Interview mit CEO Sergio Marchionne: Die SGS wird ihr Gesicht deutlich ändern


Der neue Chef der SGS Société Générale de Surveillance glaubt an die Zukunft des Genfer Unternehmens. Um auch in Zukunft bestehen zu können, macht er zunächst einen grossen Frühjahrsputz.

Von Laurent Buschini


Sergio Marchionne (Foto: Keystone)
Die Société Générale de Surveillance (SGS) steht an einem Wendepunkt. Nicht nur weil die Führungsriege in diesme Jahr komplett erneuert wird, sondern vor allem, weil sich der Geist im Unternehmen ändern muss. So lautet die zentrale Botschaft des neuen Chefs, des Italo-Kanadiers Sergio Marchionne, bei der Vorstellung der Geschäftszahlen 2001. Der ehemalige Leiter von Lonza, der am 1. Februar das Ruder bei SGS übernommen hat, sagt es deutlich gesagt: Das Wachstumspotenzial des Genfer Multis ist enorm. Aber zunächst muss man einen Frühjahrsputz machen, bevor man daran denken kann, die Profitabilität zu steigern. In Bezug auf den Geschäftsbereich der Regierungsaufträge (GTS) bekräftigte Sergio Marchionne, dass er keine Forderungen ausfallen lassen werde. «Wir haben gearbeitet und dafür wollen wir unseren Lohn», betonte er mehrfach.


Moneycab: Herr Marchionne, welche Karten hat die SGS, um die bei Kunden ausstehenden Forderungen durchzusetzen?
Sergio Marchionne: Es handelt sich um vertragliche Verpflichtungen. Die zusätzlichen Rückstellungen von 177 Millionen Franken dürfen nicht so interpretiert werden, dass wir auf die Bezahlung der Schulden verzichten werden. Es handelt sich lediglich darum, in der vorgelegten Rechnung die Risiken deutlich zu machen.


Hat der Geschäftsbereich Regierungsaufträge eine Zukunft?
Auf jeden Fall. Es kommt für mich nicht in Frage, diesen Tätigkeitsbereich fallen zu lassen, der in der Vergangenheit den Grossteil der Gewinne brachte. Wir könnten den Sektor allenfalls aufgeben, wenn das Geschäftsvolumen drastisch einbrechen würde. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir die Sparte stabilisieren können. Zweifellos haben wir dieses Jahr den Tiefpunkt erreicht, was Volumen und Einnahmen angeht. Und ausserdem müssen wir in jedem Fall den Hebel ansetzen, um das aussergewöhnliche Netzwerk zu nutzen, das der Bereich GTS uns liefert. Wir sind in 140 Ländern vertreten – das müssen wir ausnutzen.


Die SGS wird dieses Jahr bei Firmenkäufen aggressiv auftreten, hat Max Amstutz, der scheidende VR-Präsident bei der Vorstellung der Ergebnisse angekündigt. Welche Firmen sind im Visier?
Darüber werde ich mehr an der Generalversammlung vom 2. Mai sagen. Wir sehen uns zahlreiche Dossiers an und haben bereits Zielunternehmen identifiziert. Übrigens, auch Kooperationen sind möglich, vor allem in Regionen, in denen wir schwach vertreten sind. Aber ich unterstreiche einen Aspekt: Unser Heil wird nicht inFirmenkäufen liegen. In erster Linie müssen wir das organische Wachstum verbessern.


Wie werden Sie vorgehen?
Ich liebe die Einfachheit. Wir müssen die Bürokratie töten, die die SGS in den letzten Jahren erstickt hat. Ich strebe eine Struktur an, in der es nicht mehr als fünf Ebenen zwischen einem einfachen Mitarbeiter und dem Konzernchef gibt. Meine ersten Wochen im Konzern habe ich genutzt, um vor Ort Tuchfühlung zu bekommen Ich habe enormes Potenzial gesehen. Die Leute kennen ihre Arbeit und verfügen über die nötige Begeisterung, damit SGS wieder abhebt. Man sollte eher intern Innovationen ausbrüten lassen als sich auf mögliche Firmenkäufe zukonzentrieren.


Was war bisher Ihre grösste Überraschung?
Der Grad von Ineffizienz in gewissen Abteilungen des Konzerns.


Sie bestehen darauf, das Image von SGS zu verändern – was heisst das?
Die SGS ist die grösste Warenprüfungsgruppe der Welt. Diese drei Buchstaben müssen Synonyme für Warenprüfung, Zertifizierung und Tests werden – das, was Surveillance in der Vergangenheit übrigens war.


Werden Sie Kündigungen vornehmen?
Es ist zu früh, dazu etwas zu sagen. Aber es ist nicht auszuschliessen. Firmenintern müssen die Menschen verstehen, dass wir kein Verwaltungs-, sondern ein Privatunternehmen sind.


Die Biotechnologie kennen Sie von Lonza her gut – ist das der neue Goldesel für SGS?
Ich liebe die Biotechnologie sehr. Dienstleistungen für die Biotech- und Pharmabranche sind zweifellos unsere Zukunft. Aber ich habe im Augenblick kein konkretes Projekt. Die Dinge entwickeln sich sehr rasch. Redwood (Kontrolle von Kohlenwasserstoffe) ist innerhalb weniger Jahre unser Haupttätigkeitsbereich geworden. Ich brauche ein wenig Zeit , um meine Strategie umzusetzen, und die Investoren brauchen zunächst Geduld.


Wieviel Jahre?
Weniger als fünf Jahre, ganz bestimmt.


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