Ulrich Gygi: «Die Rendite reicht nicht, um unsere Zukunft zu finanzieren»
Für die Schweizer Post bleibt noch viel zu tun, bis sie für den freien Wettbewerb gerüstet ist. Im Moneycab-Interview spricht Post-Chef Ulrich Gygi über die Zukunft seines Unternehmens.
Von Herbert Lanz
(Foto: Keystone)
Moneycab: Ulrich Gygi, waren Sie als Sozialdemokrat gestern an einer 1. Mai-Feier?
Ulrich Gygi: Nein, ich habe gearbeitet.
Gewerkschafter hätten Sie wahrscheinlich in die Mangel genommen und die Liberalisierung als übereilt bezeichnet und den Abbau von Arbeitsplätzen kritisert. Was passiert, wenn die Post ein langsameres Tempo anschlagen würde?
Es ist in der Tat feststellbar, dass man in der Schweiz gegenüber einer Liberalisierung zurückhaltender ist als im Ausland. Im Ausland lautet die Parole: Wir marschieren vorwärts. Die Problematik ist nun aber, dass bei allen die gleichen Rahmenbedingungen herrschen. Für mich ist klar: Wenn wir zu lange geschützt sind, ist der Turnaround nur schwer zu erreichen.
Das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek will voraussichtlich das Monopol bei der Briefpost auf 100 Gramm senken. Die EU will die Grenze sogar auf 50 Gramm senken. Was hindert die Post daran, das gleiche Liberalisierungstempo wie die EU anzuschlagen?
Man muss sehen, dass die Briefpost unser Hauptgeschäft ist. Man kann doch nicht von mir erwarten, dass ich zum Uvek springe und weitergehende Liberalisierungssschritte fordere. Eine Liberalisierung für Briefe unter 100 Gramm würde uns an die Substanz gehen.
«Die Paketpost war bis jetzt einfach zu günstig.» Ulrich Gygi über die Gründe der geplanten Tariferhöhung
Bei der Paketpost konnten Sie das Defizit von rund 250 auf 150 Millionen Franken verringern. Wann erwarten Sie bei der Paketpost ein ausgeglichenes Ergebnis?
Unser Ziel ist es, bis im Jahr 2005 ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen.
Und darum haben Sie Tariferhöhungen beantragt?
Ja, denn bis jetzt war die Paketpost einfach zu günstig. Mit den Preisanpassungen erwarten wir einen Mehrertrag von 60 Millionen Franken. Man muss das aber schon in Relation zum neu ausgehandelten Gesamtarbeitsvertrag sehen, durch den wir einen Mehraufwand bei den Personalkosten von 100 Millionen Franken zu gewärtigen haben. Zudem bleiben die Tarife der Briefpost bis 2004 unverändert.
Aber Ihre 18 Briefpost-Zentren werden in den nächsten Jahren überprüft und zumindest teilweise zusammengelegt. Welche Auswirkungen hat dieses Projekt auf das Personal?
Wir rechnen über die nächsten Jahre mit einem Abbau von mindestens 1000 Stellen. Selbstverständlich versuchen wir Kündigungen wenn möglich zu vermeiden. Aber momentan ist es mir nicht möglich, dazu irgendwelche Garantien abzugeben.
Sie erwirtschaften eine Umsatzrendite von 3,1 Prozent und betrachten diese als ungenügend. Wie hoch müsste diese sein?
Wenn wir branchenübliche Werte betrachten, dann ist 5 Prozent die untere Grenze. 3,1 Prozent reichen nicht aus, um unsere Zukunft zu finanzieren.
«Der Bundesrat hat mit Anton Menth die richtige Wahl getroffen» Post-Chef Ulrich Gygi über den neuen VR-Präsidenten
Sie wollen auch im Ausland expandieren: Woher nehmen Sie die Mittel?
Unsere Auslandexpansion werden wir über unseren Cash-flow von 457 Millionen Franken finanzieren. Mehr hat einfach nicht Platz, denn wir wollen uns nicht verschulden. Die französische Post hat genau dies getan und kaut nun an diesen harten Brocken. Zudem sehe ich für ein dreistelliges Millionen-Engagement momentan keine Möglichkeiten.
Nächstes Jahr bietet Postfinance zusammen mit der UBS Kredite an. Was sind Ihre Erwartungen?
Wir gehen davon aus, dass wir Ende des ersten Quartals 2003 zwei bis drei Hypothekar-Produkte für Privatkunden anbieten können. Eine Prognose möchte ich nicht abgeben, da die ganze Sache abhängig davon ist, wie das Publikum die Produkte aufnehmen wird.
Nächstens bekommen Sie mit Anton Menth einen neuen VR-Präsidenten; einen Mann, der in der Kritik steht. Was sagen Sie dazu?
Entgegen allen Unkenrufen bin ich überzeugt, dass der Bundesrat mit Anton Menth die richtige Wahl getroffen hat.