sie die Gefahr, dass sich der Dollar weiter abschwächt?
Oh je, ich habe keine Ahnung. Das kommt darauf an, was der Cowboy Bush macht. Aber wir gehen einmal davon aus, dass der Dollar dort bleibt, wo er jetzt ist.
Swissmem klagt, die Schweizer Maschinenbau-Unternehmen müssten wegen des starken Frankens Wertschöpfung ins Ausland verlagern.
Bei uns gab es keine grösseren Verlagerungsübungen. Was wir an Unternehmen im Ausland haben, ist durch Akquisitionen dazu gekommen. In der Mechanik haben wir allerdings in den letzten Jahren Arbeiten nach Tschechien und Ungarn verschoben, mit gutem Erfolg. Was wir in der Schweiz machen, hängt aber eher von der Verfügbarkeit der Leute ab. Da profitieren wir von der Grenzlage: In Beringen sind 40 Prozent der Beschäftigten Grenzgänger.
Vor der Einführung des Euro wurde darüber gesprochen, sie könnten in Euro entlöhnt werden.
Ja, das Thema kommt immer wieder. Die Grenzgänger wollen natürlich jeweils, was für sie günstiger ist. Aber für uns in der Führung ist das kein Thema.
Bevor Sie zu SIG kamen, waren Sie Professor. Was raten Sie der Schweizer Maschinenindustrie?
Ich meine, sie muss sich auf jene Ressourcen ausrichten, über die wir in unserem Land verfügen. Mit sieben Millionen Einwohnern bringen wir einfach nicht genug Ingenieure hervor, um die ganze Welt beliefern zu können. Andere sind heute ebenso gut. Und die Ingenieure kosten anderswo auch nicht weniger. Deshalb müssen wir uns überlegen, was überhaupt in der Schweiz machbar ist, und sonst hinaus gehen.
Dann sehen Sie also die hohen Kosten in der Schweiz nicht als Problem?
Natürlich sind sie immer ein Thema, aber kein grosses. Wir haben noch nie einen Auftrag verloren, weil wir in der Schweiz produzieren.
Bei Swissmem wurde allerdings gesagt, Schweizer Unternehmen müssten heute aus marketingpsychologischen Gründen in Euro offerieren, weil der Franken als teuer gelte.
Was wir aus Deutschland oder Italien liefern, fakturieren wir natürlich in Euro. Aus der Schweiz versuchen wir dagegen Franken durchzusetzen.
Mit Erfolg?
Nein, der Kunde sagt häufig: Tut mir leid.
Sie haben ein starkes Wachstum in China und Russland. Ergeben sich in diesen Märkten die grossen Chancen für den Schweizer Maschinenbau?
Das kommt etwas auf die Güter an, aber viele Industrien können heute davon profitieren: Diese beiden Märkte wachsen extrem, es gibt ja auch einen grossen Bedarf. Allerdings können sie auch wieder abstürzen. Deshalb dürfen wir keine hohen Fixkosten aufbauen.
Bei den anderen Märkten tönen Sie dagegen eher vorsichtig. Von welchen Konjunkturprognosen gehen Sie aus?
Ich kann mir vorstellen, dass es zu einem Double Dip kommt, das ist auch historisch wahrscheinlich. Wir richten uns deshalb darauf ein, dass es nochmals zu einer Abschwächung kommt.